50 Jahre Jodlerklub Bergfinkli Grabs
Seit 50 Jahren wird im St. Galler Rheintal das Vortragen von Naturjodelmelodien gepflegt. Verantwortlich für diesen in vorgenannter Region eher unüblichen Brauch sind die Gründer des Jodlerklubs Bergfinkli Grabs, die in Sachen Gesang und Tenü gerne in die toggenburgische Nachbarschaft schielten.
23.5.2017 | VON RUEDI ROTH
Jodelvereine in hellgelben Trachtenwesten sind nicht alltäglich in der Schweizer Jodelszene. Die fein und farbenreich bestickten «Fuetterschlotte» der Grabser Jodler präsentieren sich besonders auffallend und der darunter sichtbare, beschlagene Hosenträger deutet auf die Herkunft rund um den Alpstein hin. Allerdings waren die wackeren Mannen in ihren Anfangsjahren nicht mit diesem Kleid bestückt. In zivilen dunklen Hosen und mit weissen Hemden bestritten die «Bergfinkli» am 1. August 1968 auf dem Marktplatz in Grabs den ersten öffentlichen Auftritt. «Einen Hosenträger – wie im Toggenburg und Appenzellerland üblich – besassen in der Region um Grabs nur wenige Leute. Doch dies wollten wir unternehmungslustigen Jodler ändern und baten das Gewerbe von Grabs und Umgebung sowie das Gemeinwesen um diesbezügliche Unterstützung», erinnert sich das heute noch aktive Gründungsmitglied Adam Gantenbein (73). Tatsächlich konnte für jene 15 Mitglieder damals eine einheitliche Tracht angeschafft werden, was doch einige grosszügige Spenden nach sich gerufen hatte. Beschrieben wurde das Tenü damals wie folgt: Braune Hose, Chüelihemd, Herzstümper, schwarze Sennenplüschweste und Sennenschuhe.
Erste Unterhaltungsabende
Im Saal des Restaurants Mühle in Grabs wurden im Oktober 1969 die ersten Unterhaltungsabende durchgeführt. Nebst Jodelvorträgen wurde ein Theaterstück eingeübt und die Sache erfuhr in der einheimischen Bevölkerung eine gefreute Resonanz. Diese ist bis jetzt ungebrochen und die Grabser beweisen Konstanz mit der alljährlichen Organisation eines eigenen Jodlerabends in der grossen Mehrzweckhalle. So fanden sich beim diesjährigen Jubiläumsabend über 1’000 Gäste ein, was doch von grosser Wertschätzung des einheimischen Jodelgesangs in der Region zeugt. «Gewiss sind diese Anlässe mit immenser Arbeit verknüpft. Wir führen die Bewirtung der Gäste selbst, was natürlich das Involvieren unserer Frauen und etlicher befreundeter Helferinnen und Helfer nach sich zieht», resümiert Präsident Hans Vetsch (63). Er amtet seit 1999 in dieser Funktion und ist erst der vierte Hauptverantwortliche beim 50-jährigen Klub. Nicht viel weniger beständig sind die Rheintaler auch in der Anstellung von Dirigenten. Mit dem landesweit bekannten Jodeljury-Ausbildner Timo Allemann – im Amt seit 1997 – leitet erst die fünfte Person die musikalischen Geschicke im Leben der Grabser Jodler.
