Torsten Betschart
Der Innerschweizer Schwinger Torsten Betschart ist auch der Pianist des Handorgelduos Betschart-Müller. Sowohl im Sport wie in der Musik setzt er sich positiv in Szene, wenn auch das Glück bei der Ländlermusik bisher mehr Früchte getragen hat. Neben seinem technischen Beruf hat er ein breites Interesse von klassischer Musik bis zu Philosophie.
23.01.2018 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Mit drei älteren Geschwistern ist der am 24. Mai 1985 geborene Torsten Betschart in Rothenthurm im Kanton Schwyz aufgewachsen. Weil der Kanton Schwyz sicher zu jenen Gegenden gehört, die man für diese Sparten als Wiege bezeichnen darf, war eine der Bedingungen für die positive Entwicklung zum Ländlermusikant und auch zum Schwinger schon mal gegeben. Trotzdem war es eher ein Zufall, der Torsten zum Schwingen gebracht hat. Seine sportliche Laufbahn begann er nämlich im Nationalturnen an seinem Wohnort. Weil der Trainer der Buben seinen Job aufgab und kein Nachfolger zur Verfügung stand, musste sich auch Torsten nach einem Ersatz umsehen. Im nahen Einsiedeln trat er deshalb ohne Vorkenntnisse und Ambitionen in den Schwingklub ein, was seinen Vater als erklärten Schwingerfan besonders freute. Da Torsten also von Anfang an nicht mehr Nationalturner war, zählt er auch heute noch zur Kategorie der Sennenschwinger.
Verschiedene Musikwelten
Von der dritten Klasse bis ins Gymnasium besuchte Torsten den Klavierunterricht an der Musikschule, wo seine Liebe zur klassischen Musik geweckt wurde. Russische Pianisten wie Rachmaninov, Richter, Horowitz oder Kissin beeindrucken ihn. Besonders hoch im Kurs steht bei ihm zurzeit Andràs Schiff, den er nicht nur im Konzert gehört, sondern der ihm mit seinen Erläuterungen einen tieferen Zugang zu Beethovens Musik ermöglicht hat. «In der klassischen Musik kann man immer wieder neue Facetten entdecken. Es hört nie auf, sie ist unerschöpflich!», sagt Torsten Betschart mit sichtbarer Begeisterung. Ebenso kann er sich aber auch für andere Musik begeistern, besonders natürlich für gute Ländlermusik. Schon im Bubenalter begleitete er seine Mutter und seinen Bruder Tobias zu entsprechenden Anlässen. Zu ihm hatte Torsten schon immer einen guten Draht und vieles haben die beiden schon in der Kindheit miteinander kennengelernt. Im Duo mit Akkordeon und Klavier haben sie an diversen Jungmusikantenwettbewerben – beispielsweise an der Steiner Chilbi und am Schweizerischen Jungmusikantenwettbewerb – teilgenommen.
Musikalische Vorbilder als Klavierbegleiter sind für ihn etwa Franz Mettler (HD Betschart-Rogenmoser), Peter Flück (Toggeburgerbuebe), Claudio Gmür, Fredy Reichmuth, Ueli Stump und auch Marion Suter, in deren Nachbarschaft er aufgewachsen ist. «Marion hat es absolut richtig gemacht», erklärt er. «Wenn du in der Musik ganz nach oben willst, musst du sehr früh damit anfangen und dich dann voll und ganz dafür entscheiden!» Auch er stand schon früh auf der Bühne, als er zusammen mit seinem Bruder Tobias zunächst die Kapelle «Betschart-Bausch» und dann ab 2004 «Betschart-Müller» bildete. Ab und zu sieht man ihn als Aushilfe bei anderen Kapellen wie beispielsweise «René von Rotz» oder «Gebrüder Kallen» (Heirassa-Festival 2017). In neuerer Zeit ist durch eine PR-Geschichte für das Jubiläum 125 Jahre Schwingerverband eine Kapelle ausschliesslich mit schwingenden Musikanten entstanden. Dieses Echo vom Eichenlaub mit den Gebrüdern Nötzli, Adelbert Gisler und Torsten Betschart tritt seither sporadisch auf. Torsten sagt: «Mir gefällt praktisch jede Musik, wenn sie sauber und gepflegt in ihrem Stil gemacht wird und nicht nur die ‹Versauglattisierung› im Vordergrund steht!» Den Trend, in welchem die Musik nur noch den Zweck des Anheizens einer lauten Stimmung bezweckt, ist ihm zuwider. Für ihn ist eine gute Stimmung nicht dann, wenn das Publikum lauter als die Musik ist, sondern wenn Gemütlichkeit und Zufriedenheit aufkommen. «So war es früher beispielsweise an der Steiner Chilbi, wenn man morgens um 2 Uhr in den Löwen ging und dort das Echo von Adelboden spielte!»
