90 Jahre Jodlerklub Edelweiss Zofingen
Dass ein Jodlerklub seinen 90. Geburtstag bei derart guter Gesundheit feiern kann, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Geschafft haben das die Jodlerinnen und Jodler des «Edelweiss Zofingen». Von Anfang an stand ein guter Stern über der Sängerschar. Dank sehr guten Sängern, Jodlern, Jodlerinnen und Dirigenten gehört der Chor noch immer zu den besten der Schweiz.
23.11.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Die Anfänge der gut dokumentierten Vereinsgeschichte veranlassen zunächst zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken. Die Abstinenzbewegung, deren Ursprung in Irland und dann in den übrigen nördlichen Staaten liegt, hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. 1877 gründete der Waadtländer Pfarrer Louis-Lucien Rochat das Blaue Kreuz. Ein interessanter gesellschaftlicher Aspekt ist die Tatsache, dass das gemeinsame Singen in fröhlicher Runde, in der Familie, Schule oder auch im Militär einen hohen Stellenwert hatte. Man erkannte offenbar intuitiv, dass Singen den Zusammenhalt fördert. So taten es die Turner, die politischen Parteien, Berufsgruppen und viele mehr. Dass auch der Abstinenzverein in Zofingen sang, ist in diesem Kontext nicht verwunderlich. Vier ganz besonders Interessierte gründeten denn auch das «Abstinenten-Quartett», das bald zum Chörli heranwuchs und nach dem Beitritt des guten Jodlers Walter Plüss im Jahr1926 zur Gründung des Jodlerklubs Alperösli führte. Weshalb bereits zwei Jahre später wieder ein anderer Name – nämlich «Edelweiss – gewählt wurde, ist nicht dokumentiert. Zu vermuten wäre, dass das mit der vollständigen Veränderung vom «Plauschchörli» aus der Zeit des Abstinenten-Vereins zum veritablen Jodlerklub zu tun hatte.
Der Eidgenössische Jodlerverband stand noch in der Pubertät, als der Jodlerklub Edelweiss Zofingen beitrat. Mit Enthusiasmus engagierte sich der junge Klub auch in Verbandsangelegenheiten. 1937 organisierte er das allererste Nordwestschweizerische Jodlerfest in Zofingen. Innerhalb eines regen Vereinslebens stand von Anfang an natürlich der Jodelgesang im Zentrum der Interessen. Neben dem sehr interessierten und talentierten Vorjodler Walter Plüss amteten die ersten Dirigenten Otto Woodtli und ab 1931 Walter Ruesch. Die bald kommenden Kriegsjahre drückten auf die allgemeine Stimmung und machten auch dem «Edelweiss» zu schaffen. Dennoch trat der Klub weiterhin auf und rettete sich durch die Wirren.
Prägende Persönlichkeiten
Man schrieb das Jahr 1938, als Hanni Hostettler und Adolf Bracher in den Chor eintraten und fortan die Jodelstimme führten. Die beiden traten auch erfolgreich als Jodelduett auf und schliesslich wurde aus ihnen ein Ehepaar. Ihr Eintreten in den Klub kann durchaus als schicksalshaft bezeichnet werden, denn die Familie Bracher spielt bis heute eine wichtige Rolle bei den Edelweisslern. Zusammen mit dem Dirigenten André Schoch legten sie neue Grundmauern für den Fortbestand des Vereins sowie das qualitativ hochstehende Singen und Jodeln. Sie machten den Klangkörper zu einem Gebilde, das auch ausgewiesene Fachleute interessierte. Die landesweit bekannten Komponisten Max Lienert und Emil Herzog führten später das musikalische Szepter. Leider dauerten ihre Amtszeiten jeweils nicht lange, weil Lienert 1964 einen tödlichen Autounfall erlitt und Herzog 1969 aus gesundheitlichen Gründen wieder aufgeben musste. Dann jedoch folgte eine sehr glückliche und lange Phase unter der Leitung von Hanni Bracher.
