Evelyn und Kristina Brunner
Die Freude an der Musik beherrscht das Leben von Evelyn und Kristina Brunner seit Kindsbeinen und mit ihren jungen 25 und 22 Jahren konnten sie ihr Können schon auf vielen Bühnen unter Beweis stellen. Dabei hat die Karriere der beiden bescheidenen Musikerinnen aus Thun gerade erst begonnen …
24.01.2016 | VON STEFAN SCHWARZ
Nebel ziehen um die Häuser und im Industriegebiet Bierigut in Allmendingen bei Thun ist es beissend kalt. Auf den ersten Blick lässt nichts auf ein volksmusikalisches Umfeld deuten, denn aus dem Metallbaubetrieb Brunner AG hört man lediglich das Brummen und Zischen von Metallbearbeitungsmaschinen. Doch beim Betreten des Treppenhauses sind aus dem Untergeschoss kommend plötzlich auch Schwyzerörgeli- und Saitenklänge auszumachen. In einem grossen Übungsraum im Keller sind nämlich regelmässig die musikalischen Schwestern Evelyn und Kristina Brunner am Werk, die ganz oben in der Dachwohnung des elterlichen Geschäftsgebäudes aufgewachsen sind. Die winterliche Kälte ist im Nu vergessen, wenn die beiden jungen Frauen mit strahlenden Augen von ihrer musikalischen Leidenschaft berichten.
Ungezwungen mit offenen Ohren und wachem Blick
Die Ländlermusik war in der Familie Brunner stets präsent. An Familienfesten wurde mit Freude musiziert und gesungen, zuhause im Radio ertönten volkstümliche Klänge und die Proben des Thuner Schwyzerörgeli-Quartett fanden oftmals beim Örgeler Hanspeter Brunner statt. Bei dessen Töchtern hinterliess dies nachhaltige Spuren und schon in frühester Kindheit gehörte das Schwyzerörgeli zum täglichen Leben. «Das Örgeli war für uns anfänglich zwar mehr ein Spielzeug», erzählen die Schwestern und fügen augenzwinkernd hinzu, dass dieses zwischendurch auch als Migros-Kasse oder Schreibmaschine herhalten musste. Natürlich entlockten Evelyn und Kristina dem Instrument ganz spielerisch auch ein paar Töne und freuten sich, wenn daraus plötzlich auch erste Melodiefragmente wurden. Vater Hanspeter liess die aufgeweckten Mädchen einfach machen, übte keinen Druck aus und bot nur ab und zu bei Bedarf eine kleine Hilfestellung. Viel mehr war auch nicht nötig! Evelyn und Kristina verfügten nicht nur über ein gutes Gehör, sondern auch über eine hervorragende Beobachtungsgabe: «Bei Musikproben zuhause oder beim Besuch von Musikanlässen beobachteten wir sehr aufmerksam, wie andere musizieren, wie sie das Örgeli in den Händen halten, wie die Fingerstellung ist oder wie das das Ziehen und Stossen funktioniert.» Ab dem Schulalter durften Evelyn und Kristina zu Louise Keller in den Musikunterricht, welche die Schwesern seit ihrer Geburt kennt. «Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie schon im Vorschulalter mit ihren Mini-Örgeli gemeinsam mit ihrem ‹Dädi› und mir musizierten. Später kamen sie während mehrerer Jahre zu mir in den Unterricht und ich war immer wieder erstaunt und erfreut, über ihr aussergewöhnliches Talent», erzählt Louise Keller rückblickend. Sie integrierte die talentierten Schwestern in ihre Kinder-Örgeligruppe und stand alsbald auch bei «Brunners Huusmusig» am Bass: «Wir haben gemeinsam viele schöne und gemütliche Stunden verbracht, die für mich unvergesslich sind. Schon damals entpuppten sich die jungen Musikantinnen als äusserst experimentierfreudig!»
