Die Limmatstadt Zürich

Faszinierend und vielseitig

Dass in einer Zeitschrift, die sich mit Land&Musig befasst, auch über eine Stadt geschrieben wird, ist gar nicht so weit hergeholt. Alle Städte – und die grösste Stadt der Schweiz ganz besonders – wirken als Multiplikatoren unserer Kultur. Da, wo viele Menschen sind, wo viel Geld in Umlauf gebracht wird, entsteht und entstand schon früher vieles, was als typisch für die Schweiz gilt.

Den Landmenschen macht eine Grossstadt Angst. In diesem Getümmel könnte man sich verlaufen und nie mehr herausfinden! Und wenn schon Stadt, dann lieber solche in der Grössenordnung von Bern, Luzern, Zug, Aarau, Solothurn, Schaffhausen und allenfalls noch Chur. Ortskundige hingegen wissen, dass Zürich mehr als eine Reise wert ist, dass sich dort eine gemütliche und geschichtsträchtige Altstadt befindet und dort der Geburtsort unserer schweizerischen Volkskultur ist, die wir als Tradition empfinden.

Zürich kann man unter sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten erkunden. Wer nicht auf eigene Faust durch die Gassen ziehen will, – eine Option, die durchaus reizvoll ist – kann sich durch offizielle und private Führerinnen und Führer das zeigen lassen, was die Stadt hergibt. Da gibt es beispielsweise Segway-, E-Bike-, Nachtwächter-, Landsknecht-, Altstadt-, Museums- und kulinarische Touren. Man kann sich beim Spaziergang durch die Stadt Zürcher Anekdoten erzählen lassen, das «Kreativ City Game» machen oder auf dem Uetliberg sogar die Traditionen und urchigen Bräuche unserer Älpler in konzentrierter Weise und ohne Reisestress erleben! Fast unzählig sind die geschriebenen Reiseführer, die es erlauben, sich zuhause bereits eingehend mit den geheimen Winkeln der Stadt auseinanderzusetzen. Einen für folkloreliebende Menschen sehenswerten und überraschenden Stadtführer hat die in Zürich lebende Illustratorin und Volksmusikantin Madlaina Janett (Ils Fränzlis da Tschlin) vor zwei Jahren zusammen mit der Historikerin Dorothe Zimmermann unter dem Titel «Ländlerstadt Züri» veröffentlicht. Ist dieses Buch auch ohne tatsächlichen Besuch der Stadt bereits lesenswert und aufschlussreich, so führt es zum vollkommenen Stadt- und Kulturerlebnis beim Nachvollzug der verschiedenen darin vorgeschlagenen Routen.



Identitätsbildend
Die Eigenheiten der Schweizer Kultur sind immer noch stark vom Geist der Landesverteidigung in den Zwischenkriegsjahren – also vor bald 100 Jahren – geprägt. «De Jutz isch us de Bärge cho», hat nicht nur der Jodellieder-Komponist Hans Aregger erklärt. Alles, was die Schweiz ausmacht, hat mit den Bergen zu tun – ein Volk von Berglern! Und so werden auch die Volksmusik inklusive Jodeln und Alphornblasen, die Trachten, das Schwingen sowie Fondue und Röschti als schweizerische Eigenheit gesehen – als jenes Kulturerbe, das von den Bergbauern stammt. Mag der Ursprung auch in den alpinen Tälern liegen, so hätte sich vieles doch nicht so entwickeln können, wäre da nicht der Kulturmultiplikator Stadt – und in diesem Falle in erster Linie die Stadt Zürich – gewesen. Die ländliche Bevölkerung zu Beginn des letzten Jahrhunderts musste sich vielerorts gegen die Armut wehren und hatte in erster Linie alles andere zu tun, als sich Vergnügungsanlässen zu widmen. Musikanten hatten dort deshalb zu wenig Auftrittsmöglichkeiten. In der Stadt hingegen gab es genügend Leute, die Zeit und Geld hatten, sich das volkstümliche Vergnügen zu gönnen. In Zürich waren damals vor allem im Niederdorf Dutzende von Kapellen unterwegs. Und noch heute übt dieser Stadtteil eine Faszination für jene aus, die sich dem Mainstream an der Bahnhofstrasse entsagen möchten. Das Niederdorf liegt im Herzen von Zürich und wird im Volksmund Dörfli genannt. Es ist jener Teil der Altstadt, der rechts vom Limmatufer, keine zwei Minuten vom Hauptbahnhof entfernt liegt und sich vom Central bis zur Stüssihofstatt erstreckt.

Im Sommer prägen die Gartencafés das Bild und auf den Strassen tummeln sich Musikanten und Gaukler. Unterwegs in der Fussgängerzone lädt dieses schmucke Stück Zürich zum Spazieren, Einkaufen, Essen und Trinken ein. Durch die Fülle von kleinen Bars, Restaurants und Läden zeigt sich die Limmatstadt hier von ihrer schönsten Seite. Abseits der belebten Strassen, in den zahlreich verwinkelten Seitengassen, sind so noch viele Höhepunkte zu entdecken. Bekannt ist das Niederdorf landesweit als Amüsierviertel, wo es neben unzähligen Bars und Restaurants auch Kinos und Clubs gibt. Findige und fähige Musikanten wie Sepp Stocker (1898-1949), Jost Ribary (1910-1971) oder Kasi Geisser (1899 -1943) machten aus dem Zürcher Niederdorf auch das Ländlermekka der Schweiz und definierten jenen Sound, der in der Folge als Ländlermusik und eben auch Schweizer Volksmusik bezeichnet wurde. Für Zürich ein Glücksfall war auch die Landesaustellung 1939, während welcher manches Klischee in Sachen Volkskultur in Stein gemeisselt wurde. Neben der Ländlermusik wurden an der «Landi 39» auch Trachten, Châlets und das ideale Leben im Schweizerdorf von der ganzen Bevölkerung als nationales Kulturgut wahrgenommen.

