Park Seleger Moor
Jetzt ist die Farbenpracht voll entfaltet, in kleinen Gärten und grossen Pärken blüht es in allen Koloriten. Und das nicht nur im offenen Gelände. Rhododendren sind zwar in vielen Gärten zu sehen, sind aber eigentlich echte Waldpflanzen, die sich in sauren Böden sehr wohl fühlen und dort ihre prachtvollen Blüten in allen Farben zeigen. Im Park Seleger Moor an der Westflanke des Albis kann man dieses wunderbare Schauspiel geniessen und mit vergnüglichen Stunden verbinden.
23.05.2018 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Moorbiotope entstehen über wenig wasserdurchlässigem Untergrund. Sie zeichnen sich durch grosse ständige Feuchtigkeit aus, was zu einem unvollständigen Abbau der pflanzlichen Reste und zu Torfbildung führt. Es wird unterschieden zwischen Hochmooren und Flachmooren. Dabei liegt der Unterschied nicht etwa in der Höhenlage, sondern in der Dicke des torfhaltigen Untergrunds: Hochmoore entstanden vor Tausenden von Jahren und weisen oft meterhohe Torfschichten auf und ihre Feuchtigkeit stammt ausschliesslich aus (nährstoffarmem) Regenwasser. Der Kampf um die wenigen verbliebenen Moor-Biotope in der Schweiz entbrannte in voller Stärke 1987, als gegen ein Projekt des damaligen Eidgenössischen Militärdepartements, aus dem Hochmoor bei Rothenthurm im Kanton Schwyz einen Waffenplatz zu machen, eine Volksinitiative lanciert wurde. Die in der Folge geschützten Hochmoore gehören in der Schweiz zu den seltensten Lebensräumen überhaupt. Eine besondere Geschichte führte im Hochmoor zwischen Rifferswil und Hausen am Albis dazu, dass dort ein Kleinod für Pflanzenliebhaber entstanden ist.
Robert Seleger
Das Rifferswiler Hochmoor ist ebenfalls vor Tausenden von Jahren dort entstanden, wo einst Reuss- und Linthgletscher zusammenstiessen und Moränen zurückliessen. Noch während des ersten und des zweiten Weltkriegs wurde im Moor zum Heizen Torf gestochen. Dann versank das Land im Dornröschenschlaf, bis Robert Seleger im Jahr 1953 die Projektierung und Bauleitung der damaligen Frühjahrsblumenschau im Hallenstadion Zürich übernahm. Dafür suchte er im Rifferswiler Moor grosse Föhren von besonderem Wuchs. Ein besonders schönes Exemplar hatte es ihm derart angetan, dass er diese Föhre samt Wurzelballen ausgraben wollte, statt sie zu fällen. Beim Graben stellte er erstaunt fest, dass der Boden hier genauso beschaffen war, wie in den Anbaugebieten für Rhododendren in Holland und Norddeutschland. Sein Ehrgeiz war geweckt, und schon im selben Jahr durfte er ein kleines Stück Moor sein Eigentum nennen und erste Rhododendren pflanzen. 1956 war der Winter bitterkalt und nur wenige Pflanzen überlebten. Nach dieser Erfahrung begann Robert Seleger auf der ganzen Welt nach winterharten Pflanzen aus höher gelegenen Wildstandorten zu suchen. Seine Reisen führten ihn an die Pazifikküste von Nordamerika, nach Kanada, Alaska, Russland, China, Japan und sogar in die hohen Berge von Nepal. Die heimgebrachten Rhododendren kreuzte er mit anderen Züchtungen, und daraus entstanden andersfarbige Sorten mit stark verbesserter Winterhärte. Nachdem er einmal angefangen hatte, liess Robert Seleger im Rifferswiler Moor eine so traumhaft schöne Landschaft entstehen, dass er das Moor seinen Mitmenschen nicht vorenthalten mochte. Im Laufe der Jahrzehnte entstand so das Seleger Moor in seiner jetzigen Form. Er gestaltete es, liess der Natur aber dennoch den Vorrang. Nach und nach entstanden Teiche und Bäche, die Grundlage für Seerosen und Lebensraum für andere Wasserpflanzen. Die letzte Ruhestätte des initiativen Gärtners, Pflanzenzüchters und international beachteten Rhododendron-Spezialisten, der im Jahr 2000 verstarb, liegt natürlich in «seinem» Park, wo eine Büste die Besucher an ihn erinnert.
Rhododendren
Weltweit gibt es über 1’000 Wildarten der vielfältigen Pflanze. Die meisten davon sind in Asien, etliche in Nordamerika und nur wenige in Europa heimisch. Sie kommen überall in feuchten Gebieten der nördlichen Hemisphäre und in der südlichen Hemisphäre in Südostasien und im nördlichen Australien vor. Die höchste Artenvielfalt findet sich im Himalaya im Raum Uttarakhand-Nepal und Sikkim, um Yunnan und Sichuan. Weitere Gebiete mit einer hohen Vielfalt an Rhododendronarten sind die Berge von Indochina, sowie Korea, Japan und Taiwan. Aber auch bei uns gibt es Originale: Zur Familie gehören nämlich auch kleinwüchsige Arten, und wenn diese in den Alpen wachsen, nennen wir sie Alpenrose! Weitere bekannte Arten sind auch die Azaleen. Nicht alle Rhododendren sind winterhart und nicht alle sind immergrün. Robert Seleger hat Pflanzen gezüchtet, die heute unter seinem Namen oder auch mit Namen von Schweizer Bergen bekannt sind. Silvan Fluder, der selber auch ein begeisterter Rhododendron-Fan ist, konnte nach seiner Gärtnerausbildung ein Jahr lang Erfahrungen bei einem Norddeutschen Züchter sammeln. Er erklärt: «Heute sind etwa 20’000 wilde und gezüchtete Arten bekannt!» Lange Zeit waren die Engländer in der Züchtung führend, später kamen solche in Norddeutschland und Holland dazu.
