Emmentaler Schaukäserei Affoltern i.E.
Was auf der ganzen Welt der Schweizer Käse ist, heisst bei uns Emmentaler. Er hat viele Generationen von Berner Bauern, Chüejern und Sennen am Leben erhalten, die Landwirtschaft beeinflusst und ist zu einem Gütezeichen für Tradition und Bodenständigkeit geworden. Die ganze Geschichte wird in der Schaukäserei in Affoltern im Emmental lebendig.
25.07.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Behäbige Bauernhäuser mit grossen Dächern, ganze Häuserfronten mit blühenden Geranien, ein zottiger Berner Sennenhund. Es riecht nach frischem Heu und auf der Fahrt über die Hügelkreten sieht man vom Jura bis zu den Alpen: Das ist tiefstes Bernbiet wie aus dem Bilderbuch und zugleich glückliche Realität. Wer die Schaukäserei in Affoltern besuchen möchte, muss zunächst durch diese Gegend fahren. Dabei erfährt man im wahrsten Sinne des Wortes eines der authentischsten Gebiete unseres Landes, in welcher die volkstümliche Kultur lebt. Dieses Gefühl gehört unbedingt zum Besuch der Schaukäserei, in welcher man zwar die Geschichte aufleben lässt und den Bezug zur Tradition erfährt, aber auch erkennt, dass modernste Technik und Fertigungsmethoden schon lange Einzug gehalten und unabdingbar sind. Hier dreht sich alles um den berühmtesten Käse der Welt, der mit einer gewissen Noblesse in jeder Ecke der herrlichen Anlage zu sehen ist und sich dennoch nicht vordrängt – ein echter Berner eben!
Bedeutung der Käseproduktion
Die Marktsituation hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert und Anpassungen der Landwirtschaft gefordert. Diese hatten schon immer starken Einfluss auf das Leben und die Umgebung der Bauern. Aus topografischen, klimatischen und strukturellen Gründen ist die Milchproduktion oft die einzige Möglichkeit für eine vernünftige Bodenbewirtschaftung. Viehhaltung und Milchwirtschaft stehen in Einklang mit der Natur. Die Milchverwertung trägt beim Produzenten und allen nachgelagerten Verwertungsstufen zur Einkommensbildung bei, fördert die dezentrale Besiedelung und Landbewirtschaftung und sichert so auch die gepflegte Landschaft für den Tourismus. Emmentaler AOP, Le Gruyère AOP und Sbrinz AOP, aber auch Appenzeller® oder Tête de Moine AOP gehören im In- und Ausland zu den bekanntesten Käsen. Gesamthaft werden über 450 Schweizer Käsesorten hergestellt. Knapp die Hälfte der abgelieferten Milch wird zu Käse verarbeitet. Hohe Qualität, Naturbelassenheit und guter Geschmack sind Merkmale des Schweizer Käses, was auch auf die strengen Produktionsrichtlinien, Qualitätskontrollen und Umweltauflagen zurückzuführen ist.
Die Herstellung von Käse lässt sich seit etwa 2000 v. Chr. durch bildliche und schriftliche Überlieferungen nachweisen. Bei den Römern war die Technik der Käserei schon gut entwickelt und auch den Germanen war die Käseherstellung bekannt. Im 16. Jahrhundert vollzog sich allmählich auch im Emmental der Übergang vom ursprünglichen Käsen mit «Sauer» zu jenem mit «Lab». Damit entstanden Hartkäse mit einem höheren Fettgehalt, die feiner, aromatischer und haltbarer waren. Dadurch konnten sie auch im Ausland verkauft werden. Käse gehörte denn auch zum Proviant der eidgenössischen Krieger. Zu einem Holzschnitt von Johannes Stump aus dem Jahr 1548 steht: «Die Landleut Helvetiae haben dreyerley gewerb / etlich den Ackerbauw / und das ist der gröste teil: die anderen bauwend den wein: die dritten, deren auch gar vil ist / umb alle gebirg erneered sich allein des vychs / des sy so vil habend / das nit die weyber allein / sonder starcke menner und knecht küy melckend / käss und ziger machend. Die werden genennt Sennen / ire wonungen und werckstatt sennhütten / und herumm der merteil käs und schmaltz zubereitet werdend: darzu kein frauwenhand kompt.» Seit jener Zeit sind Gerätschaften bekannt, die bis vor kurzer Zeit – wenn nicht sogar noch heute – für die Käseproduktion im Einsatz stehen: Käsekessi, Turner (drehbarer Galgen, an dem das Kessi hängt), Zigerkelle, Käsebrecher, Brenten, Folle, Gon und dergleichen mehr. Bis ins 16. Jahrhundert verarbeiteten die Emmentaler Bauern ihre Milch während der Sommermonate ausschliesslich auf den Alpen. Damals hatte der jüngste Sohn Vorzugsrecht auf den ungeteilten Hof. Damit erhielten die älteren Geschwister bei der Erbteilung kein Land, sondern andere Abfindungen. Mit dieser Erbregelung wurde den landlosen Bauernsöhnen – man nannte sie Küher – die Möglichkeit geboten, mit eigenem Vieh Milchwirtschaft zu betreiben und das Haupterzeugnis Käse in den Agglomerationen und im Export zu verkaufen. Mit zunehmender Bevölkerung und besseren Verkehrswegen stieg die Nachfrage. Die Küher wurden wohlhabend, oft sogar wohlhabender, als der auf dem Hof sesshaft gebliebene Bruder. Bei der Alpauf- und -abfahrt präsentierte der Küher seine Kühe als mobiles Vermögen – reich geschmückt und teilweise mit kostbarem Geläut. Gestickte Glockenriemen, bemalte Tröge, Kühermutz und vieles mehr betonten den Wohlstand. Die Talbauern stellten Stallungen für die Tiere des Kühers und eine Wohnung – meist ein kleines Küherstöckli – zur Verfügung. Dieses musste als nicht ganzjährige Unterkunft nicht gross, jedoch mit einem Feuerraum versehen sein, damit die Milch der noch nicht «gust» (galt) gegangenen Kühe verarbeitet werden konnte. In der Nähe von Agglomerationen brachte der Küher die Milch als Ergänzung zur knapper werdenden Wintermilch in die Stadt. So verstand man in Bern unter Küher das, was später zum eigentlichen Milchmann wurde. Mit dem Küherstöckli machen wir die Verbindung zur Frühgeschichte der Emmentalischen Käserherstellung, zur Schaukäserei in Affoltern im Emmental, denn dort steht ein solches aus dem Jahr 1741.
