Urchig und ohne Firlefanz
Seit einem halben Jahrhundert treten die Schwyzerörgeler Fredy und Seppi Hess aus Küssnacht gemeinsam auf und bereiten mit ihrer Musik im ganzen Land viel Freude. Die Hess-Buebe und ihre Bassistin Jrène Wallimann sind aber nicht nur auf dem Giigebänkli beliebt, sondern werden von vielen Musikkollegen auch als treue und interessierte Zuhörer im Publikum geschätzt.
23.05.2017 | VON STEFAN SCHWARZ
Fredy und Seppi Hess wuchsen zusammen mit vier Schwestern und vier Brüdern auf dem Hof Hinterlangegg auf einer Anhöhe oberhalb von Küssnacht am Rigi auf. Die Freizeit der zehn Kinder war geprägt von den anfallenden Arbeiten, die ein Landwirtschaftsbetrieb mit sich bringt. An den Mittwochnachmittagen oder während den Sommerferien war es somit eine Selbstverständlichkeit, dass die Jungmannschaft fleissig mit anpackte, wenn es Äpfel aufzulesen, Kirschen zu pflücken oder Heu einzutragen galt. Ein besonderer Höhepunkt der Woche war jeweils das Radio-Wunschkonzert vom Montagabend, zu welchem sich meist die ganze Familie versammelte. Fredy und Seppi sassen manchmal sogar auf dem Tisch, um die Ohren möglichst nahe beim Lautsprecher platzieren und die Volksmusikklänge ganz direkt und aus nächster Nähe verfolgen zu können.
Vater Hess war selber ein grosser Ländlermusikfreund und hätte gemäss seinen Söhnen für ein paar Takte Musik wohl das Örgelikistli eines jeden Musikanten bis zuoberst auf die Rigi getragen. Umso erfreuter war er, als er bei Fredy, Seppi
und Hans das Interesse für die Ländlermusik erkennen konnte. Deshalb stand nämlich eines Tages ein 8-bässiges Stöpselbass-Örgeli in der Wohnstube, das von den interessierten Hess-Buebe sofort in Beschlag genommen wurde. Auch wenn die finanziellen Mittel knapp waren und Vater Hess für die Beschaffung weiterer preiswerter Instrumente gar manches Telefonat führen musste, standen den Buben eines Tages drei Örgeli zur Verfügung.
Selbststudium und ein unerwarteter Fernsehauftritt
Musiklehrer oder Noten waren zu jener Zeit kein Thema. Die 10-, 7- und 6-jährigen Buben suchten sich anhand gehörter Wunschkonzert-Melodien die ersten Stücke wie «Uf em Tätschlibode» von Rees Gwerder zusammen. Später lernten sie ihre Stücke ab kleinen Single-Plättli und eines Tages wurde dann ein Kassettengerät zur Hilfe genommen. «Was wir uns mühsehlig in vielen Jahren Selbststudium nach bestem Wissen und Gewissen erarbeiten mussten, können aktuelle Jungmusikanten dank anderer Ausbildungsmöglichkeiten heute in wenigen Monaten erreichen», sinnieren die Hess-Buebe rückblickend. Trotz dieser nicht ganz optimalen Startvoraussetzungen machten die drei jugendlichen Schwyzerörgeler aus Küssnacht sehr bald positiv auf sich aufmerksam. Ihre Einlagen bei Hochzeiten oder Jodelkonzerten waren sehr gefragt, obgleich aufgrund des Alters die nachfolgenden Stunden mit Tanzmusik noch nicht selber bestritten werden durften.
Unterwegs mit ihrem Vater gehörten die Schwyzerörgeli stets zur Standardausrüstung. So auch 1969 an der OLMA in St. Gallen. Um einen Landmaschinenverkäufer möglichst positiv zu stimmen, liess Vater Hess seine drei Buben beim Stand fröhlich aufspielen. Unter den Zuhörenden befand sich ein elegant gekleideter Mann, der die Kinder bat, noch einen Moment hier zu bleiben und später für ihn nochmals zu spielen. Nach kurzer Zeit erschien eine ganze TV-Equipe und zeichnete die Musik der ganz unbeschwert und ohne Tenü aufspielenden Hess-Buebe für die Sendung «Für Stadt und Land» auf. Der elegante Herr war übrigens der legendäre TV-Ländlerpapst Wysel Gyr, den die drei Hess-Buebe zu jener Zeit natürlich noch nicht gekannt hatten.
