Osterbrunnen in der fränkischen Schweiz
In der ohnehin schon attraktiven Landschaft der Fränkischen Schweiz, einer Region im deutschen Oberfranken (Bayern), gibt es alljährlich während rund 20 Tagen um Ostern einen farbenfrohen Brauch. Was sich vordergründig als touristische Sensation zeigt, ist einerseits eine tief verwurzelte Tradition mit Hintergründen aus dem Glauben, andererseits aber auch ein gesellschaftliches Ereignis der einheimischen Bevölkerung.
23.03.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Es gab einmal eine Zeit, in welcher es auch in unseren Breitengraden nicht selbstverständlich war, Trinkwasser immer und überall zur Verfügung zu haben. Mühsam musste dieses aus Gewässern oder Brunnen geholt und getragen werden. Es versteht sich deshalb, dass das Wasser als Lebensgrundlage mehr geschätzt wurde, als heutzutage.
Achtung vor der Schöpfung
So, wie man sich im Herbst am Erntedankfest für die Nahrung bedankt, macht man das in Franken zu Ostern mit dem Schmücken des Wassers. Um die Wasserversorgung der Hochebene der Fränkischen Alb sicherzustellen, wurden in frühester Zeit Brunnen angelegt, aus denen meistens die Frauen der einzelnen Siedlungen Wasser schöpften und in die Siedlungen trugen. Waren es früher einfache Bäumchen, die die Wasserstellen schmückten, so werden heute Bögen und Kronen aus frischem Fichten- und Birkengrün angefertigt, an denen die bemalten Eier befestigt werden. Hinzu kam das Ei als Sinnbild für das Geheimnis des Lebens. Dazu werden sowohl Brunnen jeder Grösse wie auch kleine Quellen mit Fichtelzweigen geschmückt. Da der Brauch meistens mit der christlichen Tradition des Osterfests verbunden wurde, gehörten früh auch schon bunt bemalte Ostereier dazu. Seit mehr als einem Jahrhundert hält man diese Tradition wach und deshalb kann man auch heute zur Osterzeit über 200 fantasievoll geschmückte Brunnen sehen.
Mittlerweile gibt es Nachahmer in der ganzen Welt, die Originale aber kann man nur in der Fränkischen Schweiz finden. Dem in der Osternacht – der Auferstehungsnacht – geweihten Wasser schreibt man besondere Wirkung zu. So werden in der Osternacht gerne Kinder getauft. Am ersten Mai werden auch heute noch Äcker und Wiesen mit dem Osterwasser bespritzt, damit es eine reiche Ernte gibt.
Eindrucksvolle Zahlen
Ein durchschnittlicher Osterbrunnen wird mit bis zu 80 Metern Girlandenschmuck umschlungen, an welchen etwa 2’000 bunte Eier hängen. Der grösste Osterbrunnen steht in Bieberach bei Egloffstein. Laut dem Guinessbuch der Rekorde zieren ihn jeweils über 11’000 handbemalte Eierschalen! Bis es soweit ist, arbeiten in jedem Ort viele Freiwillige während mehreren Monaten. Schon früh im Jahr beginnen sie mit dem Bemalen der Eier. Dann müssen die Tannenzweige im Wald geholt werden. «Wir freuen uns darüber, dass wir diese von den Waldbesitzern jeweils kostenlos erhalten», erzählt Barbara Pickelmann, die als Präsidentin des «Club 22» in Egloffstein für die Organisation verantwortlich ist. Das Binden der Girlanden dauert etwa zehn Tage, denn pro Ort müssen über 200 Meter davon produziert werden. Anschliessend benötigen die Helferinnen und Helfer eine weitere Woche für das Aufstellen der Bauwerke und Dekorieren der vielen Brunnen in der ganzen Region. In der Folge bleibt der Schmuck je nach Witterung zwei bis drei Wochen stehen. Längst sind die bunten Brunnen ein Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt geworden, womit auch eine Wertschöpfung für die tourismusgewöhnte Gegend entsteht.
