Hoher Geburtstag
«S Guggerzytli» und der «Gluck Gluck-Schottisch» sind zwei Volksmusikhits von Chaschbi Gander. Mit seinem virtuosen Mundharmonikaspiel hat er Ländlermusikgeschichte geschrieben und im Duett Barmettler-Gander war er landauf, landab aus allen Lautsprechern von Radios, Platten-spielern und Musikboxen zu hören. Beliebt waren über Jahrzehnte auch seine fundierten Ansagen an Ländlermusik-Grossanlässen, die er stets mit einem träfen Spruch und Witz zu garnieren wusste.
23.01.2018 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Am vergangenen 4. Januar 2018 durfte Chaschbi Gander in Beckenried, wo er
seit jeher lebt, seinen 90. Geburtstag feiern. Unzählige Auftritte als Jodler, Musikant und Präsentator sowie Schallplattenaufnahmen, Radio- und Fernsehauftritte gehören in den reichen Erinnerungsschatz des rüstigen Nidwaldners. Dessen langjähriges Wirken in einem kurzen Artikel zusammenzufassen, ist nicht möglich. Im 2007 erschienenen Buch «Chaschbi Gander, Volksmusikant, Präsentator und Mensch» wird sein Leben bis kurz vor dem 80. Geburtstag deshalb detailliert erzählt.
Vielschichtig
Sein Wirken in der Volksmusikszene zu beschreiben, ist nach wie vor nicht einfach. Man weiss nämlich kaum, wo man ansetzen soll und was letztlich wichtiger war. Chaschbis erste Erinnerungen gehen zurück an die beiden Frauen aus Luzern, die dem fröhlich jodelnden Knaben in Isenthal seinen sehnlichsten Wunsch erfüllten: Eine eigene Mundharmonika! So, wie er sich mit eigener Vokalisation das schnelle Jodeln von Ländler- und Schottischmelodien angeeignet hatte, erlernte er das Spiel auf seinem «Muilörgeli». Viel später wurden seine Jödeli in Begleitung von Ländlerkapellen auf Platten aufgenommen, womit Gander lange vor Peter Hinnen und Melanie Oesch den virtuosen Zungenschlag verbreitete. Grosse Bekanntheit aber erlangte er zunächst als Jodelpartner von Berta Barmettler. «S Guggerzytli», «S Toggeburgerliedli», «Chumm mit id Bärge ue», «Mis Müeti» oder «S Bättglöggli» wurden durch sie zu vielgespielten Hits. Ebenso berühmt wurden seine Kompositionen «Gluck Gluck-Schottisch» oder «Beckenrieder Älplerchilbi», – um nur deren zwei zu nennen – die noch heute von Kapellen im ganzen Land gerne gespielt werden. Einige hundert Anlässe hat Chaschbi Gander zudem als Präsentator mit seinem schmucken Nidwaldner Dialekt begleitet und bereichert. Mit kurzen, prägnanten Sprüchen und Witzen trug er vieles zur Unterhaltung des Publikums bei, so etwa: «I dr Schuel isch uber z’Thema Verantwortig diskutiert wordä. Da schtreckt dr Seppli und seid, am meynä Hosä sind all Chnepf äwäg bis a einä, und der treid ez die ganz Verantwortig.»
Traditionsbewusst
Als Mitglied der Trachtengruppe Beckenried trat Chaschbi Gander an den damals beliebten Heimatabenden ebenso auf, wie bei internationalen Konzertreisen mit den Buochser Trachtenleuten und seiner Jodelpartnerin Berta Barmettler. Immer ging es ihm um die beste Unterhaltung der Gäste, aber auch um das Hochhalten der Schweizer Traditionen. In der Beckenrieder Kulturszene engagierte er sich über viele Jahre unermüdlich. Unvergesslich sind seine Älplersprüche, die einen festen Bestandteil der Beckenrieder Älperchilbi bildeten und oft wurde er als Tafelmajor gewählt.
Musikalisch hat er sich nie an der reinen Mundharmonika-Szene, sondern vielmehr an der traditionellen Ländlermusik orientiert. Mit der legendären Kapelle Betschart-Rogenmoser, zu welcher sein Schwager Dolfi Rogenmoser gehörte, machte er Tonaufnahmen und bestritt viele Auftritte. Ebenso sah man ihn in der Nidwaldner Huismuisig oder der Kapelle Klewengruess. Ebenso legendär sind auch seine Auftritte mit Albert Lüönd und noch vielen mehr. In den Anfangsjahren des Verbandes Schweizer Volksmusik (VSV) war er auch Mitglied im Zentralvorstand.
Ruhigere Zeiten
Nachdem Chaschbi Gander bis vor wenigen Jahren immer noch für das Ländlertreffen in Beckenried verantwortlich war, ist es jetzt etwas ruhiger geworden. Seit seine liebe Frau Elisabeth verstorben ist, wird er liebevoll von seinem im Nachbardorf Buochs lebenden Sohn und dessen Frau unterstützt, weshalb er immer noch in seiner Wohnung am Rosenweg wohnen kann. Und natürlich erfreut er sich am weiteren Gedeihen seiner grossen Familie, mit der er am 4. Januar seinen Jubeltag feiern konnte und wo auch sein Sohn aus Amerika mit seiner Familie zu Besuch in der Schweiz war. Nicht nur mit seinen Kindern Kaspar, Herbert und Margrit, sondern auch mit seinen Grosskindern musiziert Chaschbi Gander noch heute gerne auf hohem Niveau, so wie beispielsweise erst im letzten Jahr am Heirassa-Festival in Weggis.
