Gute Musik und Freundschaften
Alphornmusik gibt es mittlerweile in allen Facetten. Das archaische Instrument hat seinen Weg in die moderne Musikwelt gefunden und Kritiker der zeitgenössischen Kompositionen und Interpretationen sind weitgehend verstummt. Dazu ver-holfen haben hervorragende Musiker, die ihr Publikum fesseln können. So auch das Alphornquartett Surental, das seit bald 40 Jahren die Szene belebt.
25.07.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Dass Naturhörner auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten einen Triumphzug erleben, wurde in dieser Zeitschrift schon mehrfach beschrieben. Musiker aller Couleur und aller Szenen sind vom ganz besonderen Klang und von den eigentümlich anrührenden Gefühlen beim Hören der Naturtonreihe entzückt. Wie eine andere Musikwelt schien jene der alphornblasenden Sennen zu sein, die ein Ideal kreierten, das lange Zeit als die einzig richtige Musizierart des Alphorns angesehen wurde. Das mehrstimmige Blasen entwickelte sich erst vor etwa vier Jahrzehnten, als auch im Alphornbau durch den Einsatz moderner Maschinen deutliche Fortschritte erzielt wurden und somit die Stimmung der Instrumente einheitlich wurde. Der Schreibende erinnert sich gut an die sehr differenten Meinungen, an die Ängste der Traditionshüter und an die Schimpftiraden der vehementen Gegner. Nichts desto trotz haben sich die Komponisten nicht abhalten lassen und mit ihren anspruchsvollen Werken gute Musiker ansprechen können. Diese kamen oft aus Kreisen der Musikgesellschaften, wo sie die grundsätzliche Blastechnik gelernt hatten. Da diese Musiker – und damals zunehmend auch die Musikerinnen – nicht dem Sennentum verbunden waren, hielt Alphornmusik Einzug in ganz neue Gesellschaftskreise.
Mit einiger Zeit Abstand kann man heute erkennen, dass sich die Alphornszene stark vergrössert hat und dass trotz dem Entstehen der neuen Alphornmusik und dem Einsatz des Instruments in anderen Musikrichtungen die traditionelle Alphornmusik nicht verdrängt wurde. Eindrücklich bezeugen dies lange Teilnehmerlisten an Jodlerfesten, an denen neben Traditionellem auch Neues zu hören ist, und an denen mittlerweile das mehrstimmige Spiel vollständig akzeptiert und auch beliebt ist. Mitkämpfer seit den ersten Stunden waren die Bläser des Alphornquartetts Surental, das seit Jahrzehnten zum Besten gehört, was es in der Schweizer Alphornszene zu hören gibt.
Minutiös dokumentiert
Zwei Protokollbücher, in welchen noch von Hand geschrieben wurde sowie mittlerweile eine stattliche Anzahl Foto-Jahrbücher sind stumme Zeugen der bewegten Geschichte des Alphornquartetts Surental. Quasi zwischen den Zeilen belegen sie aber auch, welche Sorgfalt, Liebe zum Detail und Begeisterung bei den Musikern des Quartetts zu finden ist, die sich letztlich – oder auch zuerst – im Ausdruck ihrer Musik dokumentiert. Im ersten Eintrag aus dem Jahr 1974 steht auszugsweise: «Die Alphornklänge finden bei vielen jüngeren und älteren Leuten Anklang und mancher möchte wohl selber die heimeligen Töne aus einem Alphorn hervorbringen. So auch die Gebrüder Peter und Alois Fleischlin vom Allmendhof Sursee, die sich im Jahre 1974 zum Kaufe von zwei Alphörnern entschliessen können … Die ersten Proben und Ständchen im Duo werden im Stegreif gespielt, was nicht selten zu Fehltönen führt … Erste Auftritte sind die 1. August-Feier in Geuensee, das Fleischlintreffen in Niederner-Wald, Geburtstagsständchen usw. … Mit Zittern und Herzklopfen wird sogar ein Konzert des Jodelklubs Geuensee mit zwei Vorträgen verschönert; ‹Der Tell› und das ‹Engelberger-Echo› … Hans Albisser, volkstümlich und bodenständig vom Scheitel bis zur Sohle, ist sehr begeistert vom Alphornspiel und bestellt kurzerhand ein weiteres bei Julius Emmenegger. Die Proben werden interessanter mit einem guten Bass … Am Muttertag 1977 spielen wir im Unterdorf Geuensee und erhalten von Franz Stadelmann 10 Franken. Das ist unsere erste Einnahme und wir bestimmen Hans Albisser zu unserem Kassier … Seit dem Wohnungsbezug von Alois Fleischlin in der alten Käserei Kirchbühl Sempach wird ab und zu in Kirchbühl Alphorn gespielt … Die Alphornklänge finden auch beim Nachbarn Thomas Stofer Gefallen. Auf die erste Anfrage hin ist er bereit, mit uns im Quartett zu spielen. Ein souveräner Cornetist, der das Alphorn bald über drei Oktaven beherrscht.»
