Runde Ländlermusik schön wie damals
Eine der ursprünglichsten Ländlermusikarten ist jene, die Altmeister Kasi Geisser oder Hermann Lott gespielt haben und gerade in der Innerschweiz gab es eine Vielzahl von sogenannten Bläserkapellen. Heute hat vielerorts das Schwyzerörgeli das Zepter übernommen. Umso auffälliger ist es, wenn eine Bläserkapelle im runden Stil aufspielt, wie zum Beispiel Pius Ruhstaller mit seinem Echo vom Gätterli.
24.05.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Volksmusik ist und war schon immer im Fluss. Während sich klassische Musik sowohl in der Instrumentierung, als auch in der Komposition kaum veränderte, wandelte sich die Volksmusik laufend. Dieser Wandel war in den frühen Jahren – Ende des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts – stark von den zur Verfügung stehenden Musikinstrumenten abhängig. Da man die Klarinette in der Dorfmusik gratis oder günstig erlernen konnte, gab es auch in der Ländlermusik eine entsprechend hohe Anzahl Klarinettler. Weil diese natürlich die führende Melodie spielten und oftmals Noten lesen konnten, nannte man sie Kapellmeister. Begleitmusikanten an Handorgeln und Schwyzerorgeln sowie Bassgeigen und Klavier wurden situativ hinzugezogen. Die Szene war zu jener Zeit noch nicht so übersichtlich organisiert und die Möglichkeiten zu Auftritten viel spärlicher. Sprach man damals von Volksmusik, so meinte man eine Besetzung mit einem Klarinettler. Die Örgeler – in erster Linie die Akkordeonisten – waren zuerst auch eher Solisten. Wenn man sich zum Spiel im Duett traf, war man auf den Einfallsreichtum und das Können des Begleiters angewiesen. Die wachsende Mobilität und das Aufkommen der Schallplatte brachten einen weiteren Schub in Richtung eingeübtes zweistimmiges Spiel. Vielerorts wurden die Bläserkapellen verdrängt und vorab in urchigen Gebieten setzten sich Duett-Formationen mit Handorgeln oder Schwyzerörgeli durch. So wie bereits viele Jahrzehnte vorher die Schalmei von der Klarinette verdrängt wurde, passierte das jetzt der Klarinette durch das Schwyzerörgeli. Diese Aussage trifft natürlich nur in der sogenannten runden Ländlermusik der Innerschweiz oder des Berner Oberlandes zu. Die «klassischen» Ländlerformationen, wie jene von Jost Ribary, Carlo Brunner, Bühler-Fischer, René Jakober und vielen anderen mehr, haben sich seit vielen Jahrzehnten etabliert und in der Besetzung nicht mehr verändert.
Geisser, Lott und Alpengruss
Kasi Geisser, Hermann Lott oder Lorenz Giovanelli mit seiner Kapelle Alpengruss Frutigen – er war zwar selber kein Bläser, trat aber oftmals mit solchen auf – waren Dominatoren im urchig runden Ländlergeschäft der Berggebiete. Auch Generationen nach ihnen gibt es junge Klarinettler, die von dieser Musik begeistert sind und ihr nacheifern. Und es gibt auch solche, die den Stellenwert der Vorbilder erreicht oder gar übertroffen haben. So beispielsweise der Illgauer Bläser Seebi Heinzer und – nochmals eine Generation jünger – der Gersauer Pius Ruhstaller. Zusammen mit seinen Musikfreunden an den Handorgeln spielt er den damaligen Musikstil den Originalen entsprechend. Dazu gehört auch – sei es nun Zufall oder Absicht – die Tatsache, dass er mit seiner Kapelle nur sehr wenig probt. «Wir sind auf das Können und Wissen jedes einzelnen Musikanten angewiesen. Mit diesen oftmals zufälligen Arrangements entsteht eben eine Ländlermusik, wie sie schon damals erklang», erklärt Pius.
Beruflich und privat hatte es den jungen Pius Ruhsteller aus Einsiedeln, wo er aufwuchs und bis ins Alter von 25 Jahren lebte, immer mehr in die Innerschweiz getrieben. Über verschiedene berufliche Stationen landete er schliesslich im Kantonshauptort Schwyz und privat in Gersau. Diese Gegend ist für einen Liebhaber der urchigen Ländlermusik ein Eldorado. Mit den früheren Musikkollegen aus der Einsiedler-Zeit spielte er aufgrund der Entfernung immer weniger. Als rühriger Musikant mit einem ansprechenden Repertoire hatte Pius aber nach wie vor Engagements. «Hundswis», wie der Innerschweizer sagt, spielte er mal mit diesem, mal mit jenem Handörgeler. Da diese aber alle in anderen Kapellen spielten, wollten sie sich nicht in einer neuen Formation fest verpflichten. Weil ihnen das Bläserrepertoire aber auch gut gefiel, waren sie gerne dazu bereit, ab und zu mit Pius aufzuspielen. Langsam verdichtete sich der Kreis und so entstand eine kleine Gruppe von Stammspielern.
