Domenic Janett

«Ün musicist cun corp ed orma»

Die grosse musikalische Leidenschaft ist dem Bündner Domenic Janett ins markante Gesicht geschrieben. Bekannte Formationen wie «Engadiner Ländlerfründa» oder «Ils Fränzlis da Tschlin» hat er massgebend mitgeprägt. Und auch bei vielen anderen musikalischen Aktivitäten wirken seine freudig funkelnden Musikeraugen immer wieder ansteckend.

24.01.2016 | VON STEFAN SCHWARZ

Seit ich mich mit Ländlermusik befasse, ist mir der Name Domenic Janett ein Begriff. Zuerst nahm ich ihn als Musiker und Komponist der bestbekannten «Engadiner Ländlerfründa» wahr und erst später bekam ich mit, dass der Bündner ein studierter Berufsmusiker ist. Eines Tages besuchte ich in Bern interessiert ein klassisches Konzert, in welchem Domenic Janett auch als Klarinettensolist auftrat. Den schwarzen Anzug kaufte ich ihm zwar nicht wirklich ab. Die Musik aber schon! Denn nie zuvor erlebte ich in klassischem Umfeld einen Musiker, der mein Musikantenherz mit ausdrucksstarkem Spiel derart berührte. Die Freude des Solisten war nicht nur in dessen Augen abzulesen. Auch sein von Bart und Instrument fast vollständig verdeckter Mund offenbarte stets ein dankbares

Lächeln. Als Musikant wagte ich mich zu jener Zeit auch an Ländlerkompositionen von Domenic Janett. Das interessante Wechselspiel von urchig-tradi­tionellen Elementen aus der Bündner Ländlermusik mit überraschenden und harmonisch kniffligen Wendun­gen sprach mich und meine Musikkollegen an und wirkte befruchtend auf das eigene Schaffen. Nachdem ich Domenic Janetts Werdegang für dieses Porträt näher kennenlernen durfte, beeindruckt mich dieser Mann immer mehr, welcher nie sich selber in den Vordergrund stellt, sondern viel lieber die Musik sprechen lässt.



Musikerdynastie aus Tschlin
Trotz erblicher Vorbelastung durch die äusserst talentierte und engagierte Unterengadiner Musikantendynastie Janett konnte Domenic keine fundierte Ausbildung geniessen. Nach einem Jahr Blockflötenunterricht zeigte ihm ein Onkel ganz rudimentär, wie man in ein Saxophon bläst. Die Griffe adaptierte der aufgeweckte Jüngling selber auf das neue Instrument, denn schliesslich wollte der Fan von rassiger Oberkrainermusik dereinst selber Unterhaltungsmusik machen. Vorübergehend befasste sich Domenic in dem vom Vater initiierten Bläserkurs der Jugendmusik aber noch mit der Posaune, bevor er das Saxophon definitiv bevorzugte und gegen Ende der Schulzeit erste Auftritte mit der «Chapella Janett» absolvierte. Zur Konfirmation bekam er eine Klarinette, die er in der vielseitig aufspielenden Familienformation inbesondere bei zweistimmigen Melodien aus dem Ländlerrepertoire passend einsetzte.

Nach einer Schreinerlehre absolvierte Domenic Janett die Rekrutenschule bei der Militärmusik und wagte 1972 dank der Überredungskunst von studierenden RS-Kollegen den Schritt ans Konservatorium Zürich. Das Studium war anfänglich eine grosse Herausforderung, da dem Engadiner viele Erfahrungen und Kenntnisse fehlten, welche die Unterländer mit Mittelschulbildung bereits mitbrachten. Domenic Janett lernte aber schnell und verdiente sich den Lebensunterhalt bereits während der Ausbildung durch seine Unterrichts- und Musikertätigkeit.

Durch die Auftritte mit der Familienformation, die mit ihrem Unterhaltungrepertoire in der Region sehr beliebt war, wurde Carlo Simonelli von den kurz zuvor gegründeten «Engadiner Ländlerfründa» auf Domenic Janett aufmerksam. 1973 erfolgten erste gemeinsame Auftritte und bei der Schallplattenproduktion «Viva Engadina» im Jahre 1974 war Domenic Janett bereits fix als zweiter Klarinettist mit von der Partie. Von diesem Moment an nahm der Siegeszug der Kapelle ihren Lauf. Mitverantwortlich für den grossen Erfolg waren neben dem Können aller Musikanten auch die vielen eingängigen und typischen Eigenkompositionen aller Kapellenmit­glieder sowie deren Ausstrahlung auf der Bühne. Parallel dazu entstanden aus der einstigen «Chapella Janett» nach altersbedingten Austritten «Ils Frars Janett-Caviezel», die sich schweizweit vor allem in Fachkreisen Gehör verschaffen konnten. Mehr Publikumsresonanz erhielt  die Formation «Ils Fränzlis da Tschlin», welche 1981 in Erinnerung an die «Original Fränzli-Musik» von Franz Waser (1858-1895) nur als Projekt ins Leben gerufen worden war. Das etwas anders klingende Volksmusik-Ensemble mit Geige, Klarinette, Kornett, Bratsche und Kontrabass löste vor allem bei den Medien ein grosses Echo aus und wurde rege gebucht. Als musikalischer Leiter, Klarinettist und Hauskomponist prägt Mitbegründer Domenic Janett die «Fränzlis» bis zum heutigen Tag.

