Baazlis Franz
Wer mit dem rührigen Appenzeller Musikanten ins Gespräch kommt, bemerkt es bald. Kaum eine Thematik ist dem rüstigen Pensionären Franz Manser fremd. Sei es über die Arbeitswelt, die Gesellschaftsentwicklung oder sein liebstes Hobby das Musizieren: Erfahrung und Talent geben sich die Hand und der Innerrhoder mit dem Übernamen «Baazlis Franz» strahlt die daraus resultierende Lebensfreude unweigerlich aus.
24.05.2016 | VON RUEDI ROTH
Ein herzliches «Bis wöllkomm» entspringt den Lippen von Marie-Louise (71) und Franz Manser (73), wenn man die beiden besucht. Etwas ausserhalb des Dorfes Appenzell – an der Weissbadstrasse – sind die Mansers zuhause. Ihr Wohnhaus steht gleich neben den Gebäuden einer stattlichen Baufirma. Diese hat Franz Manser als Einmann-Betrieb ab dem Alter von 18 Jahren kontinuierlich aufgebaut und er dient ihr auch heute noch in verschiedenen Bereichen. Da kommt ihm seine Vielseitigkeit natürlich zugute. Doch infolge echter Bescheidenheit werden das umfassende Wissen und Können des Appenzellers einem Gesprächspartner erst mit der Zeit so richtig vor Augen geführt.
Franz wird «Baazli» genannt
Sowohl in Appenzell als auch in den umliegenden Regionen kennt man Franz Manser unter dessen Spitznamen «Baazli». Die Bezeichnung stammt vom Elternhaus seines Vaters, dem «Barts Hüsli». Aufgewachsen ist Franz in der Korporation Ried, einem Flecken Land oberhalb Appenzell. Dieser gehörte einer Stiftung, welche schwächer gestellten Leuten günstigen Unterschlupf bot. Das Ried wurde von der Bevölkerung daher oft Armenviertel genannt. Dieser Umstand hielt den als Dachdecker arbeitenden Vater Manser jedoch nicht davon ab, seinem Jüngling möglichst früh das Musizieren beibringen zu lassen. Er selbst besass zwar einige Instrumente, beherrschte jedoch nur die Mundharmonika. Doch die Freude an der Musik war bei ihm immens und so wurde Sohn Franz zu dessen Onkel Sepp Huber in den Schwyzerörgeliunterricht geschickt. «Damals war man der Meinung, dass man mit 25 erlernten Titeln die Grenzen des Örgelispiels wohl erreicht habe. Daher sei es logisch gewesen, dass als Nächstes das Spiel auf der Handorgel eingeübt wurde», erinnert sich Franz Manser schmunzelnd. In Schwung gebracht wurde der Ehrgeiz, ein Instrument richtig zu beherrschen, an der Appenzeller Chilbi. Vater Manser besuchte mit seinem Sohn eine Gaststätte, in welcher junge Musikanten aufspielten. Dort packte es Franz so richtig und als Vierzehnjähriger absolvierte er den ersten öffentlichen Auftritt im Restaurant Engel in Appenzell. Bald einmal häuften sich die Engagements, da zu jener Zeit nur wenige Musikanten existierten.
Doch es gab natürlich nicht nur Musik im Leben des jungen Mannes. Nach der Schule hätte Franz ganz gerne den Beruf eines Elektrikers erlernt. Aus dem Elternhaus kam jedoch die Anordnung, dass sofort Geld verdient werden müsse. Also half der handwerklich begabte Jüngling seinem Vater oder anderen Leuten bei anstehenden Arbeiten. Ziemlich bald aber entwickelte sich beim lebensfrohen Appenzeller eine Unternehmerstrategie. Franz Manser erstand sich einige Brachen Land und hielt dort Ziegen, Schweine und manchmal auch Kühe. Als Achtzehnjähriger erstand er sich ein landwirtschaftliches Transportfahrzeug. Mit diesem bediente er verschiedene Kunden und transportierte für sie Holz, Stroh, Kraftfutter und anderes mehr. Daraus entstand allmählich eine Firma mit etlichen Angestellten und verschiedenen Dienstleistungsbereichen.