Handorgelduo und Veränderungen in der Schwingerlaufbahn
Torsten schätzt sich glücklich, dass er solche Abende mit seinen Musikkameraden heute aktiv erleben darf. Aber er geht auch gerne als Zuhörer an jene Orte, wo diese Tradition gepflegt wird. Und genau diese Musik hat das Handorgelduo vor zwei Jahren auf der CD mit dem Titel «Diverses» festgehalten. Die 20 Titel sind denn auch eine Spezialitäten-Auswahl von Kompositionen einschlägiger Komponisten von Adolf Rogenmoser über Köbi Buser, Walter Seewer, Albert Lüönd bis zu Franz Feierabend und Thuri Brügger, um nur eine Auswahl zu nennen. Klares Zentrum aber bilden die vier Titel von Alois Betschart dar, was deshalb naheliegend ist, weil «S’Pitschä Wysel» der Grossvater von Tobias und Torsten war. Er ist mit seinem Einfallsreichtum und seinem ausdrucksvollen, runden Spiel heute noch
Vorbild für viele Akkordeonisten. Die vier Musikanten, zu welchen neben den Brüdern Betschart der Akkordeonist Urs Müller und der Bassist Peter Marggi gehören, zeichnen sich durch Genaugkeit im Zusammenspiel wie in der Kompositionstreue aus. «Es gibt so viele neue – auch schlechte – CDs», erklärt Torsten, «die natürlich alle um das gleiche Publikum buhlen. Dabei werden immer wieder neue Kompositionen vorgestellt. Wir haben uns darauf festgelegt, Ländlermusik aus den 1960- bis 1980er-Jahren zu erhalten in der Absicht, dass diese wunderbaren Titel nicht verloren gehen!» Ausserdem wisse man ja nie, wie lange die Formation noch zusammenspielen kann. Diese Aussage erhält noch mehr Gewicht, wenn man sieht, wie weit voneinander entfernt die vier Musikanten leben. Tobias wohnt in Laufenburg, Urs in Emmen, Peter in Bennau und Torsten wochentags in Döttingen und an Wochenenden in Giswil!
Wie schnell sich Veränderungen einstellen können, kennt Torsten aus eigener Erfahrung im Schwingen. Wie schon beschrieben, kam er seinerzeit «wie die Jungfrau zum Kinde» im Alter von zwölf Jahren zum Schwingsport, als es im Nationalturnen keine Beschäftigung mehr gab. «Ich wusste beim ersten Training nicht einmal, wie man richtig hinstehen muss», lacht er. Gelernt hat er es trotzdem und so langsam stellten sich erste Erfolge ein. Er bekam ein Gefühl dafür, wie er seine Gegner anpacken muss, und wusste bald, dass er mit dem «Churz» und «Schlungg» am besten zum Ziel kommt. 2013 verletzte er sich an der Schulter, was ein Jahr später zu einer Operation führte. Mit viel Krafttraining und Velofahren hielt er sich fit und versuchte dann 2016 den Wiedereinstieg. Nachdem dieser am Frühjahrsschwingen in Ibach gelungen schien, war es schon am nächsten Schwingfest in Muothatal wieder vorbei. «Es ist nicht eine mentale Sache! Das tut schlicht und einfach weh, was für das Schwingen nicht gerade hilfreich ist!» Nun will Torsten in diesem Jahr entscheiden, ob es für ihn eine weitere Schwingerkarriere geben wird oder ob er mit seinem aktuellen Kranzspiegel mit eidgenössischem Kranz, deren sieben von Teilverbandsfesten, zwei von Bergschwingen und 13 von Kantonalschwingen, zufrieden sein muss.
