Tanzmusikanten, Tanzlust, Tanzverbote

Innerrhoder Tanzmusik

Der 100. Geburtstag des Appenzell Innerrhoder Tanzmusikantenverbands war einer der äusseren Anlässe für den Autor Joe Manser, das Buch über die Volksmusik der Innerrhödler zu schreiben. Dahinter stehen aber auch frühere Werke von ihm und seinem Vater, die durch das neue Buch gewissermassen eine Vervollständigung erfahren.

Es ist beeindruckend, welche Vielfalt und Grösse die Volksmusikwelt des kleinen Kantons aufweisen kann. Ganze 300 Seiten dick wurde denn auch das nun vorliegende Buch, welches tiefe Einblicke in die Tanzsitten, Musikformationen und das ganze Drumherum der vergangenen Jahrhunderte gibt. Immerhin sind die ersten Verordnungen mit der Jahrzahl 1562 datiert. Dem Tanzen haftete früher und noch bis ins 20. Jahrhundert hinein der Makel des Sündhaften an.  Besonders im eng umschlungenen Paartanz sah man grosse Gefahr.

«Es kann aber festgestellt werden, dass in den Jahren vor und nach 1800 Tanzmusik im Appenzellerland ein erstes Mal aufblühte», berichtet Manser.  In der Folge zeigt er auf, dass sowohl Staat als auch Kirche immer bemüht waren, die Lust am Tanzen in engen Grenzen zu halten. Orte des Geschehens waren – neben Anlässen der Einheimischen wie Fasnacht und andere Festivitäten – die Kuranstalten. «Trotz relativ repressiver Haltung gegenüber dem Tanzen und «Uufmache» wurden in dieser Zeit erstaunlicherweise die Grundsteine für jene Musik gelegt, welche als Appenzellermusik bezeichnet wird und ab 1892 zur Original Appenzeller Streichmusik führte.» Bilder und Fotos aus alten Zeiten dienen nicht nur der Information, sondern animieren die Betrachter dieses schönen Buches immer wieder zum weiteren Stöbern. Geschickt eingebettet in die allgemeine Geschichte ist jene des Tanzmusikverbandes, der in erster Linie die finanziellen Bedürfnisse der Musikanten regeln wollte, aber auch auf das gewünschte Verhalten der Mitglieder Einfluss nahm. Ebenso dokumentiert werden allgemeine Sitten und Bräuche. So beispielsweise der «Restag», jener Tag, an «welchem übungsgemäss die Jünglinge und Mädchen gepaart zum Weine gehen, um bis tief in die Nacht hinein in Scherz und Gesang zu ergehen». Porträts bedeutender Spielmannen, Tanzmusik-repertoire, Spielpraxis und Stückarten, Instrumentarium, Frauen
auf dem Spielmannenpodest, Ton- und Bildaufzeichnungen, Nachwuchs und die Auflistung der aktuellen Innerrhoder Formationen mit Bild sind nur einige der Kapitel, die in einer gut lesbaren Sprache interessant beschrieben werden. Und so schreibt Manser am Schluss: «Das Komponieren neuer Appenzellerstücke wird wieder vermehrt gepflegt. Neue Stücke werden selten im Stile der Altmeister, sondern auf eine neue Art in Noten gesetzt, gespielt und veröffentlicht. Zudem werden auch oft und gerne Elemente aus anderen Musikrichtungen übernommen. Die Appenzellermusik ist ein Erfolgsmodell. Weit über die Grenzen hinaus hat sie einen hohen Bekanntheitsgrad. Sie setzt sich klar von den übrigen Stilrichtungen der Schweizer Volksmusik ab und ist deshalb einzigartig. Wer von der Blütezeit der Jahre 1892 bis 1913 spricht, muss zwingend auch die Jetztzeit nennen: Noch nie war Appenzellermusik so ausgeprägt, vielseitig und lebendig anzutreffen wie heute.»

Der Autor
Joe Manser-Sutter wurde 1945 in Appenzell geboren und schloss 1969 an der Universität Zürich das Studium als Sekundarlehrer ab. Bis 2005 unterrichtete er an der Sekundarschule Appenzell vor allem Sprache, Geschichte, Informatik und Musik. Manser spielt Klavier, Violine und Streichbass, war von 1963 bis 1989 Tanzmusikant und ist seit 2005 Mitglied im Tanzmusikantenverband. Von 2003 bis 2012 war er Geschäftsführer des Zentrums für Appenzellische Volksmusik (Roothuus Gonten). Joe Manser ist Autor mehrerer Publikationen zur appenzellischen Volksmusik und zum Innerrhoder Dialekt.

Aktuelles Buch

InnerhoderTanzmusik

Innerrhoden Schriften – 17
300 Seiten