Damen- und Trachtenschneiderin Céline Hählen
Schon im Vorschulalter liess sich Céline Hählen von Farben und Stoffen verzaubern und flickte aus alten Resten erste Outfits für ihre Barbie-Puppen zusammen. Seit vier Jahren betreibt die junge Obersimmentaler Damen- und Trachtenschneiderin ihr eigenes Couture Atelier und bringt in ihrem beruflichen Alltag Mode- und Traditionsbewusstsein unter einen Hut.
23.05.2018 | VON STEFAN SCHWARZ
Ihre grosse Leidenschaft für den vielseitigen Beruf als Damen- und Trachtenschneiderin ist im Gespräch mit Céline Hählen von A bis Z spürbar. Dankbar strahlend erzählt die junge Frau aus Matten im Obersimmental, dass sie das Herzblut für kreatives Arbeiten schon im Elternhaus mitbekommen habe. Ihr Grosi nähte gerne, Mutter Sandra ist ein grosser Handarbeitsfan und Vater Bruno weiss als Airbrusher seine schöpferische Ader ebenfalls fantasievoll auszuleben. Bereits im Kindergartenalter fiel Célines Talent im Zeichnen positiv auf und als es in der 7. Klasse um die Berufswahl ging, wusste sie als erste, wie es nach der Schule weitergehen sollte. Bevor Céline an der Schlossbergschule in Spiez (heute IDM Thun) ihre Ausbildung in den Couture Ateliers der Lehrwerkstätte antreten konnte, musste sie modisches Flair, Materialgefühl, Sinn für Formen und Farben, Freude und Geschick am Gestalten, Zeichnen und exakten Arbeiten sowie gutes Vorstellungsvermögen zuerst unter Beweis stellen. Diese erste Hürde meisterte sie jedoch spielend und bald durfte sie während der dreijährigen Lehre zur Damenschneiderin all die motivierenden Arbeiten, welche sie von ihren Freizeitbeschäftigungen her teilweise bereits kannte, von der Pike auf erlernen.
Die erwähnten Aufnahmekriterien zeigen auf einen Blick, dass der Beruf der Damenschneiderin sehr vielfältig ist. Der aktuelle Berufsbeschrieb der IDM lautet wie folgt: «Als Bekleidungsgestalter/in mit Schwerpunkt Damenbekleidung liegt der Fokus auf qualitativ hochstehenden Bekleidungsstücken, die nach Kundenwunsch und anderen Vorgaben fachgerecht hergestellt werden. Dabei werden sowohl die verschiedenen Materialien als auch die zahlreichen Verarbeitungstechniken miteinbezogen. Schneiden, Nähen, Fixieren, Bügeln und Drapieren; den Experimentier- und Perfektioniermöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Eine ebenso grosse Rolle spielen aktuelle Modetrends, wirtschaftliche Belange, die Interaktion mit der Kundschaft und die Ausrichtung auf die jeweiligen Bedürfnisse und Ansprüche. Am Ende der Ausbildung werden sämtliche Prozessschritte, die ein Bekleidungsstück während seiner Fertigung durchläuft, beherrscht.» Voller Begeisterung erzählt Céline Hählen von ihren ersten Teilarbeiten wie Taschen oder Jupes, dem Kreieren von komplizierteren Schnittmustern, die den weiblichen Formen gerecht werden, dem Modezeichnen in verschiedenen Techniken basierend auf neusten Trends der Zeitschrift Vogue oder dem provisorischen Abformen mit billigem Moulure-Stoff direkt an einer Büste. «Im Laufe der Ausbildung werden die Aufgaben immer anspruchsvoller», erläutert die Berner Oberländerin weiter und erwähnt ihre schwarze Lederjacke, die sie im dritten Lehrjahr herstellen durfte: «Leder ist generell schwierig zu bearbeiten. Der besondere Schnitt mit gerundeten Tailleur-Ärmeln und zwei Nähten bot zusätzliche Herausforderungen!»
Erster Preis im dritten Lehrjahr
Im dritten Lehrjahr bekamen die Lehrlinge die Aufgabe, in ihrer Freizeit für einen Wettbewerb ein «Party-Outfit im Wild-Animal-Look» zu kreieren. Vorgegeben war der Einsatz von schwarz-weissem Tigerstoff, dünnem Kunstleder sowie die Integration einer Schnürung. Céline Hählen machte sich erste Skizzen und überlegte, wie sie die vorgegebenen Materialien optimal einsetzen sowie die Schnürelemente passend ins Kleid einbeziehen könnte. Sie entschied sich für eine spezielle Corsage mit Schnürung, die sich in der im Jeans-Style mit Taschen gefertigten Hose wiederholt. Als Farb- und Materialkontrast zu den gegebenen Stoffen wählte sie ergänzend roten Samt und machte sich nach der Endskizze ans Werk. Um neben der kreativen Umsetzung der Themenvorgabe auch die anschliessend bewerteten Kriterien wie Verarbeitung, Ausführung, Schnittführung oder Passform positiv zu erfüllen, investierte die junge Künstlerin unzählige Stunden und widmete sich jedem noch so kleinen Detail. Zu guter Letzt durfte Céline Hählen ihr fertiges und von Experten beurteiltes Outfit im Rahmen einer Modeschau präsentieren und dafür den ersten Preis inklusive Preisgeld entgegennehmen. Für die bescheidene und stille Schafferin war dies natürlich ein grossartiger Moment, der zusammen mit dem erfolgreichen Lehrabschluss zu weiteren Taten anspornte.