Seinen Ursprung hatte der Grabser Jodelgesang laut Gründungsmitglied Adam Gantenbein schon mehrheitlich im benachbarten Toggenburg. Der dort schon länger praktizierte Brauch schwappte unentwegt über Wildhaus in die Region Grabs/Grabserberg und fand dort Gefallen. Die Verbindung zeigt sich auch mit ähnlicher Vereinsbekleidung. Zudem kann die Landwirtschaft am grossflächigen Grabserberg durchaus mit jener im Toggenburg verglichen werden. Bei der ersten Gesangsprobe des «Bergfinkli» im alten Schulhaus Grabserberg bestand nämlich mehr als die Hälfte der sangesfreudigen Männer aus Landwirten. Laut Protokoll waren aber auch ein Revierförster, ein Bankbeamter, ein kaufmännischer Angestellter, ein Zugführer und Männer aus anderen Berufsgattungen gewillt, den Jodelgesang in der Umgebung zu festigen. Wie vielerorts üblich, übernahm auch in Grabs ein Primarlehrer die Pionierarbeit als Dirigent. Mit Florian Rutz aus Furna-Dorf wagte der Klub 1970 eine erste Teilnahme an einem Jodlerfest. In Amriswil wurde die unerfahrene und junge Truppe mit der Darbietung «Alpzyt» von Emil Herzog von der Jury als befriedigend eingestuft. Langsam, aber stetig, steigerten sich die Rheintaler in den folgenden Jahren bezüglich Qualität ihrer Vorträge. In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1978 steht zu lesen, dass 1974 in Schaffhausen bereits die zweitbeste Klasse erreicht worden sei. 1977 sei es dann tatsächlich gelungen, in die erste Klasse vorzustossen. Hauptverantwortlicher hierfür war der damals dirigierende Walter Holderegger aus Vilters. Mit dessen umfassender Erfahrung und seinem unbestrittenen Können legten die Rheintaler in gar mancher Hinsicht den Grundstein für gepflegten Gesang.
Naturjodel und ein sicherer Vorjodler
«Bergfinkli» als Klubname wurde bei der Gründung 1967 ziemlich einstimmig festgelegt. Zu begründen sei dies mit dem jugendlichen Klang der Stimmen, wie es in einer Anekdote des Grabser Protokolls heisst. Bereits in den Anfangsjahren des Jodelvereins schielten die Rheintaler nicht ungerne ins Toggenburg und wagten sich auch hie und da, das Programm mit einem Naturjodel von dort zu bereichern. So richtig in Fahrt kam diese Tradition aber erst mit dem monatlich einmaligen Erscheinen des bekannten Dirigenten und Komponisten Hans Müller-Luchsinger im Jahr 1976. Jetzt wurde der spontane Chorklang zur Begleitung eines Naturjodels eingehend geübt. Diese Vortragsart ist bis heute ein fester Bestandteil der «Bergfinkli» geblieben und zeigt die Verbundenheit mit der Region rund um den Säntis. Auf dem brandaktuellen Tonträger sind neben Jodelliedern sowohl Zäuerli als auch Toggenburger Naturjodelmelodien vertreten.
Ein sicherer Vorjodler mit auffallender Stimme kann einem Jodelverein enorm viel bringen. Es war ein Glück für die Grabser, dass sich mit Walter Vetsch 1977 ein solcher Protagonist zu ihnen gesellte. Der bis dahin in Rorschach und Sevelen tätige Jodler brachte mit seiner Routine neuen Schwung zu den sennischen Rheintalern. Walter kannte sich aus im Vortragen eines Naturjodels und konnte mit seiner tonsicheren Stimme mühelos die höchsten Jodeltöne erklimmen. Im Zusammenspiel mit dem standhaften Chorklang der Grabser erwies sich die Truppe alsbald einmal als gefragte Formation. Bis heute geniessen sie in Jodlerkreisen ein gutes Ansehen und sind weitherum bekannt. Walter Vetsch trat während vieler Jahre auch im Duett auf. Mitbeteiligt waren die Vereinskameraden Andreas Vetsch als Gesangspartner und Hans Vetsch als instrumentaler Begleiter. «Wir traten 25 Jahre lang auf in dieser Formation. Doch wir stellten das Mitwirken beim Bergfinkli immer an erste Stelle», hält Präsident Hans Vetsch klar fest. Die drei vom Jodelvirus befallenen Männer stellen auch heute noch wichtige Standbeine im Leben des Jodlerklubs im St. Galler Rheintal.