Gewiefter Geschäftsmann mit willkommenem Nebenerwerb
«Das ‹Ufmache› (regionale Bezeichnung fürs Musizieren) brachte mir immer wieder einen finanziellen Zustupf, welcher in jener Zeit sehr willkommen war», resümiert der Appenzeller. Während dieser Jugendjahre liess sich der interessierte Musikant auch auf anderen Instrumenten ausbilden. Auf Anraten seines langjährigen Musikpartners Horn-Sepp (Josef Dobler senior) brachte sich Franz Manser das Spiel auf der Bassgeige bei und entlockte auch dem Klavier alsbald passende Akkorde. Diese musikalische Vielseitigkeit bot Baazli die Möglichkeit, fortan in verschiedensten Formationen auszuhelfen. Hiervon machte der vom Musikantenvirus regelrecht angesteckte Innerrhoder auch rege Gebrauch. Nicht selten sei man damals auch als Solist oder im Duett aufgetreten, erzählt Franz Manser rückblickend. Oft musizierte er zusammen mit Horn-Sepp sowie Jakob und Ueli Alder im «Echo vom Alpstein». Sie alle waren natürlich echte Koryphäen der Appenzeller Volksmusik und Franz Manser profitierte dankbar von diesem Umstand. «Vornehmlich Alders Jok gab uns anderen Musikanten jeweils mit bemerkbar verstärktem Spiel auf seinem Instrument klar zu verstehen, dass wir da oder dort die Harmonielehre wohl etwas ausser Acht gelassen hatten», berichtet Franz Manser lachend. Während der Siebzigerjahre wirkte Baazli auch als Bassgeiger in der Streichmusik Edelweiss mit oder im Handorgelduett mit dem schweizweit bekannten «Ursele» Hans Dörig.
Diese Aktivität brachte es mit sich, dass Franz Mansers Musiktitelkenntnis schon damals enorm gross war. Doch nicht nur als Musikant war er unermüdlich. Auch in der Führung seines Transport- und Tiefbauunternehmens zeigte sich das organisatorische Talent von Baazli. So kann denn auch der Kauf des Restaurants Bären an der Weissbadstrasse in Appenzell begründet werden. «Hätten dort dazugehörend nicht einige Garagenräume existiert, wäre dieser Kauf wohl kaum zustande gekommen», gibt Franz Manser augenzwinkernd zu. Damals war er gerade 25 Jahre alt und schloss mit Marie-Louise Inauen den Bund der Ehe. Sie arbeitete zu jener Zeit im Büro der Firma Appenzeller Alpenbitter und während den Wochenenden auch im Restaurant Tüübli in Appenzell. Dort trat hin und wieder auch Baazli auf und so lernten sich die beiden kennen und lieben. «Nebst der menschlichen Zuneigung bildeten wir auch beruflich eine Einheit. Das Betreuen eines Restaurants und das Erledigen der anstehenden Büroarbeit passten mir», erzählt Marie-Louise Manser im Rückblick. Natürlich seien die vielen musikalisch bedingten Abwesenheiten des Ehemannes nicht unbedingt beziehungsfördernd gewesen. Doch genau hierfür hätte sich die Führung einer Wirtschaft während über dreissig Jahren bestens geeignet. Dort habe immer Betrieb geherrscht, sie durfte interessante Leute kennenlernen und sei meist auch selber erst spät zur Ruhe gekommen.
Voller Terminkalender
In die Ferien verreist sind Mansers nie. Aber auf der Seealp bewohnen sie schon lange eine gut ausgebaute Hütte. Hier verbrachte die Familie in den Sommermonaten viele Stunden. Doch gerade in diesen Monaten füllte sich Baazlis Terminkalender manchmal gar arg. «Es gab Zeiten, in welchen über einige Wochen nebst dem Montag an allen Tagen ein Auftritt anstand. Verleidet ist mir das Ufmache dabei aber nie», blickt Franz Manser frohgemut zurück. Über achtzig Kompositionen hat der unermüdliche Schöpfer bisher geschaffen. Obschon Franz Noten lesen kann, notiert er seine Titel jeweils nicht selber. Zu spät habe er mit der Notenlehre begonnen, hält er mit Bedauern fest. Früher hätten sich neue Melodien so richtig in ihm «eingenistet», heute sei er jedoch froh, neue Tonfolgen in einfacher Art und Weise auf dem Handy festhalten zu können.