«Hochzeiten waren früher noch volkstümlich und es wurde überall urchig ‹bödelet u g’cheibet›!»
Erfolgreich auf der Piste
Nach ein paar Jahren zog sich Bruder Hans aus der Kapelle zurück und die Hess-Buebe traten nach der Schulzeit mit diversen Aushilfsbassisten auf. Ab 1977 gesellte sich mit Hans Zwyer ein fester Bassgeiger zu den Brüdern und das Trio entwickelte sich zu einer gefragten Formation. Trotz Zentralschweizer Herkunft und diversen persönlichen Kontakten zu den damaligen Koriphäen
der Innerschweizer Volksmusikszene, liessen sich die Hess-Buebe auch von der boomenden Berner Örgeliszene beeinflussen. So vermischten sich im Repertoire die markanten Tänze des legendären Schwyzerörgeliduos Kappeler-Gasser und die lieblichen Melodien von Hausi Straub mit urchigen Titeln von Rees Gwerder oder den Druosbärg-Büeble. Und weil all die bekannten Grössen von damals auf ihren Tonträgern stets mit Eigenkompositionen aufwarteten, kreierten auch Fredy und Seppi Hess alsbald die ersten eigenen Titel und verliehen ihren Programmen damit ein zusätzliches Erkennungsmerkmal. Mit grossem Erfolg, denn die Hess-Buebe durften in den besten Zeiten mit ihrer Musik jährlich über 150 Auftritte bestreiten. «Damals gab es noch weniger Formationen und die Bude war immer voll», berichtet Seppi von den unvergessenen 1980er-Jahren und sein Bruder Fredy ergänzt: «Auch die Hochzeiten waren damals noch volkstümlich und es wurde überall urchig ‹bödelet u g’cheibet›!»
Im Vergleich zu heutigen Tanzveranstaltungen oder Konzertauftritten von meist maximal vier Stunden Spieldauer, musste damals oftmals ein regelrechter Marathon bestritten werden. Nicht selten begann ein Festanlass bereits am Nachmittag um 14 Uhr und endete erst am darauffolgenden Tag in den frühen Morgenstunden. «Wenn es gut ging, gab es dazwischen mal eine Pause, wo man kurz Znacht essen konnte», erinnern sich die Hess-Buebe und sind schon ein wenig stolz, dass man dank immensem Repertoire auch während eines über 12-stündigen Einsatzes kein einziges Stück repetieren musste. Schon damals war in etwa jeder zweite Titel eine Eigenkomposition von Fredy oder Seppi und das ist bis heute auch so geblieben. Punkto Menge und Dauer geht es bei den Hess-Buebe jedoch längst etwas ruhiger zu und her. Die aktuell rund 50 Auftritte pro Jahr dauern nur noch in Ausnahmefällen mehr als vier Stunden.
Wechsel an der Bassgeige
Ab 1986 gesellte sich noch einmal Hans Hess zu den Hess-Buebe und übernahm auf das Drängen seiner Brüder hin für rund vier Jahre vorübergehend den frei gewordenen Platz an der Bassgeige. Anschliessend fand man im damals erst 10-jährigen Benno Portmann einen äusserst talentierten Jungmusikanten, der bei den Hess-Buebe in der Folge während 14 Jahren erfolgreich für das musikalische Fundament zuständig war. Weil sich Benno ab 2005 aber lieber selber dem Örgeli zuwenden wollte, motivierte er die gelegentliche Aushilfe Jrène Wallimann zum fixen Einstieg bei den Hess-Buebe. Die leidenschaftliche Musikantin, die schon als Kind fasziniert die Kassettli der Hess-Buebe verinnerlicht hatte, liess sich nicht zweimal bitten und ist seither ein wesentlicher Bestandteil des Schwyzerörgeli-Trios Hess-Buebe. «Jrène steht nicht einfach nur am Bass», sind sich Fredy und Seppi einig: «Sie beeinflusst unser Tun mit ihren Kontakten und dem administrativen Engagement äusserst positiv!» Auch musikalisch bringt sich Jrène gerne ein, diskutiert bei Entscheidungen aktiv mit und weiss mittlerweile bestens mit den Eigenheiten der beiden Hess-Brüder umzugehen: «Ich bin sehr stolz, ein Teil dieser legendären Formation sein zu dürfen!»
