Traditionell, tänzig viel Freude vermitteln
Der grosse Ländlermusik-Kuchen weist viele wohlschmeckende Stücke auf. Die einen setzen auf reine Stimmungsmache, andere auf Virtuosität, nochmals andere auf Jahrzehnte alte Kultur. Es gibt aber auch noch jene, die das alles in einem vereinen, wenn sie tänzige, währschafte Ländlermusik spielen und dabei einfach das ausleben, woran sie selber grosse Freude empfinden. Eine dieser Kapellen ist das Ländlertrio Gantegruess, das in diesen Tagen seine erste CD vorstellt.
23.11.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Die Musikwelt wird von verschiedenen Seiten befruchtet: von Überlieferungen, von geschriebener Musik, neuen Experimenten, diversen Stilmischungen, vom Kommerz sowie künstlerischem Anspruch. In allen Musikgattungen gibt es auch die Intuitiven, die sich kaum für musiktheoretische oder musikgeschichtliche Zusammenhänge interessieren, sondern allein um die Wirkung, den tieferen Inhalt. Ihre Musik ist deshalb sehr ursprünglich, nahe an dem, was einmal zum Entstehen von Musik überhaupt geführt hat. Sie ist ein Spiegel des Lebens der Musizierenden und somit auch der Gesellschaft. Dieses Ziel wird aber lange nicht von allen erreicht. Musik wird dann zum reinen Selbstzweck, der zwar manche Bedingungen erfüllt, jedoch keine Gefühle abzurufen vermag. Man kennt es in der Klassik ebenso wie in der Popmusik und – leider schon lange – auch in der Volksmusik. Oftmals bekommt die «Verakademisierung» ein Übergewicht, weshalb dann auch eher die Köpfe erreicht werden, weniger die Herzen. Man staunt über die grossen Fähigkeiten dieser Musikerinnen und Musiker und freut sich sicher auch berechtigt über die wunderbare Klangwelt. Eine andere Bühne – im wahrsten Sinne des Wortes – ist die rein kommerzorientierte Musik. In Sachen Volksmusik ist das jene, die den Erfolg in der Lautstärke und oftmals in Banalitäten findet. Es erstaunt immer wieder, welch’ grosse Fangemeinden damit angesprochen werden können. «Jedem das Seine» liegt uns auf der Zunge, und das ist ja auch recht so! Gerade in diesem Umfeld aber kann sich die rein intuitive Musik gutes Gehör verschaffen. Man kennt das vom ursprünglichen Jazz, von den Gesängen der amerikanischen Sklaven, aber eben auch von der Volksmusik auf der ganzen Welt. Mit ihrer Musik drücken diese Interpreten ihr eigenes Lebensgefühl und ihre Leidenschaft aus. In der Volksmusik sind sie oftmals reine Stegreifler und haben auch kaum Musikunterricht besucht. Mit ihrem Talent, ihren Vorbildern tongenau und mit viel tänzigem Rhythmus folgen zu können, transportieren sie auch den Musikstil. Dass sie dazu ein hohes Können am Instrument benötigen, liegt auf der Hand. Gerade bei den Handörgelern gab es in der Hohezeit der Ländlermusik eine stattliche Anzahl solcher Musikanten. Und es gibt sie auch heute noch. Es stimmt nicht, dass alle jungen Musikanten Musikunterricht genossen haben und deshalb aus dem Vollen schöpfen können. Hingegen ist es so, dass es auch heute noch Ländlermusikanten – und notabene auch Musikantinnen – gibt, die ihr Handwerk selber erlernt haben und mit viel Interesse und Fleiss lüpfige Musik spielen. Zu ihnen gehören auch die Brüder Markus und Ueli Brunner und ihr Cousin Köbi Alder. Insider wissen, dass wir vom Ländlertrio Gantegruess reden.
Ursprung in Schwellbrunn
Am westlichen Ende des Kantons Appenzell Ausserrhoden, am Übergang zum hinteren Toggenburg, liegt die Gemeinde Schwellbrunn. Dort erblickten Ueli Brunner am 12. August 1985 und sein Bruder Markus am 18. Dezember 1987 auf einem Bauernhof das Licht der Welt. Nicht weit von ihnen wurde am 18. September 1983 ihr Cousin Köbi Alder geboren. Auch Köbis Eltern sind Bauern und führen gleichzeitig das heimelige und in Ländlermusikkreisen wohlbekannte Restaurant Sitz. Köbis Vater spielte in der weit herum bekannten Kapelle Sitzbuebe und auch sein Urgrossvater liess schon auf dem Hackbrett Töne erklingen. Dass der junge Köbi – er war damals schon 14-jährig – dann auch einmal zur Handorgel und zum Schwyzerörgeli griff, liegt bei diesen Bedingungen auf der Hand.