Das Schwyzerörgeli war nicht nur in der Freizeit ein ständiger Begleiter von Evelyn und Kristina. Auch in der Schule hatten sie es oftmals dabei und setzten es bei besonderen Gelegenheiten ohne Berührungsängste ein. Gehänselt wurden sie deswegen nicht; zu überzeugt standen die beiden für ihre Sache ein und weckten damit höchstens das Interesse der Gleichaltrigen. «Ich habe daneben logischerweise immer auch jene Musik gehört, die in meinem Freundeskreis gerade aktuell war», kommentiert Kristina, und Evelyn ergänzt: «Wenn ein Kind Geige spielt, hört es in der Freizeit ja auch nicht nur Klassik!»
Neben Schwyzerörgeli auch Kontrabass und Cello
Als Evelyn in die 7. Klasse kam, gab es in Thun neu eine Kunst- und Sportklasse, in welcher talentierte Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe von diversen Fächern dispensiert wurden, um vermehrt ihre künstlerische oder sportliche Karriere vorantreiben zu können. Bedingung im Bereich Musik war ein zweites Instrument. Evelyn entschied sich für den Kontrabass und konnte im Rahmen einer klassischen Ausbildung auch in Sachen Musiktheorie viel neues Wissen erlangen. Als Kristina drei Jahre später die gleiche Möglichkeit bekam, wählte sie nach dem Besuchstag an der Musikschule spontan das Cello. Ihr späterer Lehrer liess sie dort auf leeren Seiten spontan zu Volksliedern mitspielen und weckte damit das Interesse der 12-jährigen Schülerin. Auch für Kristina war die klassische Ausbildung auf dem Saiteninstrument ein weiterer musikalischer Schritt, der gleichzeitig ihre Noten- und Theoriekenntnisse erweiterte.
Das Schwyzerörgeli behielt derweil aber immer seinen hohen Stellenwert. Zu einer prägenden Figur für die beiden Schwestern wurde alsbald der Schwyzerörgeler Daniel Marti, der ihnen als Teil des bekannten Ländlerquartetts Res Schmid – Gebrüder Marti (RSGM) bekannt war. «Dani war für uns schon immer ein grosses Vorbild und dank dem Unterricht bei ihm gingen für uns neue Türen auf und wir konnten unseren musikalischen Blickwinkel erweitern», sind sich Evelyn und Kristina einig. Und auch der Lehrer selber kommt im Rückblick ins Schwärmen: «Ich kann mich noch gut erinnern, als ich die Anfrage erhielt, ob die Schwestern zu mir in den Schwyzerörgeli-Unterricht kommen könnten. Wir machten einen Termin ab, die Beiden erschienen pünktlich und spielten mir den Schottisch ‹Chli z viel Obschtler› zweistimmig, virtuos, gekonnt und fehlerlos vor. Mir war sofort klar, dass Evelyn und Kristina etwas Besonderes sind und sich vom Gros meiner Örgelischüler abheben. Sie waren begierig, Neues zu lernen, übten regelmässig und machten rasch Fortschritte. Ich musste mich ab sofort richtig gut auf ihre Lektionen vorbereiten, selber üben und Neues erarbeiten.»
