40 Jahre Bergüner Ländlerfründa
Rassig und bodenständig tönt es, wenn die fünf Bergüner Ländlerfründa mit ihren Instrumenten aufspielen. Mit echter Tradition und ohne Firlefanz findet ihre Musik den Weg zum dankbaren Publikum. Das unbeschwerte Aufspielen in typischer Bündnerart ist aber auch für die Musikanten selber purer Lebensgenuss.
Schon seit 40 Jahren sind die Bergüner Ländlerfründa in den volkstümlichen Veranstaltungskalendern zu finden. Wie der Kapellenname unwiderruflich verrät, stammen die Gründer der Formation aus dem beschaulichen Dorf Bergün im Albulatal. Zwei dieser Vollblutmusikanten sind auch heute noch aktiv dabei, was einerseits ihre ungebrochene Spielfreude verrät und andererseits auch auf eine erspriessliche Harmonie schliessen lässt. Walser und Strub heissen die beiden Familien, welche 1974 den musikalischen Startschuss zur Kapellengründung gaben. Zweimal Vater und Sohn an Schwyzerörgeli und der Klarinette sowie Mia Kast-Strub an der Bassgeige bildeten damals das Gerüst der typischen Bündner Formation.
Zu jener Zeit amteten noch verschiedene andere Ländlerformationen aus dem Kanton Graubünden als Vorbild der Bergüner. Längst aber haben die Ländlerfründa ihren unverwechselbaren Stil gefunden und werden heute selber von anderen Kapellen nachgeahmt. Nur wenige personelle Wechsel hatte die Kapelle in ihrer beachtlich langen Karriere zu verzeichnen. Den beiden Vätern und Schwyzerörgelispielern Paul Strub und Leonhard Walser folgten 1982 Hitsch Züst (57) und 1985 Markus Walser (47). Letztgenannter entstammt ebenfalls der Gründerdynastie Walser und ist der Bruder des Klarinettisten und Gründungsmitgliedes Werni Walser (57). «Ja, wir waren alle noch sehr jung bei unserem Einstieg in die aktive Ländlermusikszene», erzählt Markus Walser lachend. Die Erlaubnis zum öffentlichen Aufspielen bedingte nämlich die Konfirmation der jungen Burschen, wie deren Eltern ganz klar festlegten.
«Nach der Konfirmation dürft ihr öffentlich aufspielen!»
Bassgeigerin aus dem Emmental und drei Tonträger
Erzählenswert sei sicherlich die aussergewöhnliche Verpflichtung einer neuen Bassgeigerin im Jahr 1992, erzählt der seit 40 Jahren als Kapellenchef amtende Klarinettist Pauli Strub (61) schmunzelnd. Damals stand ein Auftritt im bernischen Schangnau an und für diesen Auftritt konnte beim besten Willen kein Bassgeiger aufgetrieben werden. Da verpflichteten die Organisatoren kurzerhand die einheimische Vroni Oberli-Egli als Ersatz und der musikalische Funke sprang beim entsprechenden Auftritt augenblicklich. Bis ins Jahr 2005 hielt diese musikalische Verbindung, ehe familiäre Veränderungen die Bündner zur Ausschau nach einem Ersatz für die Berner Bassistin zwangen. Das Glück war den inzwischen aus dem Albulatal ins Bündner Unterland umgesiedelten Bergünern hold. Mit dem ausgewiesenen und erfahrenen Fluri Burger (64) übernahm ein Mann den Bassgeigenpart, welcher immer wieder auch als Komponist tätig ist. Seine Melodien, die auf der aktuellen CD als erfreuliche Abwechslung glänzen, kreiert er auf der Handorgel und sind gemäss Pauli Strub für die Klarinettisten recht anspruchsvoll.
