Vom Toggenburgerländli in die Volksmusikwelt
Schon anfangs ihrer Schulzeit verliebte sich Katja Bürgler-Zimmermann ins Schwyzerörgeli und in die runde Ländlermusik aus dem Stegreif. 20 Jahre später hat die talentierte Toggenburgerin ein professionelles Musikstudium hinter sich und gibt ihr umfangreiches Können im Volksmusikbereich facettenreich weiter.
23.05.2018 | VON STEFAN SCHWARZ
Im Haus der fünfköpfigen Familie Zimmermann in Nesslau spielte die Musik früher keine grosse Rolle. Höchstens an Weihnachten oder zu einem Geburtstagsfest wurde mal verstohlen ein Lied angestimmt, aber die lebendige Toggenburger Musiktradition fand eigentlich kaum Beachtung. Trotzdem bekundete die mittlere Tochter Katja im Alter von sieben Jahren ihr Interesse an Hackbrett und Schwyzerörgeli. Woher sie diese beiden typischen Volksmusikinstrumente damals überhaupt kannte, weiss die 29-jährige Hausfrau und Musikerin rückblickend nicht mehr. Sie erinnert sich aber noch daran, dass ihrer Mutter das grosse Hackbrett nicht so recht behagen wollte, als der Musikwunsch immer konkreter wurde. Zum Glück entpuppte sich dann aber das Schwyzerörgeli für alle Beteiligten als die optimale Lösung und in der Person von Willi Valotti, der unweit der Familie Zimmermann zuhause ist, fand sich alsbald auch der passende Musiklehrer. Ab dem 8. Lebensjahr ging das motivierte Mädchen wöchentlich in den Örgeliunterricht und bereits nach wenigen Lektionen machte Willi Valotti die Eltern auf das besondere Talent von Katja aufmerksam. «Das wirsch jitz du scho wüsse nach so churzer Zyt», soll Mutter Zimmermann damals erwidert haben und übte in den folgenden Monaten und Jahren nie irgendwelchen Druck auf ihre Tochter aus. Dies war auch nicht nötig, denn ihre Tochter übte im stillen Kämmerchen nämlich fleissig und entwickelte sich schnell zu einer guten Musikantin. Mit Nachdruck stellt Katja heute fest, dass sie ihren Eltern sehr dankbar dafür ist, dass diese sie nie zu irgendwelchen Auftritten oder Wettbewerben gedrängt haben, sondern sie einfach ihren musikalischen Weg gehen liessen.
Wie ein musikalischer Vater
Im Laufe der Zeit wurde Willi Valotti zu einer Art musikalischem Vater, der seinem Schützling immer wieder neue Türchen in die Volksmusikwelt zu öffnen versuchte. Er forderte und förderte Katja im Einzel- und Gruppenunterricht, trat öffentlich mit ihr auf, nahm sie mit zu Auftritten anderer Interpreten und erläuterte ihr Spielarten und Eigenheiten der verschiedenen Ländlermusiker. Katja sog alles in sich auf, doch sobald es um Notenlehre oder andere theoretische Belange der Musik ging, blockte sie ab. Viel lieber erlernte sie neue Tänze anhand klingender Vorlagen auf Kassette oder MiniDisc und erfreute sich an den ersten Erfolgen, die sich ab dem Alter von 11 Jahren im Trio Pajasse zusammen mit Madlen und Ernst Zwingli einstellten. Die ebenfalls von Willi Valotti initiierte Schülerformation war während gut sieben Jahren mit urchiger und runder Ländlermusik unterwegs und gewann in dieser Zeit unter anderem auch den kleinen Prix Walo.