Abseits der Ländlerbühne
Domenic Janett wirkt neben den Aktivitäten mit seinen Kapellen nach wie vor als motivierender Musiklehrer und gibt sein Können gerne auch bei diversen Volksmusikkursen weiter. Zudem war er in den letzten 40 Jahren auf verschiedenensten musikalischen Bühnen aktiv. So wirkte er nicht nur als Bläser in diversen Ensembles und Orchestern, sondern diri­gierte nach der Zeit am Konservatorium während rund 15 Jahren das Streichorchester «La Stailetta». Am 12. Juli durfte Domenic Janett seinen 65. Geburtstag feiern und hat somit das Pensionsalter erreicht. Der Ernäherer einer Familie mit zwei studierenden Kindern kann jedoch noch nicht ganz zurücklehnen. Doch als aktiver Musiker auf der Bühne sowie als fleissiger Komponist und Arrangeur im stillen Kämmerlein denkt Domenic Janett ohnehin noch lange nicht ans Aufhören. Höchstens als Musiklehrer wird er sein Pensum jetzt nach und nach reduzieren, um angefangene und neue Ideen im heimeligen Haus in Stuls ob Bergün in aller Ruhe in die Tat umsetzen zu können.

Während Domenic Janett voller Begeis­te­rung von seinen aktuellen Kompositio­nen und Projekten erzählt, fallen mir wieder dessen freudig leuchtenden Augen auf. Ohne Worte teilen sie mir mit, dass der liebenswürdige, bescheidene und dankbare Bündner in der Musik eine Berufung gefunden hat, deren Feuer wohl nicht so schnell erlöschen wird.

Das grosse Interview mit Domenic Janett

Mit zurückhaltender Leidenschaft

Musik kennt unzählige Ausdrucksformen. Warum engagierst du dich insbesondere im Bereich der Ländlermusik?
Nach den Anfängen in der Ländler- und Unterhaltungsmusik sowie meinem Musikstudium im klassischen Bereich war ich eigentlich für fast alles offen. Im Laufe der Jahre hat es sich aber mehr und mehr so ergeben, dass ich mich neben der Musiklehrertätigkeit vorwiegend im Volksmusikbereich engagierte.

Mit welcher Musikerin oder welchem Musiker hättest du gerne einmal gespielt?
Mit Slavko Avsenik hätte ich gerne einmal musiziert, denn seine Art der Oberkrainermusik begeistert mich immer wieder. Leider hat sich ein Treffen nie ergeben und mittlerweile ist der slowenische Akkordeonist von der Bühne abgetreten.

Woher nimmst du die Energie und Motivation für deine Aktivitäten?
Beim aktiven Musizieren spielt bei mir die Freude nach wie vor mit, so dass ich mich nicht speziell zu motivieren brauche. Voraussetzung hierzu ist aber, dass es «rund läuft» und die gemeinsam gemachte Musik zu einer schönen und lebendigen Einheit wird. Als Komponist beginne ich mich durch eine konkrete Aufgabenstellung mit einem bestimmten Thema zu befassen und bekomme somit auch die Energie, die hierzu passenden Töne und Harmonien zu finden.

In welchem Fach wärst du heute aktiv, wenn dir nicht das Tor zur Musik offen gestanden hätte?
Das ist rückblickend schwer zu beantworten. Als gelernter Schreiner hätte es mich später vielleicht Richtung Architektur gezogen. Aber auch die Rolle eines Wildhüters hätte vielleicht zu mir passen können, wobei ich nicht ganz genau weiss, was das im Detail alles bedeutet hätte.

Wie geht es unserer Schweizer Volksmusik-szene in 25 Jahren?
Die Musikgeschichte ist immer in Bewegung. Ich bin deshalb kein Purist, der nur den Erhalt der Traditionen fordert. Ich meine aber auch, dass eine innovative Weiterentwicklung nicht auf Biegen und Brechen erzwungen werden kann. Durch die Auseinandersetzung mit überlieferter Volksmusik können jedoch auf ganz natürliche Art und Weise neue Formen entstehen. Und wenn diese den richtigen Boden finden, werden sie ganz automatisch wachsen und ihren Platz im Umfeld der nächsten Generation finden.