Ihren dritten Tonträger zum 40-Jahr-Jubiläum haben die Bergüner Ländlerfründa erst unlängst realisiert. Die allererste CD aus dem Jahr 1992 trägt den Titel «Endlich», was natürlich auch seinen Grund gehabt hat, wie Markus Walser, der Administrator der Bergüner Homepage, rückblickend erzählt. Zu den Anfangszeiten der Bergüner standen regelmässige Auftritte – sogenannte Skischulabende – im Bergüner Hotel Piz Ela auf dem Programm. Dort habe man auch den vom Radio her bekannten Thomas Bär kennengelernt. Dessen hartnäckiges Drängen nach einem Tonträger, habe die Bergüner schlussendlich dann zum ersten Tonstudio-Abenteuer verleitet. Natürlich seien sie nachträglich darüber froh gewesen und alle Beteiligten erzählen in Erinnerungen schwelgend, wie sie damals auch drei Stücke auf den A-Klarinetten eingespielt hätten. Heute spielen die Bergüner ausschliesslich mit den üblichen B-Klarinetten auf.
Zum Land&Musig-Interviewtermin traf sich die ganze Formation beim verheirateten Polizisten Markus Walser im schmucken Eigenheim in Zizers. Genau gleich habe man sich jeweils auch zu den Proben im Vorfeld der CD-Aufnahmen getroffen. An jenen Abenden sei zwar immer intensiv geübt worden, aber eine ganz grosse Rolle spielten bei ihren Treffen jeweils auch die nachfolgenden Stunden, wie der verheiratete und beruflich als Schreiner tätige Hitsch Züst zufrieden erzählt. Bei Speis und Trank werde jeweils diskutiert, gescherzt und die Gemütlichkeit gepflegt. Dies alles verleihe der Truppe noch mehr Zusammenhalt und sei ein ganz klares Indiz dafür, dass es bei den Bergünern auch im menschlichen Bereich rund laufe. Eigentlich sei ihre Stilrichtung klar gegeben und man wolle dieser auch treu bleiben, wie die fünf Männer in gemütlicher Runde einmütig festhalten. Sie möchten nicht von jenem Repertoire abweichen, welches ja auch ihnen selbst während des Aufspielens den gewissen Kick gebe. «Wohl wird hie und da bei einem Auftritt auch nach einem Festzelt-Stimmungsstück gefragt. «Doch dies ist nicht unbedingt unsere Welt und wir wollen halt schon eher jenen Leuten eine Freude machen, welchen unsere Titel in entsprechender Spielart gefallen», hält der Elektriker und als Gemeindepräsident von Tschiertschen tätige Werni Walser fest.
Typisch bündnerisch
Die Stückauswahl der Bergüner Ländlerfründa wird vorwiegend von Pauli Strub festgelegt. Dabei wird sehr viel Wert auf ältere Kompositionen gelegt; auf jene Tänze, welche ihre eigentlichen Vorbilder schon vor langer Zeit geschaffen haben. Wie auf dem brandneuen Tonträger zu hören, geniesst zum Beispiel der verstorbene Komponist Jann Ambühl der legendären Kapelle Vadrett bei den Bergünern eine hohe Wertschätzung. Überhaupt kann die Spielart der Ländlerfründa als äusserst typisch bündnerisch und traditionell bezeichnet werden. Dabei ist nebst dem rhythmisch perfekt harmonierenden Zusammenspiel auch die von Spontanität geprägte zweite Stimme des verheirateten Werni Walser ein Ohrenschmaus. Seine Melodien klingen selten bei einem Titel immer gleich. Werni, welcher grundsätzlich nie vorspielt, liebt nämlich die Kreativität und arrangiert während des Spielens munter je nach Lust und Laune. Dasselbe gilt wohl auch für den Bassgeiger Fluri Burger. «Mein Spiel soll typisch bündnerisch sein und vorwiegend als rhythmische Stütze dienen. Trotzdem überrasche ich meine Kollegen ab und zu einmal mit einem spontanen Ausflug der Bassstimme», erzählt der verheiratete Pensionär Fluri Burger schmunzelnd. Die beiden «Hacker», wie sich die Begleiter Hitsch Züst und Markus Walser spasseshalber nennen, sind auf ihren Schwyzerörgeli nicht unbedingt die Vorspieler. «Der Hitsch kann das schon eher. Aber ich habe eigentlich nie etwas anderes gelernt, als eine rhythmische Begleitung, wie sie in der Bündner Ländlermusik Tradition ist», sinniert Markus Walser. Es sei in dieser Richtung vielleicht auch zu wenig Ehrgeiz vorhanden, doppelt Hitsch Züst nach. Man habe zu seiner Anfangszeit bei den Bergünern schon auch mal ein Stück mit dem Schwyzerörgli vorgespielt, doch eigentlich seien alle zufrieden mit der Begleitfunktion der Schwyzerörgeli in ihrer Formation.
