Walter Neff «Hirschli»

… im Schuss

Walter Neff ist ein Appenzeller Musikant und Jodler, der ganz in der Tradition seiner Heimat wirkt. Um seine Rugguseli, Zäuerli und Chlausezäuerli akustisch festhalten zu können, hat er nun die bereits zweite CD mit Kompositionen aus der eigenen Feder produziert. 

Wenn man traditionelles Singen und Jodeln auf einem Tonträger festhält, bewegt man sich immer «auf Messers Schneide». Die Ausführenden sind sich darüber bewusst, dass zum vollen Genuss der ganz urchigen Art – etwa den Chlausezäuerli der Schuppel – das unmittelbare Ausüben und Dabeisein einen hohen Anteil am echten Erlebnis dieses ganz eigenen Jodelns hat. Hier ist das reine Stegreiflen noch gefragt und nicht selten verändern sich je nach Vorjodler auch die Melodien. Auch deshalb ist das Aufschreiben eines Chalusezäuerlis schon fast ein Stilbruch, denn so entzieht man der Melodie die Möglichkeit der natürlichen Veränderung. In der heutigen Zeit aber ist alles Festhalten in Bild und Ton alltäglich geworden. Und so ist es natürlich schön, dass auf diese Weise die Melodien aus dem Appenzellerland den Weg in die Stuben weit ausserhalb ihres Stammgebiets finden. Ein unermüdlicher Schöpfer von neuen Melodien ist der in Gonten lebende Walter Neff. In seiner Heimat nennt man ihn «Hirschli», weil er im Restaurant Hirschen in Stein AR aufgewachsen ist. Er ist natürlich selber ein begnadeter Jodler und gleichzeitig Bassgeiger beim Appenzeller Echo. Eine spezielle Referenz seines Könnens liefert er auf dieser CD mit der Interpretation seines Zäuerlis «De Bismärkli im Klöntal», bei welchem er im Playbackverfahren gleich alle Stimmen selber eingesungen hat.

Gerne werden seine Schöpfungen aber auch von verschiedenen Formationen vorgetragen, etwa dem Doppelquartett Pfiffestier aus Appenzell, dem Chrobeg-Chörli aus Gonten oder den Jakobisängern aus Gonten. Sie sind ebenso als Interpreten auf dieser CD zu hören wie der Bismärkli-, Büelbänkli- und Waisehuus-Schuppel aus Urnäsch. Sie alle tragen jeweils zwei Zäuerli oder Rugguseli vor, der Waisehuus-Schuppel sogar deren vier. So sind insgesamt 15 der typischen Appenzeller Naturjodel zu hören. Natürlich erklingen sie alle im gleichen Idiom, was naturgemäss zu einer gewissen Monotonie verhilft. Der aufmerksame Zuhörer stellt hingegen schnell fest, welch grossartiger Ideenreichtum hinter den Melodienschöpfungen von «Hirschli» steckt. Zum vollen Glanz erweckt werden diese mit dem perfekten Intonieren aller hier auftretenden Sänger.

Den geistigen Besuch im Appenzellerland vervollständigen vier Tänze vom Appenzeller-Echo, einem Trio, das die führende Stimme mal mit der Geige oder der Handorgel interpretiert. Alle vier Tänze sind Eigenkompositionen ihres Kapellmeisters Josef Rempfler. Beim letzten Titel des feinen Melodienstrausses hat sich das Appenzeller-Echo sogar mit dem Büelbänkli-Schuppel zusammengetan, womit sie beweisen, dass man ein Rugguseli ebenso stilecht und einfühlsam sowohl mit Geige, Hackbrett und Bassgeige vortragen kann, wie im mehrstimmigen Gesang.

Einmal mehr liegt hier ein Tondokument vor, das den Zuhörer bei jedem Anhören etwas tiefer in die Gefühlswelt der Appenzeller Jodler hineinzieht, sie mitnimmt und offenbart, was ein Jodler unter der Maske in einem Schuppel oder auch beim Singen mit den Jodelkameraden spürt. Eine CD, die man zwar quasi nebenbei mit Freude hören kann, die aber auch ein fast meditatives Erlebnis ermöglicht. Schön, das es sie gibt!

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