Musiktradition gibt es auch bei Brunners, spielt doch der Vater von Ueli und Markus ebenfalls Handorgel. In der Familienkapelle Echo vom Ibach spielten Markus und Ueli im Jugendalter mit ihrem Vater, wo sie erste persönliche Ländlermusikerfahrungen sammeln konnten.
In Schwellbrunn kamen die drei Musikanten aber auch in die dort sehr lebendigen Traditionskreise der Jodler. Das Zäuerlen im Chlauseschuppel weckte ein Interesse, das zumindest bei Köbi und Markus noch heute wach ist. Auf die entsprechende Frage antwortet Köbi: «Ja, es ist schon auch eine Konditionsfrage, mit dem ganzen Tenü, der Larve und dem kunstvollen Hut durch den Schnee zu stampfen. Auch wenn ich grundsätzlich nicht gerade ein Sportler bin, so verleiht mir das Anziehen der Larve aber sofort Flügel!» Und Markus fügt hinzu, dass er nach einer längeren Pause heute auch wieder begeistert im Schuppel zusammen mit Köbi und fünf weiteren Kollegen mitmacht. «Wir haben es einfach immer ‹huere luschtig›, die Kameradschaft stimmt und das Zauren geht mir sehr tief!» Dass zwei Chlausezäuerli auf ihrer CD nicht fehlen dürfen, war deshalb von Anfang an klar. Vor gut 20 Jahren zogen die Brunners dann drei Gemeinden weiter in westlicher Richtung nach Ganterschwil, wo sie den Hof Anzenwil bewirtschafteten. Mittlerweile hat Ueli den Bauernbetrieb übernommen, auf dem er zusammen mit seiner Frau Heidi und dem halbjährigen, ersten Kind lebt und arbeitet. Markus konnte durch einen Zufall in Ebersol, einem Dorfteil der Gemeinde Mogelsberg, ein neues Haus kaufen. Seit dem Spätsommer dieses Jahres ist er mit Silvia verheiratet, die nun von ihrer Heimat im Kanton Nidwalden ins Toggenburg umgezogen ist. Markus, der einmal den Beruf des Landmaschinenmechanikers erlernte, verdient seine Brötchen als Mechaniker in einer Baufirma. In unmittelbarer Nähe seines Elternhauses in Schwellbrunn bewohnt Köbi mit seiner Frau Regula und den zwei Buben ein Einfamilienhaus. Auch er ist nicht mehr im gelernten Beruf als Landwirt, sondern als Lastwagenchauffeur tätig. Neben dem schon beschriebenen Chlausen von Köbi und Markus pflegen die Brüder Brunner auch das einheimische Jodeln. Als Vorjodler wirken sie tatkräftig im Jodlerchörli Degersheim mit, dem sie mit ihren charakteristischen Stimmen einen eigenen Ausdruck verleihen.
Ländlermusikanten
Markus besuchte ab der zweiten Klasse den Handorgelunterricht. Das Spiel nach Noten aber sprach ihn nie so ganz an und nach einigen Jahren gab er dieses Vorhaben auf. Erlöst von diesem Druck begann er nach Gehör das zu spielen, was ihn wirklich interessierte, nämlich zügige Ländlermusik. Diese Musik stand damals in seinem Umfeld auf hohem Kurs. Es gab eine Vielzahl von jungen Kapellen, die sich der rhythmisch starken Handorgelmusik widmeten und damit erreichten sie nicht nur ihre Altersgenossen. In diesen «Flow» wurde auch Köbi gezogen. Im Restaurant seiner Eltern hatte er schon sehr viele gute Kapellen live gehört und gesehen. Er habe zwar schon früh in seinem Leben «e chli a de Handorgele umetruckt». So richtig zu üben begann er aber erst als Jugendlicher. Dann aber ging es steil aufwärts. Schnell hatten Markus und Köbi auf der Handorgel sowie auf dem Schwyzerörgeli einen stattliche Anzahl Kompositionen ihrer Vorbilder im Griff, welche vornehmlich aus der Innerschweiz stammten. Als Mitspieler im Ländlertrio Erzenberg trat Köbi an die Öffentlichkeit, mit welchem er zu weiteren Kontakten kam und auch in Ländlermusikantenkreisen bekannt wurde. Wenig, aber doch ab und zu spielten die beiden Cousins Markus und Köbi auch zusammen. Bei Ueli schlummerte das Interesse an der Musik ebenfalls längere Zeit. Erst als die Familie Brunner von einem Bekannten eine Bassgeige zum Ausprobieren bekam, juckte es ihn! «Markus war zwar immer der Talentiertere von uns beiden und hatte das Bassgeigenspiel vor mir im Griff», lacht Ueli. Er habe ihn dann jeweils korrigiert, wenn etwas falsch lief. Er eiferte seinen Vorbildern, etwa der Kapellen Echo vom Druossberg oder Echo vom Rossberg, nach. Ihn sprach vor allem die Spielart der Bassgeiger an und so wurde er bald ein verlässlicher Begleiter seines Vaters und seines Bruders.