Zur 90-jährigen Vereinsgeschichte gehören auch bald 80 Jahre tatkräftige Unterstützung der ganzen Familie Bracher in verschiedensten Vereinschargen. Hanni hat sich über die Vereinskreise hinaus einen guten Namen als Komponistin gemacht und wirkte auch im Jodlerverband als – damals nannte man sie noch so – Kampfrichterin. Ihre Kompositionen sind zum grössten Teil Lieder für Kleinformationen. Für Männerchor entstanden die vier Titel «Bärghütte-Jodel», «Es Liedli», «Längizyti-Jodel» und «Summer». Etwas mehr hat sie dann für Frauenchor geschrieben, war sie doch auch stark in der Trachtengruppe engagiert. Vor mehr als 50 Jahren traten Niklaus und Christian, die beiden älteren Söhne, und etwas später Res in den Klub ein. Mit ihren tragenden Stimmen bilden sie noch heute einen wesentlichen Teil des Klangcharakters der Zofinger Jodler. Zusätzliche Bekanntheit erlangte der Name Bracher mit dem Keiser-Chörli, in welchem die vier Brüder Bracher (Hans war nie Mitglied des Jodlerklubs) zusammen mit dem Jodler Stephan Keiser grosse Erfolge feierten. Keiser war ein Schüler von Hanni Bracher und wurde 1987 ihr Nachfolger als Dirigent des Jodlerklubs.
«Die Bracher-Brüder sind wertvolle Stützen in unserem Verein», erklärt Präsident Peter Lienhard. «Wir schätzen sie aber auch deshalb, weil sie trotz ihrem Erfolg immer bescheidene Kameraden geblieben sind und sich vollständig ins Klangbild eingefügt haben. Wir schätzen uns glücklich, dass in unseren Reihen noch weitere sehr gute Sänger und Jodlerinnen stehen!» Diese alle in einem schönen Chorklang zu vereinen, war eines der Anliegen von Stephan Keiser, der den Chor während einem Vierteljahrhundert leitete. 2012 gab er die Leitung an die junge Jodlerin und Dirigentin Anita Steiner ab.
Aus dem Lautsprecher
Am 2. Februar 1946 bestritt der Jodlerklub Edelweiss bereits sein erstes Radio-Konzert. Damals veranstaltete das Radio noch selber Live-Konzerte und nur die besten Interpreten durften dort auftreten. Vom Radiostudio Basel wurde der Chor anschliessend noch mehrfach zu solchen Konzerten eingeladen. 1961 wurde dann auch die erste Schallplatte besungen. Bereits drei Jahre später standen sie wiederum vor dem Studiomikrophon, um zwei Lieder für eine Max-Lienert-Gedenkplatte aufzunehmen. 1965 sah man den Chor erstmals auch am Schweizer Fernsehen und im gleichen Jahr fanden weitere Schallplatten-Aufnahmen statt. Das waren noch Zeiten. Die ganze Platte wurde in einem halben Tag eingesungen! Heute noch erhältlich ist die CD «Üses Städtli» aus dem Jahr 1996 und ganz neu ist dieses Jahr die Jubiläums-CD «…mer händs guet» erschienen. Man darf also festhalten, dass der Jodlerklub Edelweiss Zofingen in der Geschichte des Radios und der Tonträger schon sehr früh mitgewirkt hat, was sicher auch ein Indiz für die hervorragende Qualität ist. Diese führte die Sängerschar auch einige Mal in die weite Welt. Neben einigen Konzerten in Deutschland gehören auch Auftritte in Österreich, England, Portugal und Amerika zur Vereinsgeschichte.
Nach wie vor pflegt der Klub in erster Linie das traditionelle Jodellied. Die neue CD stellt einen repräsentablen Querschnitt des aktuellen Repertoires dar. Darunter finden sich Lieder der heutigen Komponisten wie Hannes Fuhrer (E Hand voll Heimatärde), Franz Stadelmann (Dankbarkeit), Therese Aeberhard-Häusler (Z Sunnebörtli) sowie solche der «alten Garde» wie Jost Marty, Schmalz/Krenger oder Ernst Märki. «Das Publikum erwartet von uns gute Jodellieder», weiss Peter Lienhard, «und deshalb konnten wir uns bisher gegen den aktuellen Trend zu Schlagerliedern wehren!» Trotzdem sind sie Neuem nicht abgeneigt. So ist das Lied «De Jubiläums-Jodel» eine spezielle Neuheit, die speziell für den Zofinger Klub von CD-Produzent Alex Eugster komponiert wurde.