Musik wird zum Beruf
Nach einer ersten Erfahrung beim Auftritt an einem Jungmusikanten-Wettbewerb traten Evelyn und Kristina schon gegen Ende der obligatorischen Schulzeit vermehrt als Duo in den Kombinationen Schwyzerörgeli-Kontrabass, Schwyzerörgeli-Cello oder Cello-Kontrabass auf. Neben neuen musikalischen Erkenntnissen während der Zeit am Gymnasium Thun mit Schwerpunkt Musik, sorgten immer wieder auch besondere Begegnungen für zusätzliche Impulse im eigenen Schaffen. So erinnern sich Evelyn und Kristina beispielsweise gerne an ein Konzert von Max Lässer und dessen Überlandorchester, das ihnen quasi das Tor zur Neuen Volksmusik geöffnet hat. Dass der dort mitspielende Markus Flückiger den Schwestern einige Jahre später während deren Studium an der Hochschule Luzern im Freifach persönlichen Unterricht erteilen würde, konnten sie bei der damaligen Begegnung noch nicht ahnen. Mittlerweile sind Evelyn und Kristina in Luzern längst keine Unbekannten, was die Aussage von Dani Häusler, Studienkoordinator Volksmusik, unterstreicht: «Die Brunner-Schwestern waren und sind für uns an der Hochschule Luzern-Musik eine grosse Bereicherung. Ihr Talent, gepaart mit Fleiss, und ihre unkomplizierte fröhliche Art helfen mit, der Volksmusik den erreichten Status an der Hochschule zu sichern und weiterzuführen. An Studierende von ihrem Format richtet sich die ganze Ausbildung.» Der Schwyzerörgeler und Dozent Markus Flückiger doppelt nach: «Ich kenne Kristina und Evelyn Brunner vor allem durch meine Arbeit an der Hochschule Luzern. Die beiden Schwestern sind aussergewöhnlich talentierte und sehr engagierte Musikerinnen. Es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten.»
Evelyn hat ihr Studium als Musik- und Bewegungspädagogin zwischenzeitlich abgeschlossen und engagiert sich mit viel Herzblut als Schwyzerörgelilehrerin. Die Schülerinnen und Schüler lernen bei ihr vorab das für Volksmusik wichtige, intuitive Spiel nach Gehör. Sie werden aber auch mit der normalen Notenschrift vertraut gemacht, damit sie zum Beispiel bei einem gemeinsamen Musikprojekt in der Schule nicht wegen fehlender Noten ausgegrenzt werden. Zum individuell massgeschneiderten Untericht gehören aber auch Kenntnisse über Stile, Strukturen und Komponisten der Volksmusik. Die jüngere Kristina ist derzeit noch am Bachelor-Studium, wirkt aber ebenfalls bereits einen Halbtag pro Woche als Schwyzerörgelilehrerin und kann sich optimal mit ihrer Schwester austauschen oder diese bei Bedarf auch einmal vertreten.
«Die urchige und traditionelle Musik bleibt die Grundlage unseres Schaffens!»
In geschwisterlicher Harmonie
Neben ihren Aktivitäten im musikpädagogischen Bereich und in Projekten mit anderen Formationen zieht es Evelyn und Kristina Brunner immer wieder gemeinsam auf die Bühne. Mit der offenen Auslegung von Volksmusik in ihrer ganzen Breite trifft man die vielseitigen Musikerinnen vor allem an besonderen Musikfestivals, auf Kleinkunstbühnen oder an Privatanlässen. «Wir sind in der privilegierten Lage, dass sich immer wieder neue Türen für weitere interessante Engagements öffnen», berichten die jungen Musikerinnen dankbar und freuen sich unter anderem auf ein erstes Zusammentreffen mit Franz Hohler im kommenden Mai und weitere gemeinsame Auftritte mit Pedro Lenz. Auch er äussert sich nur lobend über Evelyn und Kristina: «Ich bin ein Bewunderer der beiden Musikerinnen. Besonders gefällt mir ihre volle Hingabe, ihr grosses Können und ihre Bereitschaft, verschiedene Musikstile und Musikrichtungen zu spielen. Ausserdem sind beide sehr umgänglich, so dass es Freude macht, mit ihnen zusammenzuarbeiten.» Bei aller musikalischen Offenheit sind Evelyn und Kristina nach wie vor mit der urchigen Ländlermusik verbunden und bezeichnen diese klar als Grundlage ihres Schaffens. «Mit unserer Musik können wir Vorurteile abbauen und Mauern durchbrechen. Das kommt auch der traditionellen Musik zugute», sind die Schwestern überzeugt, und liefern auch gleich den Beweis dazu: «Wenn wir zum Beispiel am Schluss eines Konzertes in literarischem Umfeld einen urchigen Schottisch spielen, dann sind dort oftmals auch jene Leute hell begeistert, die normalerweise einen Bogen um traditionelle Volksmusik machen».