Traditionen wahren
Die Nachfrage bezüglich Repertoire bringt es deutlich zutage: Die Grabser fühlen sich der Tradition verpflichtet und bleiben dem echten Jodelgesang treu. «Ein Dirigent hat natürlich auch immer Einfluss auf das Gesangsprogramm seiner Mitstreiter. So hat zum Beispiel Ruedi Helg aus Goldach während der Jahre 1985 bis 1994 den Fokus auf die Lieder von Adolf Stähli gerichtet», erinnert sich Präsident Hans Vetsch an jene Zeiten. Diese Kompositionen hätten damals ausgezeichnet zum Gesangsstil der Grabser gepasst. Die neu erschienene CD zeigt eine enorme Vielfalt an bevorzugten Titeln der heutigen Klubmitglieder. Da sind sowohl überlieferte wie auch in neuerer Zeit komponierte Naturjodelmelodien zu hören. Bezüglich Lieder wurden Melodien aus der ganzen Schweiz auf dem Tonträger festgehalten. Die Komponisten Hannes Fuhrer, Josef Dubach, Sepp Herger, Adolf Stähli und Fred Kaufmann sind nur einige von ihnen. Die Mitglieder des «Bergfinkli» Grabs sind fleissige Besucher von Konzerten anderer Jodelformationen. «Da hören unsere Leute vielleicht einen Titel, der sie anspricht und schlagen diesen dann an einer Probe vor. Nicht selten wird dann in einer Diskussionsrunde diesem Wunsch entsprochen», erzählt Hans Vetsch zum Thema Repertoire.
«Die junge Generation bringt neuen Wind in den Verein!»
Keine Nachwuchssorgen
22 Mitglieder zählt der Grabser Jodlerklub heute. Noch nie waren es soviele und natürlich freut sich der Verein darüber, dass in letzter Zeit diverse Neueintritte zu verzeichnen waren. «Ja, es macht Spass zu sehen, mit welchem Eifer und Interesse die jungen Leute dem Jodelgesang zugetan sind. Es ist aber auch interessant zu spüren, wie eine neue Generation mit ihrer der Zeit angepassten Umgangsform neuen Wind in den Verein bringt», schmunzelt der rührige Präsident Hans Vetsch. Viele Jahre sei der Jodlerklub in nur unwesentlich veränderter Besetzung aufgetreten und das Führen des Vereins sei tatsächlich weniger aufwändig gewesen als heute. Mediale Technik, neue Regeln bei Anlässen und natürlich auch eine höhere Mitgliederzahl mit zusätzlichen Meinungen bedinge oftmals bessere Vorbereitungen als in früheren Jahren.
Der Elan der Grabser ist bei einem Treffen mit ihnen gut spürbar. Sie legen auch grossen Wert auf Aktivitäten innerhalb der Gemeinde. Die jährlichen Auftritte im Pflege- und Altersheim, die alljährlich durchgeführte Älplerchilbi auf der Alp Gamperfin und das Mitwirken am Bauernabend sind nur einige von ihnen. Fast ausnahmslos wirken die Mitglieder des «Bergfinkli» an den im Dreijahresrhythmus organisierten Naturjodelkonzerten Appenzell/Toggenburg mit, besuchen jeweils das Nordostschweizerische und das Eidgenössische Jodlerfest und begeben sich in einem festfreien Jahr mit den Ehefrauen und Partnerinnen auf eine Jodlerreise. «Ja, es läuft immer etwas und ich freue mich jeden Mittwoch auf den Probeabend mit den Kameraden», versichert Präsident Hans Vetsch überzeugend. Dann findet eben ein Zusammentreffen von Leuten statt, deren Stimmen seit einem halben Jahrhundert wie «Bergfinkli» ertönen!
Aktuelle CD
Jodlerklub Bergfinkli Grabs
Hans Vetsch, Präsident
Kirchgasse 21
9472 Grabs
Telefon 081 771 38 83
www.bergfinkli.ch