Gesellschaftlicher Höhepunkt
Da und dort kümmern sich private Quellenbesitzer um den Schmuck. Weit mehr verbreitet sind aber Gruppierungen – oftmals Brauchtumsvereine –, die sich alljährlich wieder dafür einsetzen. Weil der Eierschalen-Schmuck bekanntlich sehr zerbrechlich ist, müssen jedes Jahr einige Tausend Eier neu bemalt werden. Diese kommen alle aus der Umgebung, wo es noch genügend Hühnerhalter dafür gibt. Das Ausblasen der Eier ist heikel und wird deshalb nicht von allen beherrscht. Während dem ganzen Jahr sammeln die interessierten Leute die Eierschalen, die dann in den Monaten vor Ostern kunstvoll bemalt werden. Es gibt dafür kaum Vorschriften, hingegen haben sich Familientraditionen ergeben. «Ich kann anhand der Bemalung sofort erkennen, wer der Urheber dieses kleinen Kunstwerks ist», erklärt Barbara Pickelmann. Dem Interesse der Besucher ist es zuzuschreiben, dass die Bemalungstechniken der Eier von Jahr zu Jahr verfeinert wurden. Aus den ursprünglich einfachen Eiern, entstanden wahre Kunstwerke. Die ganz gebliebenen Eier werden durchs Jahr sorgfältig aufbewahrt. Im heutigen Bestand sind so Eier zu finden, welche über drei Jahrzehnte überdauert haben. Wichtig ist dem Verein aber nicht allein das fertige Kunstwerk, sondern das gemeinsame Erschaffen. «Manche können es kaum erwarten, bis wir wieder die Abende für das Eiermalen durchführen», freut sich die Vereinspräsidentin. Auf diese Weise kittet der Brauch die seit vielen Jahren bestehenden Freundschaften und bietet neuen Interessierten eine leichte Möglichkeit, im gesellschaftlichen Leben aktiv mitzuwirken. Dabei sind sowohl Frauen wie auch Männer gefragt, wodurch der Anlass eben auch ganze Familien beschäftigt. Natürlich war es schwierig, den Brauch in den Krisen- und Kriegsjahren aufrecht zu halten. Nach der Einführung der zentralen Wasserversorgung in den frühen 50er Jahren des letzten Jahrhunderts geriet dieser Brauch denn auch fast in Vergessenheit. Erst in den späten 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die verschiedenen Brunnen wieder geschmückt, so dass beispielsweise im Jahr 1986 in 169 Orten insgesamt 226 Osterbrunnen geschmückt wurden. Es ist der Hartnäckigkeit der Kulturvereine zu verdanken, dass sich der Brauch wieder erholen konnte und seit einigen Jahrzehnten für Furore rund um die Welt sorgt. Gerade in der Osterzeit, in welcher die Natur sich auf diesen Meereshöhen oftmals noch karg präsentiert, sind die Farbtupfer in den Dörfern ein fröhlicher Willkommensgruss.
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Die Fränkische Schweiz
Nordöstlich der deutschen Stadt Nürnberg liegt der Regierungsbezirk Oberfranken und im dortigen Dreieck zwischen den bekannten Städten Erlangen, Bamberg und Bayreuth jene Gegend, die man Fränkische Schweiz nennt. Mit Schweiz bezeichnete man im 19. Jahrhundert gerne Landschaften mit Bergen, Tälern und Felsen, so beispielsweise auch die Sächsische Schweiz, Märkische Schweiz, Mecklenburgische Schweiz oder Holsteinische Schweiz. Mitten in dieser Berg- und Hügellandschaft mit markanten Felsformationen und vielen Höhlen, Burgen und Ruinen, liegt der Ort Muggendorf. Dort sind zu Beginn des
19. Jahrhunderts die ersten touristischen Aktivitäten auszumachen, wurden doch im benachbarten Streitberg Molkekuren angeboten. In einer der ältesten Urlaubsregionen Deutschlands gingen die Impulse für den Tourismus aber vor allem von den Höhlen aus. Viele davon sind reich an Tropfsteinen. Der markanteste Berg ist ein Tafelberg im Südosten der Region, der im Volksmund als «Walberla» bezeichnet wird und wegen der dort wachsenden seltenen Pflanzen unter Naturschutz steht. Das Gebiet ums Walberla ist geprägt vom grössten geschlossenen Süsskirschenanbau in Europa, der im Frühling die Optik mit den blühenden Kirschbäumen beherrscht. Bei Drachenfliegern ist das Walberla ebenfalls sehr beliebt, obschon sie ihre Drachen den Berg hoch tragen müssen, da die Zufahrt mit dem Auto nicht erlaubt ist.
Kletterparadies und Brauereienvielfalt
Ausserdem ist die Fränkische Schweiz mit über 6’500 Routen eines der best erschlossenen Klettergebiete der Welt, das durch viele Lochfelsen und Überhänge zu einem der wichtigsten ausseralpinen Klettergebiete wurde. Und noch ein Superlativ gehört zur Fränkischen Schweiz: Mit etwa 70 Braue-r-eien ist sie die Region mit der höchsten Brauereidichte der Welt! Die meisten Brauereien sind kleine Privatbetriebe, die teilweise nur ein- oder zweimal in der Woche brauen und oft nur in einigen wenigen Gasthäusern ausschenken. In Franken spricht man gern vom «Fränkischen Dreigestirn» und meint damit, dass viele Brauereien nebenher noch Gasthöfe und Landwirtschaft hatten.
Durch die Region führt die Burgenstrasse, jene Touristenstrasse mit mehr als 70 Burgen, Schlössern und Festungen zwischen Mannheim und Prag. Davon können 17 in der Fränkischen Schweiz besichtigt werden. Zu den markanten Bauwerken gehören natürlich auch die 137 Kirchen. Nahezu jedes Dorf hat seine Kirche, die das Ortsbild neben der eindrücklichen Landschaft prägt.
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Tourismuszentrale
Fränkische Schweiz
Oberes Tor 1
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