50 Jahre Kapelle Toggeburgerbuebe
Handorgelduette sind beim Publikum der Schweizer Volksmusikszene seit den 1950er-Jahren beliebt. Einzelne haben es zu grosser Popularität gebracht. Dazu gehört auch die Kapelle Toggeburgerbuebe mit den beiden Handörgelern Walter Betschart und Toni Nauer. Die Formation hat viele Erfolge gefeiert, aber auch Stürme überlebt. Jetzt feiert sie ihren 50. Geburtstag.
23.03.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Hinter Musikformationen stehen Menschen, die als Musiker in einem Bereich zusammenarbeiten, in welchem Emotionen eine Notwendigkeit sind. Da diese aber auch in allen Teilen ihre Wirkung haben, kommt es manchmal zu Personalwechseln. Das hat es auch bei den Toggeburgerbuebe gegeben. Dass Walter und Toni noch heute miteinander musizieren und auch ihre Freundschaft pflegen, ist nicht selbstverständlich und deshalb hoch einzuschätzen. Sie hatten immer die gemeinsame Liebe zur gleichen Musikart, der runden, tänzigen Ländlermusik, die immer wieder auch Konzertcharakter hat. Der Treue zu ihrem Stil ist es aber auch zuzuschreiben, dass die Kapelle nach 50 Jahren immer noch auftreten kann.
Walter Betschart
Die Wurzeln des Kapellengründers Walter Betschart liegen in der Zentralschweiz, genauer gesagt in Ingenbohl bei Brunnen, wo er am 26. Dezember 1948 geboren und anschliessend aufgewachsen ist. Als er im Jugendalter stand, zügelte die Familie ins Toggenburg, genauer gesagt in die Gemeinde Brunnadern im damaligen Neutoggenburg, wo sie im Dorfteil Spreitenbach den Gasthof Löwen und einen Landwirtschaftsbetrieb übernahm. Im Löwen kehrten eines Tages ein paar Innerschweizer Handörgeler ein und musizierten. Mit dabei war der damals 14-jährige Willi Valotti, der mit seinem virtuosen Spiel auch Walter Betschart dazu animierte, in Zukunft ernsthafter zu üben! Im Nachbardorf St. Peterzell wohnte der bekannte Ländlermusikant Ueli Martinelli, der Walter schliesslich in die Geheimnisse des runden Handorgelspiels einweihte. Der Löwen wurde zu einem beliebten Treffpunkt für Ländlermusikanten und wurde denn auch zur Geburtsstätte der Kapelle Toggeburgerbuebe.
Als Startschuss für die grossartige Karriere gilt ein Auftritt am Ländlertreffen im Frühling 1967. Zu Beginn war Walter Ammann Betscharts Duettpartner und Hugo Kamm der Mann an der Bassgeige. Ergänzt mit Willi Zimmermann am Klavier hatte das Quartett schnell die ersten Erfolge, die sie bis zu einem Auftritt im Schweizer Fernsehen brachten. Der anfängliche Aufschwung wurde dann aber brüsk gebremst, als Walter Ammann zwei Jahre später nach Australien auswanderte. Nach etwa vier Jahren gemeinsamen Aufbaus musste sich Walter Betschart nach einem neuen,
ebenbürtigen Partner umschauen. In der Zwischenzeit spielte er mit diversen Musikanten, wie etwa mit Sepp Bucheli oder Arthur Prisi. Wenn sich auch verschiedene Musikanten dafür interessierten, war es doch nicht einfach, jenen Partner zu finden, der für den sensiblen Musiker eine passende Ergänzung sein konnte.