Bereits Ende ihrer Schulzeit motivierte Willi Valotti seine talentierte Schülerin zu einer musikalischen Luftveränderung und vermittelte ihr weiteren Musikunterricht bei Markus Flückiger. Katja hatte zuerst Mühe, sich aus den vertrauten Fittichen von Willi Valotti zu lösen, merkte aber schon nach den ersten Lektionen im schwyzerischen Rothenthurm, dass ihr der grossartige Schwyzerörgeler weitere Türen öffnen kann. Leider zog Flückiger kurze Zeit später weiter ins Urnerland, wodurch sich die Wegzeit auf zweimal 3,5 Stunden pro Lektion erhöhte. Doch der Wille war da und Katja investierte trotz Lehre und Auftritten gerne einen freien Tag, um rund einmal pro Monat bei Markus Flückiger neue Nahrung für die hungrige Musikerseele zu kriegen. Hierzu gehörten nach und nach auch erste Portionen aus dem Bereich der Neuen Volksmusik, welche Katja anfänglich nur bedingt zu goutieren wusste. Das Interesse an der Musik und das persönliche Erleben fremder Klangwelten weckten der jungen Musikerin jedoch bald den Appetit für weitere Häppchen aus einer etwas anderen Volksmusiksparte.
Vom Blumenladen an die Musikhochschule
Ein paar Jahre zuvor, als es um die Berufswahl ging, musste Katja feststellen, dass es im Bereich Schwyzerörgeli keine professionellen Ausbildungsmöglichkeiten gab. Deshalb – und weil sie den Weg eines Musikstudiums mit keinem anderen Instrument hätte einschlagen wollen – entschied sie sich für eine dreijährige Ausbildung zur Floristin. Noch während der Lehrzeit offenbarte ihr Markus Flückiger, dass an der Hochschule Luzern neu das Schwerpunktfach Volksmusik angeboten werde und somit auch ein Studium mit dem Schwyzerörgeli möglich sei. Kurze Zeit überlegte sich Katja den sofortigen Lehrabbruch, brachte dann aber das letzte Lehrjahr sowie die Prüfungen als Floristin doch noch unter Dach und Fach. Markus Flückiger bereitete seine Schülerin derweil auf die kommende Herausforderung vor und machte ihr unmissverständlich klar, dass sie sich nicht weiter vor theoretischen Musikfächern drücken könne. Um dieses Manko etwas aufholen zu können, absolvierte Katja vorerst einen einjährigen Vorkurs mit anderthalb Tagen Ausbildung pro Woche. Parallel dazu unterrichtete die Toggenburgerin während einem Tag an der Musikschule Sarnen und absolvierte auf dem Chäserrugg als Serviceangestellte zudem ein Arbeitspensum von happigen 80 Prozent. So aber konnte Katja etwas Geld fürs kommende Studium zur Seite legen, welches bei ihren Eltern anfänglich nicht auf grosse Gegenliebe stiess. Nach einigen harten Diskussionen im Familienkreis und einem positiven Start in die neue Herausforderung merkten die Zimmermanns aber bald, dass ihre Tochter den für sie passenden Weg gewählt hatte und stellten sich hinter sie.
Das Nachholen der fehlenden theoretischen Kenntnisse erforderte auch während des dreijährigen Bachelorstudiums noch grosses Engagement. Glücklicherweise aber waren ihr viele musikalische Usanzen aus der Spielpraxis längst vertraut, konnten von der langjährigen Stegreiflerin anfänglich aber einfach noch nicht korrekt benannt und analysiert werden. Und Markus Flückiger stand seiner Schülerin als Hauptfachlehrer auch in theoretischen Belangen immer gerne helfend zur Seite und konnte in der klassischen Harmonielehre aufkommende Unklarheiten mit praktischen Fallbeispielen auf leicht verständliche Art und Weise in den volksmusikalischen Konsens setzen. Als Beispiel erzählt Katja von einer harmonischen Wendung in einem Werk Beethovens, die sie nicht korrekt einzuordnen wusste: «Markus nahm sein Schwyzerörgeli, spielte völlig spontan eine Ländlerpassage und lieferte mir mit wenigen Tönen eine aufklärende Übersetzung in die mir vertraute Volksmusiksprache!».