Was spielt in deinem Leben neben den musikalischen Aktivitäten eine wichtige Rolle?
Unsere kleine vierköpfige Familie liegt mir sehr am Herzen und ich finde es immer wieder toll, wenn wir gemeinsam Zeit verbringen können. Dann schätze ich unsere besondere Wohnsituation, die ab und zu durchaus auch Nachteile mit sich bringt. Und zu guter Letzt erachte ich den guten Zusammenhalt innerhalb unseres ganzen «Familien-Clans» als äusserst wertvoll.

Welches Kapitel deines bisherigen Lebens möchtest du unter keinen Umständen missen?
Die Musik hat mein Leben geprägt und ich bin dankbar für alles, was sie mir geschenkt hat. Auch sonst würde ich meine Lebensgeschichte wohl nicht gross umschreiben!

Was sind deine charakteristischen Stärken?
Ich bin fast immer zufrieden und habe eine positive Lebenseinstellung. Als zurückhaltender Mensch, der es gerne allen Recht machen möchte, bin ich als Führungspersönlichkeit aber eher ungeeignet. Wenn ich jedoch auf einer Bühne etwas bewirken kann, dann trete ich immer mal wieder aus diesem Schatten heraus und versuche, das musikalische Geschehen positiv zu beeinflussen.

… und die Schwächen?
Leider schiebe ich unerledigte Aufgaben viel zu lange vor mich hin, so dass zwischendurch ein belastender Berg entsteht. Dazu kommt, dass meine Arbeitsweise nicht immer sehr effizient ist und ich für gewisse Dinge einfach mehr Zeit brauche als andere.

Welches Reiseziel möchtest du gerne einmal ansteuern?
Ich reise gerne, doch schöne Orte fallen mir meist erst dann auf, wenn ich bereits dort bin. Aus diesem Grund habe ich kein bestimmtes Reiseziel und lasse mich überraschen, wohin es mich noch verschlagen wird.

Wie verbringst du deine Freizeit?
Da ich als Musiker ein äusserst abwechslungsreiches und bereicherndes Berufsleben führe, brauche ich eigentlich gar nicht allzu viel Freizeit. Im September nehme ich mir aber gerne Zeit für die Jagd und selbstverständlich geniesse ich dazwischen immer wieder auch verschiedene familiäre Aktiviäten.

Was kommt dir beim Stichwort «Essen» in den Sinn?
Ich esse gerne gut und schätze ein Glas Bier oder Wein. Vom Fünfgänger in ei­nem vornehmen Restaurant über ein feines Stück Hirsch bis hin zu alter Engadinder Hauskost oder einem einfachen Cervalatsalat geniesse ich jedes feine Gericht. Für mich muss es also überhaupt kein Kaviar sein!

Bist du tierliebend und gibt es ein Lieblingstier?
Gämsen in freier Wildbahn beobachte ich sehr gerne. Eigentlich aber ist das ein Widerspruch, denn als Jäger schiesse ich ja auch auf diese Tiere. Hunde und
Katzen sind weniger mein Ding, weil ich allergisch auf Tierhaare reagiere.

Wie sieht es mit Sport aus?
Ich fahre Ski, gehe Fischen mit meinem Sohn und verfolge mit Interesse Skirennen oder wichtige Fussballspiele. Dabei mache ich mir immer auch meine Gedanken darüber, welche Rolle der Trainer spielt und was er zugunsten der Athlethen verändern könnte.

Hättest du wie als Musiker auch Sportler zu Höchstleistungen animieren können?
Mit meinen Brüdern habe ich früher zumindest darüber gefachsimpelt…

Bist du sentimental, romantisch oder eher Realist?
Realist bin ich wohl am wenigsten. Romantik geniesse ich im passenden Moment und eine sentimentale Ader ist mir definitiv nicht abzusprechen. Letztendlich hat bei mir aber jede Facette zwischendurch mal die Oberhand.

Wo fühlst du dich sicher und geborgen?
Besondere Geborgenheit erlebe ich zuhause im Familienkreis. Aber ich kann mich auch auswärts und in fremdem Umfeld pudelwohl fühlen.

Wie nimmst du die heutige Welt wahr?
Weil ich stets eine Ladung unerledigter Aufgaben vor mich hinschiebe, befasse ich mich leider nur oberflächlich mit der Politik und dem Weltgeschehen. Das soll aber nicht heissen, dass mir egal ist, was passiert!

Aber du engagierst dich dennoch in der örtlichen Kirchgemeinde…
Irgend jemand muss das ja machen!