Mit Stolz in die Zukunft
Der Verein weist zur Zeit mit vier Jodlerinnen und 16 Jodlern eine gesunde Grösse und Mischung der Generationen auf. Mit Jahrgang 1949 ist Niklaus Bracher der Älteste in den Reihen und Dirigentin Anita Steiner mit 25 Jahren die Jüngste. Der grössere Teil der Sänger steht im Alter zwischen 50 und 60 und wohnen in der Umgebung von Zofingen. Im Städtli selber aber wohnt nur noch ein Mitglied. Mit Stolz tragen sie bei ihren Auftritten die Aargauer Tracht. Der Jodlerklub Edelweiss Zofingen hat die logischerweise etwas höheren Wellen, die der Wechsel am Dirigentenpult mit sich gebracht haben, erfolgreich überwunden und geht nun in alter Frische und bester Kondition ins nächste Jahrzehnt, das mit dem 100. Geburtstag im Jahr 2026 seinen Höhepunkt finden wird.
Dirigentin Anita Steiner-Aregger
Anita Steiner-Aegger ist in Reiden aufgewachsen, wo sie auch heute noch lebt. Sie ist seit drei Jahren verheiratet und schliesst Ende dieses Jahres die Ausbildung zur Oberstufenlehrerin ab. Seit einiger Zeit arbeitet sie aber in einem Teilpensum auch als Schneiderin. Mit dem Jodeln hatte sie in der Kindheit kaum Kontakt, sang jedoch in einem Kinder- und Jugendchor. Im Alter von 8 Jahren begann ihre musikalische Ausbildung im Klarinettenunterricht und praktische Erfahrungen sammelte sie in der Musikgesellschaft. Durch ihren späteren Schwiegervater, der damals Mitglied des Jodlerklubs Edelweiss war, kam sie im Sommer 2009 in Kontakt mit dem Klub. Sie besuchte eine Probe, obwohl an jenem Abend auch eine der Musikgesellschaft stattfand. «Es gefiel mir so gut bei den Jodlern, dass ich sofort den Verein wechselte», lacht sie. Der damalige Dirigent Stefan Keiser förderte die junge Jodlerin und bereitete sie als seine Nachfolgerin vor. Anita absolvierte den Chorleiterkurs und übernahm das verantwortungsvolle Amt als erst 19-Jährige unter der Bedingung, dass sie auf die volle Unterstützung aller Klubmitglieder zählen kann.
Anita, welches sind deine hauptsächlichen Anliegen an den Klub?
Zunächst die Forderung, dass wir alle einander unterstützen und helfen. Ich möchte meine gesanglichen Ziele erreichen und das hohe Niveau meines Vorgängers halten. Deshalb sehe ich es als meine zentrale Aufgabe, neben den fachlichen Voraussetzungen die Kameradinnen und Kameraden zu motivieren. Jede Probe soll ein persönliches Erlebnis sein!
Betreibst du denn im Klub auch Jodelausbildung?
Das ist bisher nicht nötig. Der Klub wurde von Stefan ja sehr kompetent geführt und ich konnte in diesem Bereich einfach erben. Stellen sich jedoch in den Proben solche Fragen, stehe ich selbstverständlich gerne zur Seite.
Wer bestimmt im Klub das Repertoire?
Da hat sich über die vielen Jahre eine grosse Routine entwickelt. Wir müssen deshalb keine Liederkommission führen. Oftmals sitze ich mit den Bracher-Brüdern zusammen, welche den Klub in- und auswendig kennen und auch die Übersicht über das gängige schweizerische Jodelrepertoire haben. Wir sind uns deshalb jeweils schnell einig!
Macht ihr auch eigene Arrangements?
Das ist vielleicht zu viel gesagt. Aber es kommt schon vor, dass jemand in der Probe eine Idee für eine Zusatzstimme hat, die wir dann gemeinsam umsetzen.
Was magst du besonders am Edelweiss Zofingen?
Dass meine Kameradinnen und Kameraden mir diese Chance gegeben haben und mich voll und ganz unterstützen. Es macht mir unglaublich viel Freude, in den Reihen zu stehen und mit ihnen zu singen. Darüber hinaus haben wir auch privat lebendige Kontakte, die mein Leben bereichern.
Kontakt
Peter Lienhard
Zofingerstrasse 38
4803 Vordemwald
Telefon 062 751 41 24
www.jk-edelweiss-zofingen.ch