Toni Nauer
Es darf als schicksalshaft gesehen werden, dass Toni Nauer damals «in den Startlöchern» stand. Er wurde am 1. November 1948 im ausserrhodischen Heiden geboren. Obwohl er aus einer sehr musikalischen Verwandtschaft stammt – sein Onkel war der in Ländlermusikantenkreisen bekannte Kari Nauer –, wurde sein Wunsch nach einer grossen Handorgel erst im Alter von 20 Jahren erfüllt, als er sich selber eine solche anschaffen konnte. Von der Ländlermusik und insbesondere von der Handorgelmusik war er längst begeistert. Als Walter Betschart einmal mit Ueli Martinelli im Sonnenhügel – dem damaligen Ländlermusiktreffpunkt in Lüchingen, der von seinem Onkel Kari geführt wurde – einen Auftritt hatte, sass auch Toni im Publikum, wodurch das erste Zusammentreffen der beiden zustande kam. Mit viel Interesse und Fleiss lernte Toni Stück um Stück, übte die Läufe, bis sie jene «Ründi» hatten, die er sich vorstellte. Eine seiner damals selber erfundenen Fingerübungen wurde später der grösste Erfolg aus seiner Komponistenmappe: «Bis Jägers Hannes»! Da Tonis Vater und Onkel öfters bei Betscharts im Löwen Spreitenbach zum Jassen einkehrten, erreichte Walter dann auch die Nachricht, dass Toni unermüdlich übte und bereits ein sicheres, virtuoses Spiel beherrschte. Somit war das Zusammenkommen der damals 20-jährigen Musikanten eine logische Folge. Dass sie beide fast genau im gleichen Alter standen und auch als Landwirte den gleichen Beruf ausübten, erleichterte den menschlichen Kontakt.
Die neue Kapelle
Mit ihren Vorbildern wie den Kapellen Echo vom Hemberg, Strebel-Buser, Betschart-Rogenmoser, Bucheli-Della Torre oder einzelnen Musikanten wie Ueli Martinelli, Thuri Brügger, Köbi Buser oder Franz Schmidig hatten Walter und Toni die gleichen musikalischen Ziele. Sie hatten aber beide auch genügend Ideen für eigene Melodien. Da sie ja nicht in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten, organisierten sie den Austausch ihrer Titel mit Tonbandgeräten. So konnte jeder nach eigenem Gutdünken die zweiten Stimmen lernen und das gemeinsame Üben für das Gestalten der Tänze verwendet werden. «Es gibt ja nichts langweiligeres», sagen beide übereinstimmend, «als dem Kollegen zuzuschauen, wie er seine Töne sucht!» So aber konnten sie auch ihren ganz eigenen Musikstil prägen, der als Grundlage für den phänomenalen Erfolg zu sehen ist. Toni ergänzt aber: «Wir müssen auch sehen, dass wir damals in einer sehr glücklichen Zeit für unsere Musik starten konnten!» Die Euphorie war tatsächlich sehr gross. Ländlermusik stand in der Gunst eines grossen Publikums. Die Fernsehsendungen von Wysel Gyr oder auch die Radiosendungen von Roger Thiriet – um nur zwei Namen zu nennen – trugen zur Verbreitung im ganzen Land bei. Es gab auch nur wenige Kapellen, die auf diesem Niveau spielten und der Schallplattenmarkt war entsprechend interessant. «Damals war es möglich, in einem Festzelt 1’000 Leute mit Ländlermusik zu begeistern und sie auch ohne Show und Geschrei zum Tanzen zu animieren», erinnert sich Walter. Das war guter Nährboden für die junge Kapelle, die seit Anbeginn mit einem Kavierbegleiter und Bassgeiger auftrat. Walter und Toni bezeichnen die Pianisten als ihr harmonisches Gewissen, denn diese hatten eine grundlegende Ausbildung in der Musiktheorie. Das wirkt sich besonders bei konzertanten Märschen und Walzern aus, womit jedes Handorgelduett neben den tänzigen Stücken als Pflichtprogramm quasi die Kür bestreitet. Für die Toggeburgerbuebe waren das lange Zeit Peter Flück, dann Franz Mettler und schliesslich Erich Gisler, der heute noch an der Seite des bekannten Bassisten Köbi Schiess für Harmonie und Rhythmik sorgt.
Schallplatten und Fernsehen
In diesen «fetten» Jahren spielten die Toggeburgerbuebe alljährlich an über 100 Anlässen, womit sie ihre Musikkarriere festigten. Als Triebfeder wirkten die Schallplattenaufnahmen. Damals musste man die Gunst eines Musikproduzenten haben, um überhaupt in ein Tonstudio zu gelangen. Für Walter, Toni, Peter und Hugo war es 1971 im Studio Lussi in Basel soweit. René Wicky interessierte sich für diese Musik und bot ihnen die entsprechende Gelegenheit. Daraus wurde eine sehr lange Zusammenarbeit, die in fünf Langspielplatten fruchtete. Eine Folge davon waren mehrere Auftritte in den Medien und Anfragen für Engagements im ganzen Land. Ihr Hauptaktionsgebiet war aber immer die Innerschweiz und das Toggenburg.