Hohe Zeit im Frühling
Die Blütezeit der Rhododendren erstreckt sich je nach Verlauf der Witterung von etwa Anfang April bis Mitte Juni. Natürlich ist dann auch der grösste Publikumsaufmarsch zu bewältigen, wobei sich die Besucher im grössten Rhododendron-Park der Schweiz auf dem 120’000 Quadratmeter grossen Gelände gut verteilen. Über drei Kilometer misst der Spazierweg durch den Wald vorbei an Hunderttausenden von Blüten, über Holzstege entlang den sogenannten Spiegelteichen mit Seerosen, zu lauschigen Ecken, zur schön eingerichteten Feuerstelle, zum Vogelfütterungsplatz oder auch zum heimeligen Parkbeizli. Neben dem Spazierweg gibt es im Park ein noch mindestens ebensolanges Netz an Holzschnitzelpfaden. «Mir gefällt es hier eigentlich in jeder Jahreszeit», erzählt der Obergärtner Silvan Fluder, «am besten jedoch in der Zeit der Vorblüte. Zeitverzögert über sechs Wochen gehen dann alle Blüten auf, womit sich der Park von Tag zu Tag verändert!» Zusammen mit zwei weiteren Gärtnern und einer Gärtnerin ist er seit vier Jahren für die Pflege des Parks zuständig. War der Park in früheren Jahren nur in den Frühlingsmonaten geöffnet, ist er heute von Anfang April bis Ende Oktober täglich zwischen 8 und 18 Uhr zugänglich. Von den ungefähr 300 im Park zu sehenden Arten und Sorten gibt es heute auch einige wenige, die im Herbst blühen, womit der Park auch dann noch sehenswert bleibt. «Ausserdem ist das Farbenspiel mit den Herbstblättern an den Bäumen und Büschen verbunden mit dem tiefen Grün der immergrünen Rhododendren von besonderem Reiz», erzählt Silvan Fluder mit grosser Begeisterung. Dass im Park Seleger Moor auch viele Fichten stehen, ist für Hochmoorlandschaften eine Ausnahme, die mit der seinerzeitigen Entwässerung zur landwirtschaftlichen Nutzung zu tun hat. Normalerweise gehören eher Birken und Föhren zum Baumbestand auf Moorboden. Da die Bäume aber nicht so tief verwurzelt sind, konnte der Sturm Burglind hier erhebliche Schäden ausrichten. «Letztlich aber bestimmt auch diesbezüglich die Natur den Lauf der Dinge und ich stelle fest, dass die neuen Lichtungen auch eine Chance für weitere Pflanzenansiedelung und Gestaltung gebracht hat», erklärt der erfahrene Gärtner.
Lebendiges Parkangebot
Natürlich ist der Park Seleger Moor in erster Linie ein botanischer Garten, der die Pflanzenfreunde zu faszinieren vermag. Zur Flora gehören aber nicht nur die Rhododendren. Farne aller Arten waren die zweite Leidenschaft des Parkgründers Robert Seleger, weshalb heute das leuchtende Grün zwischen hohen Bäumen im grössten Farngarten der Schweiz bezaubert. Da rings um den Park Naturschutzgebiet liegt, sind im Wald auch seltene Singvögel zuhause, die man bei extra dafür eingerichteten Vogelfütterungsplätzen aus der Nähe beobachten kann. Interaktiv kann man diverse Vogelgesänge anhören und zuordnen, in den durch den schwarzen Moorboden besonders stark spiegelnden Teichen kann man Frösche und Ringelnattern bewundern, eine schön angelegte Feuerstelle lädt zum Verweilen beim Picknick ein, Erzählnachmittage bringen den Kleinsten die Natur näher und «Moorli», das Maskottchen des Parks, entlockt manchem Besucher ein «jööh». Nicht zuletzt ist der Park Seleger Moor so auch zum beliebten Ziel für Schulklassen geworden. Öffentliche Führungen und verschiedene Veranstaltungen zu speziellen Themen wie Vögel, Frösche oder Seerosen ergänzen das Erlebnisangebot für die Grossen. «Wir wollen aus dem Seleger Moor keinen Rummelplatz machen», erklärt Silvan Fluder weiter, «aber wir wollten natürlich dafür sorgen, dass er für alle Altersklassen und so vor allem für Familien attraktiv wird.» Die Einnahmen aus der Tageskasse sind für den Erhalt des Parks natürlich unerlässlich.
Pflanzenverkauf und Kultur
Eine weitere Einnahmequelle ist der Verkauf von Pflanzen, wobei die Käufer von Rhododendren auf Beratung aus erster Hand zählen können. Eine weitere Facette des Parks bietet das Kulturzelt, in welchem Konzerte (Kammermusik am 15. Juni und 2. September, Tango-Abend am 29. Juni) oder auch ein Märliabend inklusive musikalischer Begleitung (am 25. August), Schlangenbrot und Wurst auf dem Feuer und eine ganze Stunde Schauergeschichten geboten werden. Das Kulturzelt kann überdies auch für eigene Anlässe gemietet werden. Es verwundert nicht, dass Kunden aus der näheren Umgebung gerne eine Jahreskarte lösen, um jederzeit beim Verweilen an den Teichen oder einem Spaziergang Erholung zu finden.
Kontakt
Park Seleger Moor
Seleger-Moor-Strasse
8911 Rifferswil
Telefon 044 764 11 19
www.selegermoor.ch