Hackbrettbauer Werner Alder
Ein Instrument, welches die Blicke der Zuhörer auf sich zieht, ist das Hackbrett. Vorwiegend im Alpsteingebiet, aber auch in anderen Regionen der Schweiz, hat dieses Saiteninstrument seinen festen Platz in der Volkskultur. Werner Alder aus Urnäsch stellt dieses Instrument in seiner Werkstatt in Herisau her.
23.01.2017 | VON RUEDI ROTH
Die Streichmusik Alder aus Urnäsch ist wohl bei vielen Volksmusikkonsumenten dafür verantwortlich, dass das Hackbrett in deren Kulturwissen seinen Platz gefunden hat. Die Auftritte der «Aldere» mit Emil Zimmermann am Hackbrett fanden in vielen Medien ihren Niederschlag und hinterliessen so einen bleibenden Eindruck. Das flinke Hantieren an diesem recht grossen Instrument in der Besetzung einer Original Appenzeller Streichmusik fand damals – und findet auch heute noch – Bewunderung bei den Zuhörern. «Das Hackbrett bietet sowohl optisch als auch akustisch eine vorzügliche Plattform bezüglich Aufmerksamkeit. Es verwundert daher nicht, dass sich sehr viele Leute an das Spielen dieses Instruments heranwagen», beschreibt der Hackbrettbauer Werner Alder die ungebrochen grosse Anzahl Hackbrettschüler in der Ostschweiz. Dabei wird von den vermittelnden Lehrpersonen grundsätzlich auf die Erhaltung der überlieferten Spielart geachtet. Das Hackbrett soll möglichst so zur Anwendung kommen, wie es seit Generationen in der Schweizer Volksmusik üblich ist.
Seit den 1980er-Jahren hat dieses Volksmusikinstrument aber auch den Weg in anderen Stilarten des Musizierens gefunden und es existieren heute etliche Hackbrettvirtuosen, welche mit ihrem Instrument neue Wege suchen. Die traditionell überlieferten Tänze und Melodien wohl beherrschend, entlocken sie dem Hackbrett andere Sphären der Klangmalerei. Dabei wird dies sowohl solistisch als auch in Gruppen verschiedenster Grössen und Besetzungen angewandt. Mit einer kurzen instrumentalen Einlage zeigt Werner Alder – der offensichtliche Fachmann auf dem Hackbrett – in kurzen Sequenzen, wie unterschiedlich man mit diesem Instrument Stimmungen hervorzaubern kann. Harmonien in Dur und moll in verschiedenen Rhythmen vorgetragen, lassen im Kopf unweigerlich bildlich passende Szenerien entstehen und vermitteln eindrücklich die Kraft der Musik.
Erbliche Vorbelastung
Werner Alder (1956) ist in einer musikalischen Familie auf einem Bauernhof in Urnäsch aufgewachsen. Sein Vater Arthur war fester Bestandteil der allseits bekannten Streichmusik Alder der dritten Generation und spielte in dieser vorwiegend das Cello. Sehr viel bedeutete ihm bei den legendären Auftritten jeweils auch der Gesang. Diesen beherrschte er nicht nur, nein, er hinterliess auch etliche beeindruckende Zäuerli-Kompositionen, welche im Gebiet rund um den Säntis bis heute ungebrochene Anerkennung finden. Arthur Alder spielte aber nicht nur Cello. Er war auch mit dem Spiel auf der Handorgel, der Bassgeige oder dem Hackbrett bestens vertraut. Für Sohn Werner war das Musizieren nicht sonderlich wichtig. Trotzdem brachte sich dieser als Bub das Spiel auf dem Hackbrett bei. Nach der Schule fand Werner eine Lehrestelle als Antikmöbelschreiner und mit dieser Tätigkeit machte sich der Urnäscher sein Talent bestens zunutze. Im Umgang mit Holz fühlte er sich schon immer in seinem Element, was bis dato so geblieben ist.
Den ersten Hackbrettbauauftrag vermittelte dem talentierten Holzwurm sein Vater Arthur. Dessen Instrument war durch gar häufige Nutzung in einem ziemlich verbrauchten Zustand und sollte durch einen Neubau – angefertigt durch seinen Sohn – ersetzt werden. «Es geriet mir nicht schlecht für den Anfang und es lässt sich auch heute noch spielen», beschreibt Werner Alder schmunzelnd sein erstes Werk in Sachen Hackbrettbau. Wie viele andere Instrumente befindet sich dieses Hackbrett in Alders geräumiger Werkstatt in Herisau, die er im Jahr 1999 käuflich erwerben konnte. Vorher hatte sich der Urnäscher aber auf der Welt umgesehen und dabei Erfahrungen in verschiedenen Bereichen geholt. Das Spiel auf dem Hackbrett wurde in dieser Zeit zwar gepflegt, beschränkte sich aber mehrheitlich für den Eigengebrauch.