Stegreiflerin unter Klassikern
Zahlreiche Fächer belegte die Schwyzerörgelerin während ihrer Ausbildung zusammen mit den Klassikern, von denen sich einzelne zeitweilig auch abschätzig über die Volksmusik und deren Interpreten äusserten. Umso grösser war deshalb die innere Befriedigung in jenem Moment, als Katja zusammen mit dem damaligen Mitstudenten Remo Gwerder spontan zu musizieren begannen und sich ein paar Klassiker gerne angeschlossen hätten: «Obschon wir extra nur ein einfaches Wälzerli mit zwei simplen Harmonien spielten, standen die vom ersten bis zum letzten Ton unbeholfen da und hatten einfach keine Möglichkeit, sich irgendwie einzubringen!». Mit dieser Geschichte will Katja die klassischen Studenten überhaupt nicht schlecht machen, sondern den ebenfalls nicht zu unterschätzenden Wert des intuitiven Musizierens unterstreichen. Umgekehrt staunte sie immer wieder, wie die Kollegen im Gegensatz zu ihr die komplexesten Sachen einfach so ab Blatt umzusetzen wussten.
Während den mit Vorkurs und Masterstudium insgesamt sechs Studienjahren in Luzern lernte Katja Bürgler-Zimmermann die Schönheiten ihrer Toggenburger Heimat erst so richtig schätzen und das Heimweh zog sie fast jede freie Minute zurück nach Hause. Mit im Gepäck hatte sie auf ihren Zugfahrten stets auch Literatur und natürlich klingende Müsterli mit einheimischem Naturjodel. Neben der Ländlermusik hatte diese urtümliche Sangesart die Nesslauerin nämlich schon im späten Teenager-Alter begeistert, als sie mit ihren Cliquen im Ausgang regelmässig in den volkstümlichen Kreisen des Appenzellerlandes und der Innerschweiz verkehrte. Der Naturjodel aus dem Alpsteingebiet war denn auch das Thema für Katjas Bachelorarbeit, mit der sie sich eine grosse fachliche Kompetenz auf diesem Gebiet erarbeiten konnte.
So kam es, dass Katja Bürgler im Jahr 2012 vom Jodlerklub Bergfründ Ennetbühl aus Nesslau eine erste Anfrage als Chorleiterin erhielt. Die Musikerin liess sich kurzerhand ins kalte Wasser werfen und durfte in der Anfangszeit einmal mehr die kollegiale und fachliche Unterstützung von Willi Valotti in Anspruch nehmen. Zeitgleich übernahm Katja auch die Leitung der Jungjodler Ennetbühl, die sie heute neben ihrer Funktion als Sängerin und Dirigentin des Churfirstenchörlis immer noch mitbetreut. Daneben unterrichtet sie an der eigenen Musikschule im Elternhaus an zwei Nachmittagen rund 15 Kinder und Erwachsene in den Fächern Schwyzerörgeli und Jodel und gibt bei Kursen der KlangWelt Toggenburg oder individuell gebuchten Seminaren bei Firmen oder Vereinen ihre Leidenschaft für den Naturjodel weiter.
Örgelen mit Sammlerstücken
Neben gemeinsamen Auftritten mit einer langjährigen Schulkollegin und Pianistin steht die als Mutter und Hausfrau ebenso leidenschaftlich agierende Katja Bürgler aus zeitlichen und logistischen Gründen momentan vorwiegend alleine auf der Musikbühne. Dabei präsentiert sie bei Veranstaltungen verschiedenster Art gerne eine grosse volksmusikalische Vielfalt aus traditionellen Ländlertänzen, zeitgenössischen Volksmusikklängen sowie unterschiedlichen Jodel- und Gesangselementen.