Museum zum Anfassen
Das Küherstöckli der Schaukäserei Affoltern kann man betreten und benutzen. Täglich wird dort nach traditioneller Art Käse hergestellt. Unter Anleitung des Käsers kann man sich selber als solchen versuchen und einen echten Stöcklikäse herstellen, den man dann nach vier Monaten der Pflege nach Hause geschickt bekommt. Mit dem eigenen Zulangen in einem authentischen Umfeld und umgeben von traditionellen Werkzeugen, gewinnt der Besucher einen tiefen Eindruck in die Arbeit der Küher. Die Schaukäserei soll aber nicht nur einen Blick zurück gewähren. Vielmehr soll sie eine touristische Attraktion, ein lohnendes Ausflugsziel und ein beliebter Aufenthaltsort für die ganze Familie sein. So kann sie ihrem ureigenen Zweck, nämlich der Absatzförderung von Emmentaler Käse, in spielerischer, unterhaltender Art und Weise dienen. Auf dem Gelände der Schaukäserei stehen vier Käsereigebäude aus verschiedenen Zeitepochen. Neben dem Küherstock sind das die Chäshütte aus dem Jahr 1900, die alte Dorfkäserei von 1954 und die 1989 eröffnete Schaukäserei. Wer will, kann durch die grossen Scheiben oberhalb der modernen Käserei einfach beim Käsen zuschauen. Gleichzeitig kann man sich einen Kopfhörer auf die Ohren klemmen und so den Erklärungen des Audioguides an Ort und Stelle zuhören. Dabei führt der Weg durch die vier Käserei-Generationen in Affoltern und somit durch die Geschichte des Emmentaler AOP.
Selber zugreifen kann man auch in der modernen Schaukäserei, wenn innerhalb einer Stunde aus Milch Frischkäse entsteht. Ein Spass für die ganze Familie ist der Detektivweg, auf welchem der verlorene Schlüssel zum Käsekeller gefunden werden soll. In spielerischer Weise wird so auch wieder der Ablauf bei der Entstehung des Emmentaler Käses gezeigt. Und wer es ganz sportlich will, mietet gleich vor Ort ein E-Bike, mit welchem die einzigartige Landschaft des Emmentals erkundet, gespürt und gerochen werden kann. Den passiven Genuss hat man dann im Restaurant, in welchem es nicht nur Fondue und Raclette gibt. Jeden Dienstag spielt dort eine Örgeliformation, womit einmal mehr der Bezug zwischen der Tradition und dem Heute hergestellt wird. Die Örgelinachmittage haben sich mittlerweile zu einem beliebten Anlass entwickelt. Das Programm dazu findet man auch in der Online-Agenda von Land&Musig. Am Ende jedes Monats gibt es einen zusätzlichen Event, der eng mit Brauchtum verbunden ist. Und sicher gehört zu jedem Besuch auch der Rundgang durch den Laden, in welchem neben viel Käse auch Produkte von umliegenden Produzenten angeboten werden.
Andere Käsereien
Die Schaukäserei Affoltern ist nicht nur eine Zurschaustellung des Käsereihandwerks. Täglich wird dort Käse produziert, der in den ordentlichen Käsemarkt geliefert wird. Damit reiht sie sich in die Auflistung der Berner Käsereien ein, die kürzlich im Buch «Chäsereie» erschienen ist. Trotz dem nicht unerheblichen Käsereisterben der letzten Jahrzehnte und dem Wachsen der grossen Milchverwertungsbetriebe bestehen noch kleinere Dorfkäsereien, Molkereien, Berg- und Alpkäsereien. 13 Käsereien im Berner Oberland sowie 23 solche im Emmental haben die Autoren Thomas Bornhauser und Dyami Häfliger in ihrem Buch in Wort und Bild beschrieben. Interessant sind dabei nicht nur die Auflistung der Produkte und Spezialiäten, sondern auch die Vorstellungen der Käserfamilien. Im Anhang werden sämtliche Emmentaler AOP Käse inklusive ihrer Fertigungsmethode detailliert beschrieben. Das 300 Seiten starke Buch (siehe Seite 51) ist nicht nur ein Käse-Lexikon, sondern bietet auch Gelegenheit, Einblick in das Leben der heutigen Käser und somit einen Eindruck einer Jahrhunderte alte Tradition zu erhalten, die noch heute nach gleichen Grundsätzen funktioniert.
Buch zum Thema
Kontakt
Emmentaler Schaukäserei AG
Schaukäsereistrasse 56
3416 Affoltern im Emmental
Telefon 034 435 16 11
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