Vom glamourösen Laufsteg in die traditionelle Trachtenstube
Als Kind und Teenager hatte die modebewusste junge Frau trotz ihrer Heimat im Obersimmental nur wenige persönliche Berührungspunkte mit volkstümlichen Traditionen. Auch die Tatsache, dass Mutter Sandra später der Frauenjodlergruppe Echo vom Flösch beitrat und sich hierfür eine Obersimmentaler Tracht anschaffte, konnte daran vorerst nichts ändern. Erst während ihrer Ausbildung zur Damenschneiderin begann sich Céline Hählen für die verschiedenen Facetten der einheimischen Trachten zu interessieren und fand so ganz automatisch auch den Zugang zu den mit dieser Kleidung verbundenen Traditionen. Als die engagierte Frau zudem erfuhr, dass es im Kanton Bern nur noch knapp 30 Trachtenschneiderinnen gibt und viele von ihnen altershalber nicht mehr so aktiv sind, war die nächste berufliche Herausforderung programmiert.
Im August 2012 – direkt nach dem Lehrabschluss – zog die Berner Oberländerin für ein Jahr in den Oberaargau und holte sich im Atelier von Marietta Käser in Wangenried das Rüstzeug als angehende Trachtenschneiderin. Während 1’800 Arbeitsstunden konnte sich Céline Hählen dort vertieft mit der Vielfalt der bernischen Trachten auseinandersetzen, für Kunden allerlei Änderungen und Anpassungen vornehmen sowie bei der Herstellung von Neuanfertigungen mithelfen. Ab Sommer 2013 durfte sie während mindestens 320 weiteren Stunden von zuhause aus erste Arbeiten als Trachtenschneiderin ausführen, welche jedoch von einer diplomierten Trachtenschneiderin noch abgesegnet werden mussten. Zum Abschluss der zweijährigen Weiterbildung folgten ein Fachkurs zum Thema Simmentaler Trachten, ein obligatorischer Kurs zum Thema «Schnittmuster zeichnen» sowie ein Buchhaltungskurs. Damit hatte Céline Hählen ihr Diplom aber noch nicht in der Tasche! Vorher musste sie ihr Können bei einer mehrtägigen Prüfung im Seeland unter Beweis stellen und dort neben praktischen Arbeiten in vorgegebener Zeit auch diverse schriftliche Fragen lösen.
Ein eigenes Atelier
Dank dem Netzwerk ihrer Mutter konnte Céline Hählen schon wärend ihrer Weiterbildung zur Traschtenschneiderin diverse Kunden betreuen und im Sommer 2014 im Dorf Matten ihr eigenes Couture Atelier eröffnen. Zur seither stetig wachsenden Kundschaft zählt auch die vielseitig engagierte Jodlerin und Entertainerin Barbara Klossner, die Céline in den höchsten Tönen lobt: «Für mich ist es wichtig, eine fachkundige Person an meiner Seite zu haben, damit meine verschiedenen Trachten immer gut sitzen und ich stets traditionsgerecht gekleidet bin. Céline gibt mir die nötige Sicherheit und kann mir jedes Problem betreffend Trachten lösen!» Während sich die Berufsfrau im Trachtenbereich an klar reglementierte Vorgaben zu halten hat, kann sie in vielen anderen Arbeiten ihre Kreativität als Damenschneiderin ebenso ausleben. Dazu gehören neben massgeschneiderten Kleidern für Anlässe wie Hochzeiten, Taufen oder Konfirmationen auch allerlei Accessoires, die Céline Hählen unter dem Label «härzbluet» anbietet und bei Bedarf ebenfalls kundenspezifisch anpasst oder herstellt.
Trotz fachlicher Kompetenz auf diversen beruflichen Ebenen und einer gesunden Auftragslage wird sich die junge Unternehmerin in ihrer Branche wohl nie eine goldene Nase verdienen können. Derzeit muss sie noch die Initialkosten von rund 30’000 Franken für Maschinen und Atelierumbau tilgen und in einer Zeit von Zalando & Co. haben massgefertigte Kleider trotz grossen Qualitätsunterschieden heute vielfach fast keine Chance mehr. Vielleicht aber lohnt es sich trotzdem, sich zum Beispiel bei der Suche nach einem neuen Musiktenü einmal bei Céline Hählen oder einem anderen Schneidergeschäft nach den Kosten eines unvergleichlichen Unikats zu fragen. Individuelle Stoffkreationen mit Herzblut sind unter dem Strich nämlich weniger teuer als erwartet!
Zur Person
Geburtsdatum
6. April 1994
Wohnort
Matten bei St. Stephan BE
Zivilstand
ledig, in einer Beziehung
Beruf
Damenschneiderin mit Diplom als Berner Trachtenschneiderin
Hobbys
Kreatives Arbeiten, Velo- und Skifahren sowie seit kurzem auch Singen und Jodeln in der Frauenjodlergruppe Echo vom Flösch
Kontakt
Couture Atelier Céline
Dorfstrasse 23
3773 Matten
Telefon 079 776 11 29
www.atelierceline.ch