Während die Toggenburger Musikantin früher lange mit einem billigen Italiener-Schwyzerörgeli unterwegs war, darf sie seit einigen Jahren auf die Unterstützung des Luzerner Sammlers Hans Frey zählen. Aus Sympathie und Liebe zur Sache stellt der rürige Sponsor der Toggenburger Musikerin gemäss deren Wünschen immer wieder die wertvollsten Nussbaumer-Instrumente seiner grossen Sammlung zur Verfügung und freut sich, dass Katja Bürgler diese in hochkarätiger Art und Weise facettenreich zum Klingen bringt.
Katja Bürgler
Geburtsdatum
14. Februar 1989
Wohnort
Nesslau SG
Familie
Seit 2014 verheiratet mit dem Sensortechniker Thomas und Mutter der beiden Kinder Elias (2015) und Natalie (2017).
Beruflicher Werdegang
Nach einer dreijährigen Lehre als Floristin in Wattwil setzte Katja Bürgler voll auf die Karte Musik. Sie belegte einen einjährigen Vorkurs an der Hochschule Luzern/Musik und absolvierte dort im Anschluss das Bachelor- und Masterstudium mit Schwerpunkt Volksmusik. Heute unterrichtet Katja Bürgler neben ihrer Tätigkeit als Mutter und Hausfrau in der eigenen Musikschule in Nesslau (Schwyzerörgeli und Jodel), gibt Kurse, wirkt als Chorleiterin und tritt mit ihrem Soloprogramm bei verschiedensten Veranstaltungen auf.
Hobbys
Neben der Familie und der Musik ist das Kochen und Backen eine grosse Leidenschaft von Katja Bürgler und eine Ausbildung als Koch, Konditorin oder Confiseurin wäre eine mögliche Alternative zu ihrem Berufsweg gewesen. In diesem Zusammenhang betreut die Hausfrau und Musikerin mit Freude auch den eigenen Garten. Die Freizeit mit ihrer jungen Familie verbringt Katja Bürgler am liebsten in der hei-mischen und friedlichen Umgebung des Toggenburgs.
Persönlich
Mein Sternzeichen
Ich bin Wassermann, kenne mich mit der Symbolik dazu aber überhaupt nicht aus.
Mein Charakter
Ich bin ein zielstrebiger und vielfach fröhlicher Mensch. Ich weiss genau, was ich will und kann «mein Grindli» durchsetzen.
Meine Heimat
Meine Heimat ist ganz klar das Toggenburg, wo ich mich rundum wohl fühle.
Meine Sportaktivitäten
Mami sein! (lacht) Im Sommer gehen wir ab und zu Velofahren in der Umgebung.
Meine Tiere
Wir haben eine Katze, aber weil es hier mit den Kindern oft laut zu und her geht, ist sie meist in der Waschküche unten. Ein Hund könnte irgendwann mal ein Thema sein, doch hierfür ist die Zeit momentan nicht vorhanden, denn wir könnten den Bedürfnissen des Tieres nicht gerecht werden.
Mein Spieltrieb
«Dog» – ein ähnliches Spiel wie «Eile mit Weile» – spielen wir im Familienkreis gerne. Das ist kurzweilig, spannend und man kann zwischendurch auch ein bisschen gemein sein mit den Gegnern!
Meine digitale Welt
WhatsApp und E-Mail nutze ich oft, um Termine zu vereinbaren oder meinen Jodlern aufgenommene Stimmen zum Üben zu übermitteln.
Meine Zukunft
Ich bin mit meinem aktuellen Leben sehr zufrieden und hoffe, dass dieses auf allen Ebenen in ähnlicher Art und Weise weitergehen wird. Aus musikalischer Sicht bin ich selber gespannt, ob ich noch längere Zeit alleine mit meinem Soloprogramm unterwegs sein oder vielleicht schon bald einmal mit einer vierköpfigen Kapelle auftreten werde. Alles hat seinen Reiz und ich lasse das einfach auf mich zukommen.
Kontakt
Katja Bürgler
Chirbelegg-Laad 2608
9650 Nesslau
Telefon 079 792 61 90
www.musikschule-nesslau.ch