Was sind die grössten Fehler, die heute rund um den Erdball begangen werden?
Die Abholzung des Regenwaldes und die negative oekologische Entwicklung geben mir schon zu denken.

Was möchtest du sofort verändern, wenn du trotzdem die Macht dazu hättest?
Wenn ich die grausamen Machenschaften in verschiedenen Krisengebieten einfach abstellen könnte, würde ich keine Sekunde zörgern.

Welche Errungenschaft der modernen Zeit möchtest du nicht missen?
Mein Musikprogramm, das mir auf dem Computer das Schreiben von Partituren vereinfacht, ist manchmal schon Gold wert. Auch das Handy und andere moderne Annehmlichkeiten nutze ich gerne, obschon ich immer wieder feststellen muss, dass wir trotz Hilfe von allerlei Geräten deutlich weniger Zeit haben als früher…

Und was wünschst du dir ins Pfefferland?
Gewisse gefährliche sportliche Aktivitäten für den ultimativen Adrenalinkick erachte ich als sinnlos.

Was macht dir die grösste Freude?
Wenn die Musik beim Spielen auf einmal zu leben beginnt, erlebe ich immer wieder besondere Glücksgefühle. Und wenn  jetzt plötzlich ein fast unerschwinglicher moderner Feldstecher mit Entfernungsmesser dastehen würde, hätte ich natürlich auch grosse Freude daran.

Wann bist du sprach- oder tonlos?
Weil mir die passenden Argumente in der Diskussion mit anderen Menschen oftmals erst viel zu spät in den Sinn kommen, kann ich ganz gut schweigen und mich zurückziehen. Wenn man mir jedoch zu stark auf die Füsse tritt, dann wehre ich mich jedoch schon.

Gibt es einen unerfüllten Lebenstraum?
Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe.

Bist du ein Spielertyp?
Eigentlich nicht. Ich kaufe aus Anstand ab und zu mal bei Vereinen ein Los oder lasse mich von der Familie zu einem Spieleabend überreden. Wenn sie mich soweit haben, kann ich mich schon daran erfreuen. Selber aber käme ich nicht auf die Idee…

Welches Sternzeichen bist du und ist das für dich typisch?
Die Eigenschaften des Krebs treffen auf mich sicherlich zu. Ich bin meist zurückhaltend und auf der sicheren Seite bis ein guter Grund mich nach vorne treibt.

Welches Buch liegt zurzeit auf deinem Nachttisch?
Ich bin keine Leseratte. Höchstens mit Fachliteratur zum Thema «Jagd» kann man mich ködern.

Welchen Lebensrat gibst du einem Jugendlichen?
Weil sich Jugendliche in einem Ablöseprozess befinden, nehmen sie gute Ratschläge ungern an. Deshalb rate ich ihnen, trotz eigenem Kopf den ei­nen oder anderen Ratschlag zu beherzigen. Denn schon wenige Jahre später werden sie uns «Alten» nämlich Recht geben…

Zur Person

DomenicKindGeburtsdatum
12. Juli 1949

Heimatort
Tschlin

Zivilstand/Familie
Verheiratet und Vater von zwei Kindern

Hobbys
Musik, Skifahren, Jagd, Fischen

Erster Beruf
Schreiner

Heutige Tätigkeit
Klarinetten- und Saxophonlehrer an verschiedenen Musikschulen in Graubünden sowie freischaffender Musiker und Komponist.

Musikalischer Werdegang in Kürze
Im musikalischen Umfeld der Familien Janett in Tschlin liess sich Domenic Janett vom Musikvirus anstecken und spielte alsbald Saxophon in der «Chapella Janett». Zur Konfirmation erhielt er seine erste Klarinette und nach der RS schaffte er die Prüfung ans Konservatorium Zürich. Alsbald wurde Domenic Janett zu den «Engadiner Ländlerfründa» gerufen und half mit, diese Formation zu einer der bekanntesten Ländlerkapellen zu machen. Aus der «Chapella Janett» wurden im Laufe der Jahre «Ils Frars Janett-Caviezel» und Anfang der 1980er-Jahre entstand mit «Ils Fränzlis da Tschlin» rund um Domenic Janett eine weitere Formation, die von sich reden machte. Neben seinen volksmusikalischen Aktivitäten arbeitete der vielseitige Musiker stets als Musiklehrer, wirkte als Bläser und Dirigent in Orchestern und Ensembles und komponierte für verschiedenste Formationen.

Aktuelle CDs

7875

Engadiner Ländlerfründa: «On the Rocks» (2012)

Zyt4922

Ils Fränzlis da Tschlin: «Fränzlis live! – Da la Turnhalla à la Ton- halla» (2009)

Kontakt

Domenic Janett
Stuls 25
7482 Bergün
Telefon 081 407 22 76