Ländlerkompanie
Nebst Pius als Bläser wechseln sich bei den Handörgelern seit rund zehn Jahren Friedel Herger, Stefan Inderbitzin, Stefan Heinzer und Urs Müller in verschiedenen Zusammensetzungen ab. Am Bass steht meistens Osi Zurfluh. Sollte einmal Not am Handörgeler sein, so sieht man auch Lui Bürgler in der Kapelle und bei Auftritten im Berner Oberland steht oftmals der dort einheimische Toni Wittwer am Bass. Man darf also bei dieser Grösse ohne Übertreibung von einer richtigen Ländlerkompanie reden! Für Pius hat die Sache aber noch einen anderen Aspekt: «Da wir das Programm auf die jeweiligen Mitspieler abstimmen, können wir ein breites Repertoire anbieten, das für uns Musikanten und den geneigten Zuhörer mehr Abwechslung bringt.» Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Pius ja auch Handorgel und Schwyzerörgeli spielt, womit das Echo vom Gätterli zwischendurch als Handorgel- oder Örgeliformation erklingt. Gespielt werden neben bekannten Melodien vorwiegend Kompositionen, die heute nur noch selten zu hören oder sogar ganz in Vergessenheit geraten sind. Zu den bevorzugten Komponisten gehören Kasi Geisser, Hermann Lott, Leo Kälin, Lorenz Giovanelli und Kaspar Muther. Und das, obwohl Pius mittlerweile auch über eine beachtliche eigene Notenmappe mit etwa 120 Eigenkompositionen verfügt, von denen einige auch auf Tonträgern zu hören sind. «Da diese Melodien noch nicht so bekannt sind, müssten wir sie aber miteinander üben, wenn wir alle spielen wollten», lacht er. Im Stil jedoch bleibt er auch bei seinen eigenen Stücken seinem Ideal treu.
Es wäre aber falsch, wenn man jetzt vermuten würde, dass die Kapelle nicht an ihrem Repertoire arbeiten würde. Mit aller Liebe zum Althergebrachten leben sie natürlich heute auch modern und nutzen zur individuellen Vorbereitung die aktuellen Kommunikationsmittel. Und wenn es dann um einen besonderen Auftritt wie etwa am Fernsehen oder an einem speziellen Event geht, treffen sie sich natürlich auch zur gemeinsamen Probe. Man muss aber auch erwähnen, dass die Kapelle jedes Jahr zwischen 25 und 35 Engagements bestreitet, wodurch sie sich viel Routine aneignen konnte. Ihre hauptsächlichen Auftrittsorte liegen dabei in der Zentralschweiz und im Berner Oberland. Aber auch das Welschland, die Ostschweiz und das Bündnerland werden regelmässig angesteuert. Zu den Engagements gehören allerlei volkstümliche Festivitäten, vom privaten Anlass über Musikantentreffen, Konzerten in Ländlerlokalen oder an Jodlerabenden bis hin zur Älplerchilbi.
Gätterli als Synonym für echt schweizerisches Brauchtum
Die Suche nach einem passenden Namen ist oftmals gar nicht so einfach. Um einerseits auch hier die im Genre üblichen Gepflogenheiten zu übernehmen und andererseits die Flexibilität im Personal halten zu können, stand ein Kapellennamen mit den Namen der Musikanten nie zur Diskussion. Oberhalb des Wohnortes der jungen Familie Ruhstaller befindet sich der Gätterlipass, wo im Übrigen auch Pius Ehefrau Luzia aufgewachsen ist. Von Gersau her führt eine Strasse auf den 1’190 Meter über Meer liegenden Pass. Von der Lauerzer Seite her kann man die letzten 15 Minuten nur zu Fuss begehen. Das Gebiet ist eingebunden in ein wunderbares Bergwandergebiet zwischen Rigi und Urmiberg. PR-Profis würden den Namen «Echo vom Gätterli» wohl als Wurf bezeichnen, stellt er doch nicht nur einen Bezug zur Herkunft der Kapelle dar, sondern ist wie «Chuchichäschtli» oder «S bluemete Trögli» ein Synonym für echt schweizerisches Brauchtum.
