Geschichtenerzähler mit Bodenhaftung
Mit Rockermähne, breitem Berndeutsch und grosser Leidenschaft zieht der gebürtige Emmentaler durchs Land. In seinem Gepäck finden sich zahlreiche Instrumente, viel persönliche Lebenserfahrung und eine zünftige Portion Kreativität. Mit Liebe zum Detail und dennoch viel Spontanität entsteht aus all diesen Utensilien der besondere Groove von Dänu Wisler, der mit Worten und Musik unglaublich viel zu erzählen hat.
23.03.2017 | VON STEFAN SCHWARZ
Als einfacher Emmentaler «Buregieu» bekam der 1965 geborene Dänu Wisler eine natürliche Bodenständigkeit mit auf den Weg, die er in seinem Leben immer wieder nutzen konnte. Er kennt sich mit Kühen aus, kann beim Holzen mitreden und findet so bei der ländlichen Bevölkerung trotz augenfälligem Rockerblut stets den richtigen Ton. Seine wahre Identität musste sich Dänu anfänglich aber hart erkämpfen. Im familiären Umfeld waren eher Schwyzerörgeli Trumpf und die von ihm anvisierte Rockmusik in Verruf: «Die Cheibe nä nume Rauschgift u mache aues, wo verbote isch», hiess es damals und so wurden zuhause Dänus musikalische Anfänge auf der Trompete weit besser goutiert.
Auf der Suche nach dem wahren Sinn des Lebens
Mit dem ersten Stiftenlohn als Polymechaniker kaufte sich Dänu Wisler eine Gitarre, gründete mit Gleichgesinnten eine Band und fand endlich seine eigene klingende Heimat. Beruflich musste er sich etwas länger durchkämpfen, um auch hier Befriedigung zu erfahren. «Jede einzeln Tag als Mech het mi agschisse», erzählt Dänu rückblichend und erinnert sich an sein damaliges Motto: «Wenn i das cha schaffe, schaffi alles i mim Läbe!» Auf der Suche nach dem Sinn seines Tuns fand der leidenschaftliche Freizeitmusiker im Alter von 23 Jahren im theologischen Bereich eine neue Berufung und wurde Religionslehrer. Aktiv war Dänu Wisler in der Folge vorwiegend als einfühlsamer Jugendarbeiter, welcher nach Jahren in Thun zusammen mit seiner fünfköpfigen Familie auch in einer spanischen Hafenstadt mit grossem Drogenumschlagplatz lebte.
«Wenn i das cha schaffe, schaffi alles i mim Läbe!»
In allen bisherigen Lebenssituationen erwies sich die Musik für Dänu Wisler als stabiler Anker und persönliches Ausdrucksmittel, um Erlebnisse und Eindrücke verarbeiten zu können. Im intensiven Selbststudium sowie dank Erfahrungen aus zahlreichen Workshops und dem einjährigen Studium an der Jazz-Schule Luzern entwickelte Dänu Wisler auf der akustischen Gitarre nach und nach eine eigenständige musikalische Figur, die nicht nur von der Berner Rocktradition, sondern nicht zuletzt auch vom folkigen Sound eines Bob Dylan geprägt ist. Trotz seiner Offenheit für allerlei Einflüsse aus anderen Kulturen blieb Dänu Wisler stets auch mit der einheimischen Musikkultur verbunden und spielt seit rund 10 Jahren selber Alphorn. Das urige Instrument begleitet den Musiker jedoch längst nicht nur auf die Bühne. Als topfitter Naturbursche hatte Dänu Wisler das Alphorn beispielsweise auch bei seiner Quergang-Tour wandernd durch die Schweiz im Gepäck oder liess dieses gar auf höchsten Gipfeln wie Eiger, Mönch oder Matterhorn erklingen.
Das ganze Leben ist für Dänu Wisler eine einzigartige Entdeckungsreise mit vielen individuellen Kapiteln: «I wott ds Läbe bewusst läbe, mi sälber u mini Umwält entdecke!». Dazu gehört neben facettenreichen Klängen und geistreichen Geschichten eben auch die Heimat, welche mit ihrer Geschichte, ihrer Religion, ihrer Politik, ihren Bergen oder ihrer Musiktradition eine ganze Menge zu bieten hat. Ein kurzer Blick ins Büchergestell zeigt aber nicht nur heimatliche Literatur wie jene von Gotthelf oder das Porträt von Wislers Heimatgemeinde Sumiswald. Neben der Biografie von Bob Dylan oder einem Fachbuch über den Blues findet sich beispielsweise auch das spirituelle Werk «Die Himmelsleiter». Diese offensichtlichen Gegensätze sind charakteristisch für Dänu Wisler, der neben seiner lustigen, kommunikativen und unterhaltenden Art durchaus auch eine melancholische Seite hat. «I cha mi ou zrügg zieh, grüble, studiere u wenn müglech ou no jammere», reflektiert er diese andere Facette mit einem Augenzwinkern.
Angebote für den Nachwuchs
Ab dem Jahr 2000 setzte Dänu Wisler voll auf die Karte Musik und wurde mit seiner Familie im appenzellischen Walzenhausen sesshaft. Ein zu einer Art grossen WG umfunktioniertes ehemaliges Bauernhaus wurde 15 Jahre lang zu einem musikalischen Tummelplatz der ganz besonderen Art. In Wislers Musikschule wurden nicht einfach nur einzelne Musikstunden besucht, sondern man konnte als Musiker oder als Band ein Wochenende, eine ganze Woche oder sogar ein ganzes Jahr vom exklusiven Angebot profitieren. Essen inklusive! Das komplette Band-Coaching beinhaltete auch Lektionen von weiteren Lehrkräften in Instrumentalfächern wie Klavier oder Gitarre sowie Harmonielehre, Rhythmik und Gehörbildung. Dank der idealen Infrastruktur war das besondere Musikschulkonzept auch für Schüler aus dem grenznahen Deutschland erschwinglich und wurde teilweise auch von Behinderten genutzt.