Mit grosser Freude unterwegs
Dies alles hat auf jeden Fall keinen Einfluss auf den Erfolg der Kapelle. Fast in der ganzen Schweiz übermitteln die Bergüner Ländlerfründa Freude an die Liebhaber der echten und traditionellen Ländlermusik. Allerdings sind ihre Auftritte nicht so zahlreich, wie vielleicht bei etlichen anderen Formationen. «Es muss schon allen fünf Mitwirkenden in die Agenda passen, denn wenn jemand verhindert ist, suchen wir keinen Ersatz. So stärken wir unseren Teamgeist und der ist in einer Formation die halbe Miete», hält Markus Walser unter Zustimmung seiner Kollegen fest. Zudem freue man sich so immer wieder unheimlich auf den nächsten Auftritt, gibt Hitsch Züst die einhellige Stimmung in der Kapelle wieder. Es gebe gewisse Orte, an welchen sie regelmässig aufspielten. «Diese Anlässe sind immer sehr gut besucht von Freunden unverfälschter Ländlermusik und motivieren unsere Equipe zusätzlich», resümiert der dankbare Werni Walser.
Schon etliche Male nahmen die Bergüner Ländlerfründa aktiv an Eidgenössischen Volksmusikfesten teil. Einerseits üben sie dann wenn möglich zwei ältere Stücke ein, um diese der Jury passend vorzutragen, andererseits betrachten die Bündner das Treffen mit vielen gleichgesinnten Aktiven als sehr angenehm. Von diesen gebe es auch im Bündnerland doch immer noch recht viele. Es sei aber schon festzuhalten, dass vor allem die Ländlermusik im echten Bündnerstil wahrlich nicht übersättigt ist, hält Pauli Strub nachdenklich fest. «Wenn eine Formation schon früh Erfolg haben will, dann verfällt sie nicht selten in das Präsentieren von eingängigen Titeln. Diese animieren die so genannte Festzeltbevölkerung zum Mitjohlen und verleiten meist zu einer verfrüht erreichten Zielsetzung bezüglich Qualität der gespielten Ländlermusik», bedauern Fluri Burger und seine Kumpanen. Nicht zuletzt darum wollen die Bergüner Ländlerfründa ihren Stil weiter pflegen und vielleicht da und dort auch den Nachwuchs zu dieser traditionellen Spielweise animieren.
Anfreunden können sich die Bergüner Ländlerfründa auch mit Melodien internationaler Grössen wie ABBA, Status Quo, Krokus und weiteren. Andere Musikstile, ob rein volkstümlich oder ganz allgemein, finden bei den fünf Bündnern aber sehr wohl offene Ohren. Als eigentliche Vorbilder in der Volksmusik benennen sie Kasi Geisser, Hans Disch, Peter Zinsli, die Schmid-Buebe, das Prätigauer Ländlerquintett, die Hess-Buebe sowie Schorsch Müller und andere. Übereinstimmend sind die fünf Bündner sehr stolz auf «ihr» Bündnerland, die Schweiz im Allgemeinen, aber auch auf die gute Erhaltungsarbeit der Schweizer Volksmusik durch die verschiedenen Organisationen. Dank der überall tadellosen familiären Unterstützung können sich die Bergüner Ländlerfründa momentan ein Leben ohne aktive Ländlermusik nicht vorstellen, was ihren vielen Anhängern wohl sehr viel Freude bereiten wird. So werden sie bestimmt noch oft verwöhnt mit schmissiger, bodenständiger und traditionell echter Bündner Ländlermusik!
Aktuelle CD
Ein Grossteil der vor rund einem Jahr eingespielten 16 Titel der Bergüner Ländlerfründa stammen aus der Feder von Jann Ambühl. Aber auch dessen Bruder Hanspeter sowie Urs Glauser, Hansruedi Widmer, Otto Battaglia sowie der Bassgeiger Fluri Burger sind kompositorisch vertreten und sorgen für unverkennbare Musik im typischen Bündnerstil.
alpenländisch 269145
16 Titel
23.11.2015
VON RUEDI ROTH