Denker mit Doktortitel
Dass Torsten nicht nur einer ist, der persönlich anpackt, sondern auch geistig fit ist, beweist seine hohe berufliche Ausbildung zum Maschinenbauingenieur ETH mit Doktortitel. Als solcher arbeitet er beim Kernkraftwerk Beznau im Gebiet der Anlagensicherheit. Dies erforderte seine Wohnsitznahme im nahen Döttingen. Da Ehefrau Andrea Burch eine ebenso interessante Arbeitsstelle als Englischlehrerin an der Berufsschule in Stans bekam und sie ohnehin eine Wohnung in Giswil besassen, musste sich das Ehepaar dazu entschliessen, während der Woche eine Fernbeziehung zu leben. Da die beiden keine Kinder haben, konnten sie diesen Kompromiss eingehen, der ihnen auch einen gewissen Freiraum für weitere Leidenschaften gibt. Deshalb hängen an den Wänden der Wohnung selbstgemalte Bilder von Andrea und auf einem Regal liegt eine angefangene Holzschnitzerei von Torsten. Neben seinen sportlichen Aktivitäten ist das Lesen eine weitere Passion. Besonders interessiert er sich für Philosophie. «Je länger ich mich mit diesem Genre beschäftige, umso mehr kann ich die sokratische Weisheit nachvollziehen: Ich weiss, dass ich nichts weiss!» Weiter interessiert er sich auch für Politik, wobei nicht die Tagespolitik an sich im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Hintergründe, weshalb und wie Entscheide entstehen. Natürlich macht er sich auch seine Gedanken zur Volksmusik oder zum Schwingsport. In beiden Gebieten stört in beispielsweise, dass man sehr oft das Wort «heute» an Stellen einsetzt, wo es einfach nicht stimmt. Wenn man sagt, dass heute der Schwingsport professioneller sei, dass heute die Musikanten wegen besseren Ausbildungsmöglichkeiten bessere Musik machen, so sei das doch nur sehr bedingt so.
Die inhaltlich interessanten Kompositionen, die wirklich schönen Tänze gibt es nicht nur seit heute, sondern im Gegenteil dazu bereits seit den 60er Jahren oder gar noch früher! «Oder hat denn ein Schwingerkönig in den Nachkriegsjahren schlechter geschwungen, als ein heutiger?» Man sollte mit solchen Aussagen vorsichtiger sein, denn nebst der Tatsache, dass man Unwahrheiten verbreitet, würdigt man auch die Leistungen der früheren Exponenten herab. Ebenso stört sich Torsten Betschart an der Aussage, dass der Schwingsport heute nicht mehr so traditionsverbunden sei. «Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun», erklärt er. «Wenn jemand zum Beispiel im Schwyzer Talkessel aufwächst, lebt er automatisch näher an der volkstümlichen Tradition als einer, der aus der Stadt Basel stammt – ob er jetzt ein Schwinger ist oder auch nicht!» Natürlich hat der Schwingsport aus seiner Geschichte heraus viel mit Tradition zu tun. Verändert aber habe sich mit dem Interesse der Medien das Publikum. «Wir haben das gemerkt, als plötzlich die jungen Frauen an Schwingfeste kamen», sagt er schalkhaft. Aus den Schwingfesten, die durchaus auch traditionelle Teile aufweisen, sind nun halt Events geworden, an denen man dabei sein muss. Das sind dann jene Feste, an denen plötzlich ein Edelweisshemd und Chüeligurt am sonst üblichen T-Shirt oder Hemd mit Kravatte zu sehen ist. «Jeder darf halt auch mal das Gefühl von Swissness spüren!» Ernsthafter ärgert es ihn, dass durch diesen Populismus immer mehr selbsternannte sogenannte Fachleute auftreten, deren lautstarke Meinungsäusserung für die Sache nicht gut ist. Das gilt übrigens nicht nur für den Schwingsport, sondern auch für die Volksmusik. Und zum Schluss dieses Kapitels sagt Torsten: «Schliesslich heisst das Eidgenössische Schwingfest gleichzeitig immer auch noch Älplerfest!»
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Torsten Betschart
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