Traten die Musiker zunächst noch ohne Formationsnamen und in ziviler Kleidung auf, so dokumentiert die Anschaffung einer einheitlichen Kleidung – eine schwarze Burgunderbluse mit Stickereien und ein Trachtenknopf – erstmals am Konzert des Jodelchörlis Geuensee im Jahr 1978 die Absicht, eine fixe Formation zu bleiben. Obwohl die Gruppe kein Verein ist, führt sie seit Anbeginn jedes Jahr eine Jahresversammlung durch. In der Einladung und Traktandenliste zur ersten Versammlung vom 10. Februar 1980 steht auch das Traktandum 6: Festlegen eines seriösen Namens für unser Quartett. Das nächste und letzte Traktandum hiess damals: 7. Imbiss! Und im nachträglichen Bericht steht dann auch prompt, dass die Traktandenliste nicht ganz beendet werden konnte. Und weiter: «Einen Namen zu finden für unser Quartett ist nicht sehr einfach. Moderne Namen wie ‹The Alphorn-Boys› finden nicht Gefallen. ‹Echo vom Sempachersee› ist etwas veraltet. Man geht zum gemütlichen Teil über, ohne einen Namen gefunden zu haben!» Als man sich ein Jahr später zur Teilnahme am ersten Engelberger Alphornwettblasen anmeldet, musste aber doch ein Name festgelegt werden. Aufgrund der verschiedenen Wohnorte der Mitglieder sind diese dann auf «Alphornquartett vom Surental» gekommen, der mit einer kleinen Veränderung noch heute gilt und mittlerweile zu einem Qualitätsnamen im Alphornwesen unseres Landes geworden ist.
Begeisterung
Die erste Crew waren die beiden Brüder Alois und Peter Fleischlin, Hans Albisser und Thomas Stofer. Im Laufe der langen Zeit kam es natürlich auch zu Personalwechsel. Nach vielen Jahren aktiven Mitmachens traten die Brüder Fleischlin aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen zurück. 1995 kam für eine kurze Zeit Sepp Kaufmann dazu. In der heute aktuellen Besetzung stehen neben den Kämpfern der ersten Stunde – Hans Albisser und Thomas Stofer – Markus Buholzer und Klaus Albisser. Hans Albisser (1953) ist ein «Hölziger», betreibt in Geuensee eine Zimmerei und Schreinerei. Neben seinem Beruf und der Familie mit Grosskindern war und ist er von der Musik sehr angetan. Während 15 Jahren war er Mitglied in der Musikgesellschaft Geuensee und dann während 30 Jahren im Jodlerchörli Geuensee, dem er während 16 Jahren als Präsident vorstand. Klaus Albisser (1953) ist mittlerweile pensioniert, war Versicherungsbroker und Vorsorgeberater und wohnt in Sursee. Auch er ist ein begeisterter Blasmusiker, war Militärtrompeter und Mitglied der Stadtmusik Sursee. Thomas Stofer (1958) wohnt in Sempach. Von Beruf Elektromeister ist er heute Sicherheitsbeauftragter der Papierfabrik Perlen. Zu seiner Blasmusiklaufbahn als Militärtrompeter gehören auch die Musikgsellschaft Harmonie Sempach, die Original Kirchbühler Musikanten und die berittene Auffahrtsmusik Sempach. Im Alphornfach ist er als Juror und Kursleiter für den Verband tätig. Markus Buholzer (1964) war Sekundarlehrer in Sempach. Als Rektor der Gesamtschule Kriens wohnt und lebt er heute mit seiner Familie auch in dieser Gemeinde. Der begehrte Bläser mit breiter musikalischer Ausbildung spielte in verschiedenen Vereinen mit und singt mit Begeisterung im Collegium Musicum der Jesuitenkriche Luzern. Seit geraumer Zeit ist er auch Komponist von Alphornweisen. Die nicht einfach zu spielenden Werke stellen natürlich eine Exklusivität im Repertoire des Alphornquartetts Surental dar. Sieben davon sind auf der eigenen CD des Quartetts zu hören.