Mit dem Erwerb der Liegenschaft, in welcher Werner Alder auch einige Räume untervermietet, begann dann das Handwerk Hackbrettbau so richtig zu florieren. Inzwischen verheiratet mit Regula (1955) und Vater zweier Kinder kümmerte sich Werner nun noch vermehrt um die Details des Instrumentenbaus. Besonders dankbar ist er hierfür dem inzwischen verstorbenen Franz Dörig aus Wil, welcher ihm gar viele Tipps mit auf den Berufsweg gab. In dieser Zeit verstärkte sich bei Werner Alder das Interesse an der Kultur und deren Erhaltung. «Das Spiel auf dem Hackbrett und dessen Bau begeisterten mich je länger je mehr und ich war Tag und Nacht gedanklich fast nur noch bei diesem Instrument», erzählt der passionierte Hackbrettfachmann resümierend. Die Aufträge trudelten langsam aber stetig steigend ein. Mit der Zeit befasste sich Werner Alder auch mit Sonderwünschen oder probierte eigene Ideen zur Verbesserung dieses herrlichen Instruments aus.
Vom Baum zum Instrument
Der Weg von der Natur bis zum Instrument ist recht lang und läuft bei Werner Alder so ab: Als erstes wird einmal das richtige Holz ausgesucht. Meistens wird für ein Hackbrett Fichte oder Ahorn verwendet. Gutes Holz lasse sich erst ab 1000 Metern über Meer finden und beim Schlagzeitpunkt sollte der Mond «nidsigend» (abnehmend) stehen. Bis zur Verwertung benötigt das im Riftschnittverfahren gesägte Holz eine mehrjährige Trocknungsphase. Bei Werner Alder existiert gestapeltes Holz, welches schon gegen 20 Jahre auf seinen Verbrauch wartet.
Beim Bau werden zuerst der Rahmen und der Klangkörper des Hackbretts aufgezeichnet und dann passend zurecht geschnitten. Nach dem Weg durch die Hobelmaschine werden die gefrästen Bretter zusammengeleimt. Diesen Vorgang erfahren auch die einzelnen Bretter der Resonanzdecke, welche hierfür in einem Leimständer fixiert werden. Nach dem Bohren der Unterzüge, Stege oder der Löcher für die Wirbel und Nägel beginnt das Zusammensetzen der einzelnen Bauteile. Für eine formschöne und stabile Verbindung sorgt hier das Schwalbenschwanzverfahren, welches in genauster Handarbeit mit dem Stechbeitel erfolgt. «Ja, man könnte solche Arbeitsschritte sehr wohl auch mit modernen Programmiermaschinen absolvieren. Ich möchte aber jedem Instrument sein persönliches Eigenleben einhauchen mit dieser Handarbeit», erklärt Werner Alder.
Nun sind die Schalllöcher der Resonanzdecke an der Reihe. Diese werden in verschiedenen Arbeitsschritten aufgezeichnet, ausgesägt und mit einem Messer geschnitzt und verziert. Die Wirbel für die Saitenhalterung werden alle einzeln und auf eine ganz bestimmte Tiefe mit dem Hammer eingeschlagen. Alle Teile werden während der Arbeitsphasen immer wieder maschinell und manuell geschliffen. Je nach Ausführungswunsch wird das Instrument im Lackraum gebeizt und mehrere Male lackiert. Nun folgt das Erstellen der Basssaiten. Hierfür wird die Stahlkernsaite mit feinem Kupferdraht umsponnen. Jetzt müssen entsprechend der gewünschten Stimmung die Stege gerichtet und die Saiten aufgezogen werden. Bevor das Instrument letztendlich seinem Besitzer übergeben wird, bedarf es noch einer genauen Stimmung. Diese erfolgt mit geübtem Ohr und mit Hilfe eines Stimmgerätes.