Nicht nur das gemeinsame Musizieren schweisst das Trio zusammen. Fredy, Seppi und Jrène geniessen nämlich regelmässig und voller Freude Auftritte von befreundeten Formationen. Fast wöchentlich wird individuell oder auch im ganzen Trio irgendwo ein Konzert besucht, wo das Können der Kollegen mit gespitzten Ohren und wachem Blick genaustens verfolgt wird. «Diese Wertschätzung gegenüber unseren Kollegen ist uns sehr wichtig», ist sich das Trio einig und freut sich umgekehrt natürlich auch, wenn es im Publikum aktive Musikanten erspäht.
Schuster bleib bei deinen Leisten
Früher liessen sich die Hess-Buebe von den Konzertbesuchen wesentlich mehr beeinflussen und übten manchmal ein beeindruckendes Läufli oder eine andere festgestellte Besonderheit noch spät nachts nach der Heimkehr für sich selber. Mittlerweile bleibt es meistens bei der grossen Hochachtung vor dem virtuosen Spiel von Ausnahmekönnern, die man nicht so ohne weiteres kopieren kann. Die Hess-Buebe können sich selber und ihre spielerischen Möglichkeiten nämlich sehr gut einschätzen und stellen ihr Repertoire auch mit entsprechenden Titeln zusammen. Dadurch entsteht dank seriöser Vorbereitung bis zum heutigen Tag eine schnörkellose und runde Musik, die seit einem halben Jahrhundert immer wieder von Neuem zum Geniessen, Mitwippen und Tanzen anregt. Eine klingende Auswahl daraus haben die Hess-Buebe zu ihrem 50-Jahr-Jubiläum auf einem neuen Tonträger veröffentlicht. Das bunte Programm umfasst 18 neue typische Eigenkompositionen von Fredy und Seppi Hess, deren bestens aufeinander abgestimmtes Örgelispiel von Jrène Wallimann am Bass passend abgerundet wird.
CD zum Thema
Fredy Hess
Wohnort
Küssnacht
Zivilstand
ledig
Beruf
Der gelernte Schreiner wirkt seit 25 Jahren als selbständiger Örgelibauer und widmet sich heute vorwiegend der Restauration alter Instrumente.
Andere Aktivitäten
Fredy verfolgt gerne allerlei sportliche Ereignisse, liest und sammelt Witze und lädt mindestens einmal pro Woche in seine Werkstatt zu einem ungezwungenen Örgeliabend ein. Früher war er unter anderem ab und zu auch mit Richi Rogenmoser oder gemeinsam mit Sepp Imhof und Doris Lüthi musikalisch unterwegs.
Seppi Hess
Geburtsdatum
28. November 1957
Wohnort
Küssnacht
Zivilstand
Verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.
Beruf
Der Verkäufer arbeitet seit jeher in der Lebensmittelbranche und ist heute vorwiegend im Büro tätig.
Andere Aktivitäten
Seppi schwimmt im Sommer fast täglich im nahen See und hält seine gesundheitlichen Probleme mit regelmässiger Fitness in Schach. Seit 39 Jahren gehört er der Trachtenmusik der Trachtentanzgruppe Baar an und besucht jeden Montagabend die Probe. Zudem leitet er seit fünf Jahren die Wagenmöösler Chlottermusig, welche ebenfalls wöchentlich probt und einmal pro Monat zu einer Stubete einlädt.
Jrène Wallimann
Wohnort
Meierskappel
Zivilstand
Verwitwet
Beruf
Die kaufmännische Angestellte arbeitet Teilzeit bei der Zuger Polizei.
Andere Aktivitäten
Jrène spielt gerne Schwyzerörgeli und ist mit diesem Instrument auch ab und zu an einer Stubete anzutreffen. Daneben hütet sie Kinder oder ist in den Bergen unterwegs. Früher war die eifrige Musikantin beim Trio Chrummhorn, beim Echo vom Hittlidach sowie beim LQ Adlergruess mit von der Partie.