Geris Ländlertipp vom 17. Februar 2016

Wo die Heimat zur Heimat wurde

Der Boom, den das Ländliche und Traditionelle seit einigen Jahren erlebe (man denke an die Zuschauerrekorde an Schwingfesten oder den steigenden Zuspruch für Ländlermusik), sei gar nicht so ursprünglich, wie es oft dargestellt werde. Das schreiben die Musikerin Madlaina Janett und die Historikerin Dorothea Zimmermann in ihrem Buch «Ländlerstadt Züri». Manches sei nämlich meist eine städtische Erfindung des 19. und 20. Jahrhunderts.

Das ist insofern interessant, weil Schwingen, Jodeln oder Volks- und Ländlermusik grundsätzlich einmal als urchige Ausdrucksformen der Berglerkultur gelten. Als sie Ende des 19. Jahrhunderts in Zürich Arbeit suchten und fanden, brachten Menschen aus den umliegenden Kantonen und Bergen auch ihre besondere Zuneigung für ihre Musik mit. Und damit in die Stadt. Und sie trafen sich schnell in jenen Lokalen, wo diese Musik spielte.

Auch die Musikanten aus den Bergen hatten inzwischen entdeckt, dass sie dort ein viel grösseres Publikum vorfanden als in ihren Dörfern. Ländlermusik kam somit als junger Musikstil nach Zürich und wurde in den 1920er- und 1930er Jahren zum nationalen Begriff. Wer gute Ländlermusik hören wollte, musste in die Stadt fahren, um Grössen wie Stocker Sepp, Kasi Geisser oder Jost Ribary zu erleben.

Dass sich bei der zunehmenden Beliebtheit alteidgenössischer Hirtenbräuche die Fans aus Land und Stadt regelmässig trafen, ist begreiflich. Der damalige Aufschwung (von Boom sprach noch niemand) führte bald zur Gründung verschiedener Klubs und Vereine. Selbst schweizerische Verbände entstanden nicht in den Bergen, sondern mehrheitlich in Städten. Dass das aus einem Turnverein hervorgegangene «Jodlersextett TV Alte Sektion Zürich» gar als ältester Jodlerklub der Schweiz vermutet wird, überrascht in Anbetracht der verlaufenen Entwicklung keineswegs. Eng mit dessen Gründung ist auch die Installation des Schwingklubs Zürich verbunden, einer der ältesten Schwingvereine der Schweiz. Im Zuge der damaligen Industriealisierung ist die neue Heimat Zürich manchen auch echt zur Heimat geworden.

Längst sind die Zeiten vorbei, wo in der «Bierhalle Wolf» oder in der «Konkordia» täglich Ländlermusik geboten wurde. Für das heutige Zürcher Ländlerpublikum gibt es noch wichtige Lokale wie das «Rietberg», den «Farbhof» oder das Kultlokal «Älplibar» im Niederdorf, wo sich auch viele junge Leute treffen.

Geris Ländlertipp gibt es jeweils auch akustisch zusammen mit vielen Veranstaltungstipps auf www.radiotell.ch

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