Evelyn Brunner
Herkunft
Thun BE
Musikalischer und
beruflicher Werdegang
Evelyn Brunner studierte während vier Jahren Musik- und Bewegungspädagogik an der Hochschule Luzern-Musik. In ihrer frühen Kindheit begann sie bei Louise Keller mit dem Schwyzerörgelispiel und genoss später Unterricht bei Daniel Marti und Markus Flückiger. Nach einigen Jahren klassischen Kontrabass-Unterrichts bei Bettina Keller und Dieter Lange folgten zwei Unterrichtsjahre bei Bobby Burri an der Musikhochschule Luzern. Heute unterrichtet Evelyn Brunner Schwyzerörgeli an den Musikschulen in Thun und Bern und arbeitet daneben im elterlichen Betrieb in der Administration.
Kristina Brunner
Herkunft
Thun BE
Musikalischer und
beruflicher Werdegang
Kristina Brunner studiert Cello bei Jürg Eichenberger an der Hochschule Luzern-Musik mit Schwerpunkt Volksmusik. Zuvor erhielt sie Unterricht von Widar Schalit, Martina Huber, Martina Schucan und Peter Leisegang. Die ersten musikalischen Schritte machte sie auf dem Schwyzerörgeli bei Louise Keller. Später genoss sie Unterricht bei Daniel Marti und heute bei Markus Flückiger. Neben dem Studium unterrichtet sie Schwyzerörgeli an der Musikschule der Region Gürbetal.
Persönlich
Kristina über Evelyn
Evelyn ist eine sehr positive Person und nimmt gerne Rücksicht auf die Menschen in ihrer Umgebung. Mit ihrer hilfsbereiten und zielstrebigen Art packt sie überall an. Seit frühester Kindheit haben wir immer wieder sehr viel Spass zusammen und sind beste Freundinnen.
Evelyn über Kristina
Ich beneide Kristina für ihre Fähigkeit, stets ein Konzept vor Augen zu haben. Sie arbeitet viel überlegter als ich und tritt entsprechend seltener in ein Fettnäpfchen. Neben ihrer Hilfsbereitschaft und Zielstrebigkeit liebe ich ihren Humor. Kristina ist der lustigste Mensch auf der Welt und niemand bringt mich so zum Lachen wie sie!
Sport
Wir beide sind überhaupt keine Sportskanonen und widmen uns in der Freizeit vorwiegend der Musik. Die Region am Thunersee bietet aber viele Möglichkeiten, um sich bei Bedarf auch mal sportlich betätigen zu können.
Heimat
Heimat ist da, wo unsere Freunde und unsere Familie sind. Am schönsten ist dieses Heimatgefühl natürlich in unserer vertrauten Umgebung, wo wir uns zuhause fühlen.
Tiere
In unserer Verwandtschaft gibt es Bauern und als Kinder beschäftigen wir uns dort gerne auch mit Tieren. Zuhause auf unserer Dachterrasse hatten wir früher einmal einen Hasen, doch ansonsten pflegten wir nie tiefere Beziehungen zu Haustieren.
Digitale Welt
Die digitale Welt nutzen wir gerne als praktisches Mittel zum Zweck. So kann es sehr hilfreich sein, während des Musikunterrichts dem Schüler einen Titel vom Handy abzuspielen oder ihm später von zuhause aus zur Lösung eines Problems ein hilfreiches Filmli zu übermitteln.
Spieltrieb
Wir sind eigentlich überhaupt keine Spieler und beteiligen uns höchstens an einem Gesellschaftsspiel, jedoch ohne jeglichen Ehrgeiz.
Kontakt
Evelyn und Kristina Brunner
Bierigutstrasse 1a
3608 Thun
Telefon 081 413 24 84