Den Deckel auf die grossartige Karriere als Mundharmonikavirtuose legt die Szene selber. Es ist fast nicht zu glauben, aber wahr: Vielleicht muss Chaschbi sein Musizieren nicht aufgrund seines Alters einschränken, sondern weil es die von ihm verwendeten Mundharmonikas der Marke «Comet» nicht mehr in der gebrauchten Tonart gibt!
Chaschbi Gander im Land&Musig-Interview
In deiner 2007 erschienenen Biographie steht auf Seite 28: «Am 4. Januar 1928, morgens um halb sechs wurde Kaspar im Haus Stalden ennet der Egg in Emmetten geboren.» Du bist nun 90 Jahre auf der Welt und Beckenried stets treu geblieben. Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du diese Sätze hörst?
Zunächst eine grosse Dankbarkeit. Dann staune ich auch darüber, was mir das Leben nach dem Start in völliger Armut im Laufe der vielen Jahre alles gebracht hat.
Wie resumierst du nach so vielen Lebensjahren deinen Lebenslauf?
Ich hatte sehr viel Glück, denn ich hatte nie einen Unfall und bin in meiner lieben Familie noch immer gut geborgen. Obwohl ich nie einen Beruf erlernen konnte, konnte ich meinen Kindern ein guter Vater sein, wenn auch die Verdienste diesbezüglich viel mehr bei meiner lieben Frau liegen. Mit meiner Musik und dem Jodeln konnte ich an Orte kommen, die mir sonst verschlossen geblieben wären und ich habe viele Freunde gefunden, mit denen ich glückliche Jahre erlebt habe.
Du warst als Jodler und Musikant landesweit bekannt. Am 8. Dezember 1959
hattest du in Riehen die ersten Ton-auf-nahmen. Was bedeutete das für dich?
Natürlich war ich aufgeregt und nervös und sicher auch ein bisschen stolz. Es war ja wirklich nicht selbstverständlich, dass man dazu angefragt wurde.
Das Guggerzytli ist wohl das bekannteste Lied, das du mit Berta Barmettler aufgenommen hast. Es ertönte im ganzen Land aus jeder Musikbox und viele Jahre in den Wunschkonzerten. Heute würde man einen derart erfolgreichen Sänger als Star bezeichnen. Als solchen hast du dich ja nie gesehen. Aber wurdest du als solcher auch da und dort empfangen? Gab es besondere Auftritte?
Star ist wohl etwas übertrieben, aber Zuspruch und Anerkennung durfte ich auch erleben. Es war natürlich ein erhebendes Gefühl, wenn mich das Publikum schon mit Applaus empfing. Als Anerkennung darf ich aber auch die vielen Engagements sehen, die wir im ganzen Land bekamen. Es war halt schon vieles noch ganz anders als heute. Ganz allgemein wurde Musik und Jodel mehr geschätzt. Besondere Auftritte waren für mich beispielsweise die Heimatabende mit prall gefüllten Sälen. Gerne denke ich auch an die Kreuzfahrten oder an Auftritte in Amerika zurück. Wenn ich dort das Guggerzytli sang, durfte ich nicht mehr ins Publikum schauen, sonst hätte es auch mich übernommen!
In diesem langen Leben gab es ganz bestimmt auch manche prägende Momente. Kannst du einige aufzählen?
Meine Mutter hat mich mit strenger Hand erzogen, jedoch nie geschlagen. Wir Kinder haben gelernt, was Ordnung ist, wie man sich verhält und was sich gehört. Das ist wohl die wichtigste Prägung. Dann aber auch die Tatsache, dass man mit Fleiss vieles erreichen kann. Prägend waren im Weiteren die vielen schönen Stunden mit meiner Familie, sei es zuhause, beim Wandern in den Bergen oder auf unserem Schiffli. Vielleicht war auch die Tatsache prägend, dass ich nie ein Auto hatte. Dank meinen Tausenden von Kilometern auf dem Velo bin ich ja auch jetzt noch gut zwäg!
Aus Erfahrung wird man klug, heisst es. Würdest du in einem zweiten Leben etwas anders machen?
Ich hätte vielleicht schon dieses und jenes anderes gemacht, wenn ich dazu die Möglichkeit gehabt hätte. Eine Berufslehre wäre halt schon gut gewesen, dann hätte ich für die gleiche Arbeit etwas mehr verdient (lacht). Wirklich anders würde ich die Sprachen einschätzen. Ich würde vor allem Englisch lernen.
Du hast die Geschichte der Ländlermusik von ihrer Hochblüte bis heute miterlebt und konntest mit hervorragenden Musikanten zusammenspielen. Wie beurteilst du die heutige Volksmusik?
Die Volksmusikszene ist nicht mehr vergleichbar mit dem, was sie früher war. Die jungen Leute haben bessere Möglichkeiten für ihre Ausbildung. Ich meine aber, dass wir deshalb auch zu viel «Maschinen-Musik» haben. Das Herz in der Sache bleibt zu oft auf der Strecke. Die Volksmusik ist wie vieles andere auf der Welt auch lauter geworden. Es ist aber schwierig, sich bei der heutigen Vielfalt ein Bild zu machen.
Sieht man dich auch heute noch bei Auftritten?
Ja, ab und zu kommt es noch zu kleinen Auftritten mit meinem Schwager Dolfi Rogenmoser. Am letzten Heirassa-Festival durfte ich mit meiner Familie spielen und jedes Jahr spielen wir noch an der alten Fasnacht in Brunnen.
Was wünschst du dir zu deinem hohen Geburtstag?
Keine Geschenke, gesund bleiben und dass ich dann, wenn es einmal «nidsi» geht, nicht noch lange krank bin. Aber dafür habe ich ja auch eine Patientenverfügung ausgefüllt!