Gut 70 eigene Kompositionen wurden auf Tonträgern festgehalten. Viele davon wurden zu veritablen Ländlermusikhits und zu festen Bestandteilen von vielen Repertoires anderer Handorgelduette. Auf die Frage, ob dieser grosse Erfolg auch wirtschaftlich zu spüren war, sagen beide übereinstimmend: «Musikgagen bewegen sich oftmals in bescheidenen Höhen. Aber wir konnten damit unser Hobby finanzieren und auch noch diesen und jenen Rappen für anderes brauchen! Da gibt es ja diverse Kosten, angefangen bei der Anschaffung und Pflege des Instruments, des Musiktenüs und aufgehört bei den Reisespesen. Vergleicht man das beispielsweise mit einem Jodler oder einem Blasmusikanten in einem Verein, die ja auch einen grossen Einsatz leisten und dafür kein persönliches Honorar erhalten, hatten wir es sehr gut. Essenziell ist jedoch nicht der finanzielle Erfolg, sondern die grosse Freude, die wir heute noch beim gemeinsamen Spielen empfinden, und natürlich auch der Zuspruch unseres Publikums!»
Umwege
Zur Geschichte der Toggeburgerbuebe gehört auch jene Zeit, in welcher Walter und Toni getrennte Wege gingen. 1992 war es für die eingeschworenen Fans ein kleiner Schock, als es hiess, dass Walter und Toni nicht mehr zusammen auftreten werden. Es kam damals für beide etwas viel zusammen, was das Fass zum Überlaufen brachte. Walter steht heute dazu, dass er damals etwas zu viel wollte und Toni damit unter Druck setzte. Beide hatten sie neben dem Musikantensein doch auch noch das ganz normale Leben, in welchem sie auch gefordert waren. Mit dem Musizieren aber haben sie nie aufgehört. An Walters Seite spielten während den folgenden sieben Jahren Xaver Kistler und von 1998 bis 2010 die Brüder Werner und Armin Grob. Am Bass stand in jener Zeit Christian Grob. An diese Besetzung erinnert eine weitere CD-Produktion. Eine solche gab es auch von Toni Nauer, der damals mit seinem Cousin Markus Nauer oder mit seinem Bruder Dominik Nauer auftrat. Auf diese Weise konnten sowohl Toni wie auch Walter ihre Fertigkeiten wach halten und auch weitere neue Kompositionen vorstellen. Nach einiger Zeit – Walter war in der Zwischenzeit Wirt im Löwen Brunnadern geworden – konnten sich Toni und Walter wieder freundschaftlich begegnen. Es kam bei den sonntäglichen Stubeten im Löwen wieder zum gemeinsamen Musizieren und dies weckte Erinnerungen an eine lange und gute Zeit. Schliesslich konnten sie im Jahr 2010 unnötige Mauern abreissen und traten auch offiziell unter dem Namen Nauer-Betschart erneut auf. Das Echo war begeisternd und schon bald gab es die neue-alte Kapelle Toggeburgerbuebe mit Walter Betschart, Toni Nauer, Erich Gisler und Köbi Schiess wieder!
Jubiläumsfest
Am 13. Mai feiern die Toggeburgerbuebe in der Biberegg Rothenthurm ihren Geburtstag. Ihrer Art entsprechend verzichten sie aber auf ein grossen Brimborium. «Das würde nicht zu uns und zu unserer Musik passen!» Viel mehr soll es ein Moment des dankbaren Zurückdenkens und ein weiterer gemütlicher Abend mit viel guter Ländlermusik werden. Im hinteren Ende ihres sechsten Lebensjahrzehntes angelangt, fragt man natürlich auch nach der Zukunft. Je älter man wird, umso bedeutungsvoller wird die Gesundheit. Das haben auch die beiden Musikanten erfahren, die doch schon diese und jene «Reparatur» machen lassen mussten. «Solange aber die musikalischen Ideen den Weg vom Hirn in die Finger noch finden, und solange man das alles noch als Qualität verstehen kann, werden wir mit grosser Freude weiter spielen», scherzen die beiden. Die ganze Ländlermusikszene freuts und die vielen Toggeburger-Fans erst recht!
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Walter Betschart
Furtstrasse 41
9125 Brunnadern
Telefon 079 561 04 57
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