Die echte Passion gefunden
Instrumente aus Holz weisen ein intensiveres Eigenleben auf, als beispielsweise modernere Hackbretter aus Carbon, die entsprechend weniger oft eine Neustimmung verlangen. Doch hat umgekehrt der Einsatz von hochwertigem Holz bei der Klangentwicklung wiederum seine unbestrittenen Vorteile. Das Tüfteln über neue Bauarten, Materialänderungen oder andere Bauformate fasziniert Werner Alder. «In meinem Kopf liegen eigentlich schon lange verschiedene Ideen bereit für eine eventuell bewegende Neuerung im Hackbrettbau. Doch die wahrlich übervolle Auftragslage bezüglich konventioneller Modelle gibt mir momentan einfach nicht die nötige Zeit für einen ausführlichen Versuch», sinniert Werner Alder über die Zukunft des Hackbrettbaus. Doch dies werde bestimmt einmal so weit sein.
Werner Alder hat sich im Laufe der Jahre einen recht grossen Erfahrungsschatz aufgebaut in Sachen Instrumentenbau. Dies habe sich aus Besuchen und Einsichten in andere Werkstätten in der Schweiz und auf der ganzen Welt ergeben, erzählt der Handwerker. Hinzu kämen Tipps und Anregungen verschiedener Hackbrettspieler, und der Möglichkeiten gebe es da noch viele. Gleiches gilt auch für die Musik, deren Spannweite sich im Hackbrettmilieu laufend verbreitert. Viele gestandene Spieler schweifen auch mal von der überlieferten Volksmusik ab und haben schon sehr viel bemerkenswerte Neukultur erschaffen, was dem Hackbrett nur zugute kommt.
Werner Alder behagt heute auch das öffentliche Aufspielen sehr. Er hat hierfür sogar selbst einen herrlichen Saal in seinem Herisauer Fabrikgebäude, in welchem ab und zu Gruppen für Konzerte oder Vorträge vorbeischauen. Zudem hat der rührige Appenzeller hier auch etliche andere Instrumente stehen und bietet den Gästen einen umfassenden Einblick in die Trachtenkultur der Alpsteinregion. Er selber spielt in der Kapelle Echo vom Säntis mit. Hinzu kommt ab und zu die klangliche Bereicherung von Lesungen des Schauspielers und gebürtigen Urnäschers Philipp Langenegger. Nein, langweilig wird es Werner Alder vorerst noch nicht. «In meinen Jugendjahren habe ich allerhand probiert und erst mit der Zeit fand ich den richtigen Weg in meinem Leben. Jetzt bin ich absolut am perfekten Ort und freue mich darüber!»
Aus dem Land&Musig-Shop:
Das Hackbrett
Das Hackbrett ist ein mit unterschiedlich langen Saiten bespannter Holzkörper. Durch die Anordnung dieser Saiten (lange Saiten = tiefe Töne / kurze Saiten = hohe Töne) ergibt sich die typische Trapezform. Mehrere Saiten sind gleichgestimmt und zu sogenannten Chören zusammengefasst. Die Anordnung variiert je nach Bauweise und Region. Die meisten heute in Mitteleuropa gespielten Instrumente sind chromatisch und weisen einen Tonumfang von rund drei Oktaven auf.
Der Ursprung des Hackbretts liegt vermutlich in Persien. Das Santur gilt dort seit dem frühen Mittelalter als wichtiges klassisches Instrument und fand später via China, Korea und Nordindien den Weg nach Europa. Man kennt das Hackbrett unter verschiedenen anderen Namen wie Psalter, Salterio, Pantaleon, Cymbalon oder Tympanon. In Osteuropa ist es schon lange Zeit als Instrument für Zigeuner und Wandermusiker bekannt. In der Schweiz erstmals 1447 in einem Zürcher Ratsbuch erwähnt, ranken sich viele Geheimnisse um das Hackbrett. So soll es einst gar an Königshöfen gespielt worden sein. Später wurde es zum Tanzmusikinstrument abgewertet und oftmals verachtet.
Hierzulande behielt es aber im Appenzellerland, im Toggenburg und auch im Oberwallis seinen Stellenwert. Das Hackbrett wurde in der Schweiz lange Zeit ausschliesslich in der Volksmusik
eingesetzt. Zunehmend erfreut sich das Instrument breiterer Beliebtheit und findet Einzug in die klassische und moderne Musikwelt. Längst sprengen auch viele der Tradition verbundene Hackbrettspieler die Grenzen der Volksmusik, wagen Neues und bringen andere Elemente ein.
Kontakt
Alder Hackbrett
Kasernenstrasse 39a
9100 Herisau
Telefon 071 352 37 07
www.alder-hackbrett.ch
www.kulturwerkstatt-appenzellerland.ch