Im Ensemblespiel hat das Quartett reiche Erfahrung. Jeder übt seine Partien und Stimmen selbständig ein und hält sich bläserisch in Form. So sind Proben im Quartett nicht jede Woche nötig und schnell finden sie jeweils jene Ebene im Zusammenspiel, die es ihnen erlaubt, auch schwierigere Werke zu spielen. Hans Albisser bringt es auf den Punkt: «Neben dem Beherrschen der Spieltechnik und dem Verständnis für Musik ist aber eines grundlegend wichtig und immer in unserem Quartett vorhanden: Die Begeisterung und Freude!»
Vereinsleben
Wie schon erwähnt ist das Quartett kein eigentlicher Verein. Dennoch kann man – nicht nur wegen der Jahresversammlung – von einem aktiven Vereinsleben berichten. Von Anfang an waren die Ehefrauen und Familien stark ins Geschehen einbezogen. Die Zusammenkünfte finden seit jeher abwechselnd in der Wohnung eines Mitglieds statt. Dieses muss dann auch die Einladung und Traktandenliste erstellen und natürlich wurde dann aus dem ersten Imbiss immer mehr auch ein festliches Zusammensein mit den Familien. Während der Versammlung gibt es übrigens auch immer schon ein Damenprogramm – meistens einen Jass! Da bei Engagements nicht wie bei Tanzmusikern ständig gespielt werden muss, sind die Reisen und Aufenthalte auch immer ein «Vereinsausflug», an welchem die Frauen und Kinder oftmals teilnehmen konnten und können. Dazu gehören grosse Alphornfestivals und Jodelfestteilnahmen, an denen das Quartett immer in den vordersten Rängen stand. Sehr gerne und insgesamt öfter aber hört man das Quartett bei kleineren, privaten Festivitäten oder natürlich an Engagements bei Jodlerabenden.
Auch optisch hat sich das Quartett verändert. Traten sie zunächst in einer einfachen Burgunderbluse auf, so sah man sie ab 1989 in einer veritablen Trachtenbluse und heute in der vollständigen Luzerner Tracht. «Das passt zu uns», sagt Hans Albisser, der im Gremium eher der Traditionalist geblieben ist. Mit Interesse engagierten sich die vier Alphörnler auch im zentralschweizerischen Jodlerverband, an deren offiziellen Festen sie bis heute ununterbrochen teilgenommen haben. Auch an den Umzügen sah man das Alphornquartett Surental sogar mit einem eigenen Wagen.
Repertoire und CD
Erste Ränge an Wettblasen und lobende Bewertungen der Experten an den Jodelfesten, der Applaus der begeisterten Zuhörerschaft und laufend neue Anfragen für Auftritte sind der Lohn für die vier Musikanten. Ihr Können erlaubt es ihnen, auch schwierigere Kompositionen so zu interpretieren, dass man sie als leicht empfindet. Da sind Melodiebogen voller Spannung und auch schnelle Tonfolgen rhythmisch richtig und dynamisch geformt, Einsätze der unteren Stimmen erfolgen ebenso präzis und ergänzen die Stimmführung zu vollständigen Arrangements. Was hier einigermassen fachlich beschrieben steht, ist das, was ein Musikvortrag schön macht und die Konzentration der Zuhörenden bei der Musik behält. Diese Fähigkeit bringt es mit sich, dass das Repertoire des Alphornquartetts Surental äusserst vielseitig ist. Das mehrstimmige Alphornspiel ist vergleichsweise noch jung. Deshalb liegt es auf der Hand, dass ganz alte Kompositionen weniger gespielt werden. Melodien von Hans Aregger und von Hermann Studer haben seit jeher einen festen Platz im Repertoire der Surentaler Bläser. Aber auch progressivere Werke, etwa von Hansjürg Sommer und natürlich des Hauskomponisten Markus Buholzer, sind ständige Titel in den Programmen. Waren einzelne Titel ihres Repertoires auf verschiedenen Tonträgern von Jodlerklubs oder anderen volkstümlichen Produktionen zu hören, so haben sie sich vor zwei Jahren endlich zur Herausgabe einer eigenen CD entschieden. Dass sie selber dafür hohe Ansprüche gesetzt hatten, liegt auf der Hand. «Es war gar nicht einfach», erinnert sich Hans Albisser: «Ich hätte nicht gedacht, dass die Studioarbeit mit Alphörnern derart aufwändig und auch wirklich schwierig ist!» Die im Eigenverlag produzierte CD ist unter dem Titel «Alphorn» gleichzeitig mit einem Notenheft der Kompositionen von Markus Buholzer erschienen.