Baazli ist ein eingefleischter Appenzeller. Dies spürt man in seinen musikalischen Werken. Der sennische Anstrich ist immer irgendwo zu spüren und die Stücke sind unverkennbar. Franz Manser würde sich wünschen, dass Kompositionen stets so gespielt werden, wie der Schöpfer sie sich vorgesellt hat. Diesbezüglich hapere es aber doch da und dort. «Heute gibt es zwar viele vorzügliche Formationen, doch manchmal wird einfach zu viel Schnickschnack in die Stücke verpackt», sinniert Franz Manser leicht bedauernd.
Sein eigener Musikgeschmack habe sich jedoch schon recht früh auch auf andere Stile ausgedehnt. Im Restaurant Bären engagierten Mansers während ihrer Wirtezeit gar manche Ländlerkapelle. Darunter figurierten auch viele Formationen, welche den typischen Innerschweizer Stil pflegten. So waren nebst einer damals gestandenen Grösse wie Jost Ribary auch aufstrebende Sterne wie Fritz Dünner oder Carlo Brunner zu Gast bei Baazlis im Appenzellerland. Diese Spitzenformationen seien trotz ihrer Qualität nicht immer Garanten für ein volles Haus gewesen, berichten Mansers unisono aus vergangenen Zeiten.
Baazli kann sich fast jeden Musikstil zu Gemüte führen, wenn er gut gespielt ist. Eben erst besuchte er ein Konzert von der Pepe Lienhard Bigband. «Da werden schwierigste Harmonien mit einer Leichtigkeit dargeboten, dass man einfach nur noch Bewunderung spürt», fasst er jenes Erlebnis zusammen. Auch dem Jodelgesang widmete Franz Manser bei seinen unzähligen Auftritten gebührende Momente. Entweder habe er selbst Ratzliedli und Ruggusserli zum Besten gegeben oder dann seien jodelnde Kleinformationen wie zum Beispiel die Geschwister Dörig als Abwechslung ins Programm integriert worden. Heute sei dies leider eher rar geworden. Doch über alles gesehen habe sich die Volksmusik in Appenzell schon sehr gut entwickelt. Gar manche Formation brilliere heute mit grossem Können. Auch da hatte Baazli seine Hände im Spiel. Manchmal unterrichtete er bis zu zwanzig Schüler auf der Handorgel. Darunter befanden sich auch seine eigenen Kinder, von welchen derzeit zwei mit der Kapelle Setteretal-Buebe unterwegs sind.
Arbeiten macht glücklich
Im Jahr 2008 übergaben Mansers ihr Baugeschäft an Franz junior. Doch das Arbeiten kann der unermüdliche Schaffer noch nicht lassen. Zu viele Leidenschaften und Talente stecken in Franz Manser. Eine Sägerei in Urnäsch hat er sich vor zehn Jahren erstanden und diese laufend erneuert. Hier führt er Aufträge des Bauunternehmens Manser aus, erstellt Tischgarnituren aus verschiedenen Holzsorten und werkelt für sein Haus, wenn etwas ansteht. Auch mit Motoren und Mechanik kann sich Baazli intensiv beschäftigen und so verrichtet er gar manche Reparatur gleich selber. Im Rasen vor dem Haus der Mansers hat Franz im letzten Jahr das Hochbeet für die Gemüse- und Salatanpflanzung entdeckt und natürlich auch fachgerecht hergestellt. Langeweile kommt bei Baazlis Franz nie auf. «Es muss aber auch gesagt sein, dass mich meine Ehefrau in all den Jahren bestens unterstützt hat. So konnte und kann ich immer meinen Beschäftigungen nachgehen», bedankt sich Franz herzlich bei seiner Marie-Louise.Nicht selten besucht Baazli auch heute noch Stubeten, absolviert Auftritte mit seiner Formation und geniesst seine Gesundheit. Und wenn Franz in Kompositionslaune ist, entstehen weiterhin typische Baazli-Tänze.
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