Die Wirtschaftskrise sowie spürbare Abnützungserscheinungen nach einer extrem intensiven Zeit ohne grosse familiäre Freiräume zwangen Dänu Wisler im Jahr 2015 zu einer privaten und beruflichen Neuausrichtung. Aus einem Inserat erfuhr er, dass von der Kirchgemeinde im toggenburgischen Neckertal ein Popularmusiker gesucht wird. Wisler meldete sich für den Teilzeitjob, obschon er das geforderte Klavier- und Orgelspiel nicht abdecken konnte. Stattdessen überzeugte er die Verantwortlichen mit einer ganz besonderen musikalischen Vision, welche die Kirche insbesondere für Kinder und Jugendliche zur motivierenden Anlaufstelle in Sachen Musik machen sollte. Die Kirchgemeinde liess Dänu Wisler freie Hand und schon nach kurzer Zeit bereicherten diverse von ihm gecoachte Musikerinnen und Musiker das musikalische Geschehen innerhalb der Kirchgemeinde. Unter den musikalisch Betreuten sind auch zwei Flüchtlinge aus Somalia und Iran, welche bei Dänu Wisler das Spiel auf dem Alphorn erlernen. In seiner trockenen Art meint er dazu: «I bi mau i ds Flüchtlingsheim abe ga frage, öb Lüt interessiert sige. Jitz hei die ömu ou e chli Öppis z tüe!»
Bunte Geschichten von heute und aus der VergangenheitEin ganz besonderes Projekt ist die Neckertaler Alphornmesse, welche im September bereits zum zweiten Mal zur Aufführung gelangen wird. Im straffen 45-minütigen Programm haben die Musikdarbietungen der rund 20 jungen Mitwirkenden einen hohen Stellenwert. Dabei werden Gesang und traditionelle Alphornklänge geschickt mit modernen Grooves von Schlagzeug, Bass, Gitarren und allerlei weiteren Instrumenten vermischt, während der religiöse Wortanteil des Gottesdienstes packend auf ein Minimum reduziert wird.
Das berufliche Teilzeit-Engagement im Dienste von Jugend und Kirche ist nur eine Facette von Dänu Wislers grosser Kreativität. Eine besondere Herzensangelegenheit für den gebürtigen Emmentaler sind nämlich die rund 50 jährlichen Auftritte in Kleinkunsttheatern, bei Kulturvereinen oder an Firmen- und Privatanlässen. Je nach Wunsch und Budget des Auftraggebers erscheint Wisler dort im Duo, im Trio oder auch als vier- bis fünfköpfige Band. Zu den bevorzugten personellen Besetzungen des Musikers gehört die Wisler-Gang mit zwei Söhnen und einem Neffen. «Das isch e heissi Truppe mit 100 Prozent Wisler», schmunzelt Dänu und erwähnt im Hinblick auf die vorwiegend volkstümliche Land&Musig-Leserschaft die fruchtbare und regelmässige Zusammenarbeit mit dem Duo Thürler-Mosimann an Schwyzerörgeli und Bass.
Entsprechend der jeweiligen instrumentalen Zusammensetzung wird Wislers musikalisches Grundmaterial aus Zutaten wie Rock, Pop, Folk, Country, Latin oder mittelalterlichen Klängen individuell serviert und durch das Alphorn stets noch mit einem Schuss Heimat angereichert. Süffig zubereitet sorgen letztendlich auch die Texte für jene Bodenständigkeit, welche die klingenden Geschichten von Dänu Wisler zu Herzen gehen lassen. Während im soeben fertiggestellten Album «Schrummer & Horn» der musikalische Part dominiert, wird das Programm bei Live-Auftritten durch gelesene Kurzgeschichten und Anekdoten bereichert. Als Buchautor hat Dänu Wisler im Laufe der Jahre nämlich ebenfalls schon verschiedentlich auf sich aufmerksam gemacht. Ganz aktuell beschreibt er mit dem Roman «Im Schatten der sieben Fürsten» die Schicksalsjahre des jungen Zwingli. Die spannende Geschichte beginnt im Jahre 1484 in Wildhaus und führt die Leser zusammen mit der Hauptperson Ueli Zwingli quer durch die Schweiz an verschiedene geschichtsträchtige Schauplätze. Die Buchvernissage mit Lesungen von SRF-Moderator Joschi Kühne findet am Sonntag, 23. April 2017, ab 10 Uhr in der Kirche Oberhelfenschwil statt und wird durch musikalische Einlagen bereichert.
Land&Musig im Wisler-Style
Dänu Wisler hat seinerzeit als Emmentaler Bauernsohn nie selber zum Schwyzerörgeli gegriffen und kann auch heute als Alphornbläser nicht im Volksmusikbereich angesiedelt werden. Dennoch ist der vielseitige Künstler mit seinem besonderen Werdegang und seinen Geschichten ein charismatischer Mensch, welcher die Begriffe «Land&Musig» in besonderer Art und Weise in sich vereint und mit seinem persönlichen Groove bestimmt noch viel bewegen wird.