Eigene Kapelle
An einer Metzgete spielte das Ländlertrio Erzenberg. Im Publikum sass auch Markus, der dann von der Kapelle dazu aufgefordert wurde, ebenfalls einige Tänze zu spielen. Köbi und Markus merkten bald, dass sie jetzt musikalisch zueinander passen würden. An Stubeten traten sie sporadisch miteinander auf. Von einem Kollegen, der im Organisationskomitee der internationalen Handmähermeisterschaft 2005 in Herisau mitwirkte, wurden sie angefragt, zusammen aufzutreten. Das war die Initialzündung zur Gründung des Ländlertrios Köbi und Markus. Immer mehr Anfragen für weitere Auftritte trafen ein, die Kreise erweiterten sich auch geografisch in Richtung Innerschweiz, wo ihre Musik auf viel Interesse stiess. Weil sie für ihr Musizieren immer auch Ueli als Bassgeiger benötigten, fanden es die beiden Handörgeler unfair, weiterhin nur unter ihren eigenen Namen aufzutreten. Das führte dann zum Namen Gantegruess – eine Wortschöpfung im Zusammenhang mit Ganterschwil, dem Wohnort von Markus und Ueli.
Da aber Ueli wegen seinen Verpflichtungen auf dem eigenen Bauernhof nicht immer mitmachen konnte, mussten ab und zu – vorab in den Sommermonaten – Ersatzgeiger an seine Stelle treten. Deshalb sah man zunächst oftmals auch Regula, die heutige Ehefrau von Köbi, an der Bassgeige. Markus hatte indessen auch Kontakte zu Altersgenossen im Kanton Nidwalden, wo er nicht nur seine heutige Ehefrau Silvia – auch sie ist eine Akkordeonistin, die dort schon in Ländlermusikkreisen auftrat – kennenlernte, sondern auch den Örgeler und Bassgeiger Thomas Murer aus Beckenried. Er wurde dann immer mehr zum Ersatzgeiger, vor allem dann, wenn Auftritte in der Innerschweiz anstanden. So kam es im Laufe der Jahre zu regelmässigen gemeinsamen Auftritten in einschlägigen Ländlermusiklokalitäten wie etwa an der Isenthaler Chilbi, am Güdelmäntig in Rothenthurm, im Rössli Seedorf und an vielen Festivitäten. Folgerichtig hat Thomas Murer deshalb bei den CD-Aufnahmen bei einigen Titeln ebenfalls mitgewirkt. Aber auch in der nächsten Umgebung im Toggenburg und Appenzellerland hört man das Ländlertrio Gantegruess regelmässig, oftmals aufgrund ihres Mitwirkens im Jodlersektor, an Unterhaltungsabenden der Jodlerklubs. Es verwundert auch nicht, dass es so zu ersten Tonaufnahmen kam. Im Jahr 2010 spielten sie drei Titel für die CD des Jodlerklubs Männertreu Nesslau ein, zwei Jahre später sechs Titel für den Tonträger des Jodlerchörlis Schönengrund und etwas später nochmals sechs Titel für das Jodlerchörli Lütisburg. Die Arbeit im Tonstudio sei zwar immer interessant, sagen die drei Musikanten übereinstimmend, stehen aber nicht im Vordergrund ihrer Interessen. «Uns ist es wichtig, dass unser Publikum ebenso viel Freude und Spass empfindet, wie wir selber!»
Musiggruess vom Sitz
Kurz vor Weihnachten dieses Jahres ist es aber dennoch soweit: Die vielen Fans des Ländlertrios Gantegruess erhalten endlich die Gelegenheit, ihre Lieblingskapelle zuhause und im Auto zu hören! Aufgenommen wurden 18 Ländlermusiktänze, wovon deren fünf von Markus Brunner, vier von Köbi Alder und ein Tanz von Thomas Murer stammen. Das Programm ergänzen zwei Chlausenzäuerli, die ebenfalls von den vier Musikanten spontan im Studio gesungen wurden sowie ein von der Kapelle begleitetes stimmungsvolles Lied. Die Scheibe heisst «Musiggruess vom Sitz» und zeigt auf dem Coverfoto die Aussicht vom Restaurant Sitz in Richtung des Alpsteins und somit die Heimat der drei Gantegrüessler. Ein weiterer Meilenstein ist gesetzt und man darf erfreut davon ausgehen, dass die Ländlermusikwelt auch in Zukunft noch vieles von der urchigen, runden Musik von Köbi, Markus und Ueli hören wird.