Pius und Luzia Ruhstaller leben mit ihren drei Kindern am oberen Dorfrand von Gersau in einem modernen Eigenheim. Die Familie hat natürlich den höchsten Stellenwert im gegenwärtigen Leben des Musikanten: Ein Grund, die Auftritte mit der Kapelle etwas zu beschränken. «Noch sind die Kinder zu klein, um mit Musizieren ernsthaft zu beginnen», sagt Vater Pius, «und wir werden sie auch nicht dazu drängen». Die Eltern sind davon überzeugt, dass man zwar Möglichkeiten zur musischen Betätigung bieten soll, Druck zu erzeugen aber kontraproduktiv wäre. Auch Luzia war als Tanzleiterin der Trachtengruppe Gersau viele Jahre aktiv und ist so dem klingenden Brauchtum sehr nahe. In dieser Funktion haben sich die beiden denn auch kennengelernt. Beruflich konnte Pius sein Hobby mit dem Beruf verbinden, ist er doch seit gut drei Jahren Mitarbeiter in der Kulturförderung des Kantons Schwyz.
Auf vielen Tonträgern zu hören
2011 erschien die erste CD des Echo vom Gätterli unter dem Titel «Bodäständigi Choscht». 2014 folgte eine Hommage an Kasi Geisser und 2015 die Mitwirkung bei der CD zum 100. Geburtstag von Lorenz Giovanelli. Momentan entsteht zusammen mit anderen Gersauer Kapellen eine wiederum gemischte Produktion aus Anlass des 40. Geburtstages der Musikformation «Die lustigen Republikaner». Betrachtet man die Anzahl Tonträger mit dem Echo vom Gätterli und den Formationen seiner Mitspieler, kann man getrost festhalten, dass die Ländlerkompanie vom Gätterli schon beachtlich viel Gutes in der Ländlermusikwelt geleistet hat und in Zukunft hoffentlich noch leisten wird!
Aktuelle CD
Die Gätterli-Musikanten
Pius Ruhstaller (Klarinette, Saxophon, Schwyzerörgeli, Handorgel) wurde im Jahr 1976 in Einsiedeln SZ geboren und ist dort aufgewachsen. Seine ersten Sporen als Ländlermusikant verdiente er ab 1987 im Familientrio Ruhstaller ab, das 1999 zur Kapelle Ruhstaller-Marty erweitert wurde. Gleichzeitig spielte er bei den Obersihltaler Ländlerfründe, mit welchen er bald erste Studioerfahrungen sammeln durfte. Der kaufmännische Angestellte wohnt heute zusammen mit seiner Familie in Gersau. Pius ist der musikalische Kopf des Echo vom Gätterli und erledigt auch alle administrativen Arbeiten. Daneben verbringt er seine Freizeit gerne auch mit Wandern und Velofahren.
Friedel Herger (Handorgel, Schwyzerörgeli) kam 1968 im urnerischen Bürglen zur Welt. Der gelernte Maschinenmechaniker wohnt heute mit seiner Familie in Muotathal SZ. Neben dem Echo vom Gätterli ist er musikalisch hauptsächlich zusammen mit Dolfi Rogenmoser, Geri Kühne und Osi Zurfluh mit dem Handorgelduo Rogenmoser-Herger unterwegs. Ebenso wird er oft als Aushilfe angefragt. Seine Hobbys neben der Musik sind das Töfffahren und der Computer.
Stefan Inderbitzin (Handorgel, Schwyzerörgeli) ist in Rothenthurm SZ aufgewachsen, wo er 1974 auch geboren wurde. Der ausgebildete Schreiner und Innenausbauzeichner arbeitet heute als Projektleiter einer grossen Ladenbau-Firma und wohnt in Luzern. Neben den Aktivitäten mit dem Echo vom Gätterli ist er als Aushilfe bei verschiedenen Formationen gefragt. Auserhalb des Musizierens gehören Sport und Lesen zu seinen Freizeitbeschäftigungen.
Stefan Heinzer (Handorgel) aus Illgau SZ
wurde 1977 geboren. Als Informatik-Ingenieur ETH mit Doktor-Titel ist er heute in der Software-Entwicklung tätig. Er wohnt mit seiner Familie in Bern und bezeichnet neben der Musik Reisen in alle Welt, Lesen und Wandern als seine grössten Hobbys.
Urs Müller (Handorgel) stammt aus dem solothurnischen Nuglar, wo er 1980 das Licht der Welt erblickte. Heute wohnt er in Emmen. Als Informatiker mit ETH-Diplom arbeitet er bei einem Entwicklungs-Dienstleister. Urs ist musikalisch unter anderem beim HD Betschart-Müller und der Kapelle René von Rotz aktiv. In früheren Jahren betätigte er sich auch als versierter Jodelbegleiter. Wandern, Computer und Lesen sind weitere Freizeitbeschäftigungen.
Osi Zurfluh (Kontrabass) wurde 1959 in Isenthal UR geboren und ist in Steinen SZ aufgewachsen. Der gelernte Landwirt arbeitet heute als Chauffeur und ist mit seiner Familie im schwyzerischen Ibach zuhause. Neben dem Echo vom Gätterli ist er als gefragter Bassgeiger häufig auch mit anderen Formationen unterwegs. Daneben trifft man ihn oft auch bei Bergtouren oder beim Skifahren.