Ländlermusik und Jodelgesang
Richtig grosse Ländlerbastionen in Zürich waren zu jener Zeit die Blaue Fahne, die Bierhalle Gans, das Restaurant Konkordia und das Hotel Rose. All diese Lokale sind mittlerweile anderen Geschäften gewichen. Als einzige der ehemaligen Ländlerhochburgen im Niederdorf existiert noch die Bierhalle Wolf, in der volkstümliche Musik im Schlagerstil zu hören ist. Auch Ländlermusik erklingt in Zürich noch regelmässig; im Restaurant Rietberg in Zürich-Enge, in der Älplibar im Niederdorf, in der Laola-Bar im Lochergut und im Restaurant Farbhof in Zürich-Altstetten. Alle zwei Jahre findet in der Tonhalle das Festival der Neuen Volksmusik – die «Stubete am See» – statt, und am jährlich stattfindenden Zürcher Ländlersunntig treten verschiedene Kapellen in vielen Lokalen auf.

Es liegt auf der Hand, dass aus der Emi­grationswelle der Landbevölkerung in die Städte auch Jodlerfreunde neu zu­sammenfanden. Gleichgesinnte trafen sich in Vereinen, in denen natürlich auch gesungen wurde und aus welchen sich die Jodlerklubs bildeten. Es verwundert deshalb nicht, dass gerade in den gros­sen Städten, wo viele Leute mit ländlicher Abstammung lebten, auch eine Vielzahl grosser Jodlerklubs entstanden. So besteht auch der derzeit älteste Jodlerklub der Schweiz – das «Jodler-Sextett TV Alte Sektion Zürich» – in der Limmatstadt.

Einige Fakten zu Zürich

Gut 405’000 Leute wohnen in Zürich und machen sie mit einer Gesamtfläche von 92 Quadratkilometern zur grössten Stadt der Schweiz. Der auf 408 Meter über dem Meeresspiegel liegende Ort erreicht mit 871 Metern auf dem Uetliberg seinen höchsten Punkt. Zürich wird in 12 Stadtkreise und 34 Stadtquartiere unterteilt. Stolz sein darf die Stadt auf seine Lebensqualität, die von 2001 bis 2008 seitens Mercer Human Resource Consulting als die weltbeste im Bezug auf Sicherheit, Sauberkeit, kulturelles Angebot, Gastronomie und Naherholungsgebiete ausgezeichnet wurde und nach wie vor in den vordersten Plätzen rangiert. Mit 1224 Brunnen, aus denen fast ausnahmslos gutes Trinkwasser fliesst, ist Zürich weltweit die Stadt mit der höchsten Anzahl öffentlicher Brunnen. Einen Europarekord von 8,7 Metern verzeichnet die Kirche St. Peter in der Zürcher Altstadt mit den grössten Turmzifferblättern.

Die Kultur-Kreativ-Wirtschaft ist im Kanton Zürich der zweitwichtigste Wirtschaftszweig nach der Finanzbranche. Jeder achte Schweizer Kunst- oder Kulturbetrieb befindet sich in Zürich. Vom «Schlafen im Stroh» bis zum Luxus-hotel findet man alle Stufen von Unterkünften in etwa 400 Hotels.

Ländlerstadt Züri

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Kann in diesem Artikel nur ansatzweise auf die Bedeutung von Zürich im Bezug auf die Geschichte unserer Landeskultur hingewiesen werden, so haben dies die beiden Autorinnen Madlaina Janett und Dorothe Zimmermann in ihrem Buch «Ländlerstadt Züri» ausführlich und gut verständlich gemacht. In neun Kapiteln gehen sie auf wesentliche Punkte ein:

  1. Scheuchzer und Gessner werben für die Berge
  2. Chalets und Riegelhäuser in Zürich
  3. Gottfried Keller und die Schützen
  4. Frühe Vereinsgründungen (Schwingen und Jodeln) in Zürich
  5. Johanna Spiri und ihr Heidi aus dem Zürcher Kratzquartier
  6. Die aus der Stadt
  7. Urchige Nationalspeisen
  8. Die goldenen Zürcher Ländlermusikjahre
  9. Das Landidörfli

Viele Bilder aus dem früheren und heutigen Zürich illustrieren die kurzen, übersichtlichen Texte und fördern die Lust, selber die Stadt zu erkunden. Auf den Innenseiten der Buchdeckel findet sich der Stadtplan, auf welchem die damaligen Örtlichkeiten eingezeichnet sind und die als «Wanderkarte» für die Erkundung dieses bedeutenden Kapitels der Schweizer Volkskultur dient.

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24.01.2016