Gody Studer
Während 45 Jahren hat Gody Studer aus Escholzmatt als Lehrer, Organist, Dirigent, Jodler, Theaterregisseur, Politiker, TV-Kommentator oder Mitorganisator vieler Grossveranstaltungen nicht nur im Entlebuch nachhaltige Spuren hinterlassen. Mit 66 Jahren möchte er jetzt etwas kürzertreten, doch «die Katze lässt das Mausen nicht» …
22.03.2016 | VON STEFAN SCHWARZ
Auf dem Stubentisch der prächtig ausgebauten Alterswohnung seines Vaterhauses in Escholzmatt steht Gody Studers Laptop. Gleich daneben klingelt das Handy und das OK-Mitglied des 61. Zentralschweizerischen Jodlerfestes 2016 in Schüpfheim gibt als Mitverantwortlicher des Ressorts Wettvorträge einer Jodlerin am Telefon die gewünschten Auskünfte. Wenige Meter weiter hinten im offenen Ess-, Wohn- und Büroraum tippt Godys Ehefrau Annalies emsig in die Tasten und stellt ihren aktuellen Artikel für den Entlebucher Anzeiger fertig. Trotz dieses leidenschaftlichen Treibens fühlt sich der Land&Musig-Redaktor in der warmherzigen Atmosphäre des aktiven Ehepaars herzlich willkommen. Annalies zeigt voller Stolz ein Bild an der Wand, das die ganze Familie Studer inklusive dreier Söhne, Schwiegertöchter und acht Grosskinder zeigt. Gody seinerseits berichtet mit Euphorie vom Musical «West Side Story», welches kürzlich in Escholzmatt unter seiner Projektleitung während zwei Wochen von jungen Entlebucher Talenten erfolgreich aufgeführt worden ist. Von Kürzertreten kann also noch nicht gross die Rede sein, denn neben vielen, seit Jahren zum Alltag gehörenden Aktivitäten, hat Gody Studer erst unlängst die musikalische Leitung des Frauenjodelchors Bumbach im Emmental übernommen.
Auf direktem Weg zur Musik
Die Musik hat Gody Studers Leben von allem Anfang an begleitet. Sein Vater war engagierter Dirigent der Dorfmusik und im Elternhaus standen zahlreiche Instrumente zum freien Gebrauch zur Verfügung. Wie bei seinem Cousin Hermann Studer, der als Vollwaise im gleichen Haushalt aufwuchs (siehe Porträt in Heft 4-2015), weckte dieses musikalische Spielfeld auch bei Gody die Sinne für sein späteres Tun. In der Primarschulzeit genoss er mit Freude den Klavierunterricht. Während der Ausbildung zum Primarlehrer kamen die Orgel und zeitweise die Klarinette dazu. Nach fünf Jahren Orgelunterricht bildete sich der Entlebucher an der damaligen Kirchenmusikschule Luzern weiter und wurde nach Abschluss der Seminarzeit prompt als Organist in die Pfarrkirche St. Jakob in Escholzmatt berufen. Dass Gody Studer deswegen wohl auch die erste Lehrerstelle an der abgelegenen Gesamtschule Hilfernthal bekam, liegt fast auf der Hand. Zu jener Zeit war es noch an der Tagesordnung, dass sich ein Lehrer auch ausserhalb der Schulstube für seine Gemeinde engagiert. So kam es, dass Gody Studer eines Tages von einem Vater ohne Angabe des genauen Grundes auf 20 Uhr ins damalige Restaurant Alpenrösli beordert wurde. In der leeren Gaststube war kein Köbu zu erblicken und die strickende Wirtin schickte den 21-jährigen Schulmeister ins Säli. Dort sassen zwölf urchige einheimische Männer am Tisch und eröffneten dem verdutzten Gody Studer, dass er soeben zum Dirigenten des neu gegründeten Jolderklubs Schratte Hilfernthal gewählt worden sei. Die Jodlerei war damals zwar noch absolut nicht sein Kerngeschäft, aber man ging schlichtweg davon aus, dass ein Lehrer und Organist dieses Amt schon richtig ausüben würde. Eine erste Verbindung zum Jodelfach war erst kurz zuvor entstanden, weil sich Gody in die Jodlerin Annalies Stadelmann vom Jodlerchörli Lehn verliebte und dort alsbald als Theaterregisseur und Sänger aktiv wurde. Man kann also getrost behaupten «Gody kam, sah und wirkte»! Fast überall, wo Herzblut und persönliches Engagement gefragt war, liess sich der umtriebige Entlebucher einspannen und das ist sein ganzes Leben so geblieben.
Ein harmonisches Miteinander
Ein Blick in den prall gefüllten Lebenslauf von Gody Studer offenbart eindrücklich dessen Vielseitigkeit in den Bereichen Beruf, Musik, Theater, Kultur und Politik. Eine Auflistung sämtlicher Aktivitäten der letzten 45 Jahre würde den Rahmen dieser Reportage jedoch sprengen. Auffallend ist aber, dass der Schaffer in all diesen Wirkungsfeldern meist das Zepter in der Hand hielt und sich auf den einheimischen Bühnen als umsichtiger Regisseur profilieren konnte. Obschon diese Rolle definitiv auf ihn zugeschnitten ist, liebt er die kameradschaftliche Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Denn jeder Chor, jedes Theaterprojekt und jedes Gremium funktioniert gemäss Studers Erfahrungen erst im optimalen harmonischen Zusammenspiel aller Beteiligten. Der Regisseur alleine ist somit kein Erfolgsgarant.
Ein befruchtendes harmonisches Miteinander erlebt Gody Studer auch innerhalb der eigenen Familie. Mit seiner Frau Annalies singt er seit 45 Jahren im Jodlerchörli Lehn und gemeinsam besuchten die Beiden im Laufe der Zeit unzählige Proben des Kirchenchors oder bereicherten mit Orgel und Gesang gar manchen sonntäglichen Gottesdienst. Dank diesem ehelichen Gleichschritt in vielen Belangen wurden die regelmässigen Engagements nie zur internen Zerreissprobe, sondern integrierten sich wie von selber ins wöchentliche Familienprogramm. Dass die Musik bei den Studers wirklich nie zur Belastung geworden ist, beweisen nicht zuletzt die drei musikalischen Söhne. Godi (1975), Ueli (1977) und Sämi (1981) verfügen ebenfalls über viel Talent und setzen dieses individuell im Jodel- und Blasmusikbereich ein. Mit Godi, der vom Vater 2005 die Leitung des Jodlerchörli Lehn übernommen hat, und Sämi, den man auch als Redaktor der SRF-Musikwelle kennt, bilden Annalies und Gody Studer heute das Familienquartett Studer.
«Die Tradition muss sich entwickeln. Eine Sparte, die sich nicht bewegt, ist tot!»
Viele engagierte Persönlichkeiten wie jene der Familie Studer aus Escholzmatt haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass die Entlebucher Musikszene durchwegs ein beachtliches Niveau aufweist. Weitere Gründe hierfür sieht Gody Studer in der politischen und touristischen Geschichte seiner Heimat. So wurden Blasmusikvereine, Jodlerklubs oder Sportvereine in der Region aufgrund unterschiedlicher Parteizugehörigkeit oftmals mehrfach geführt, was eine gesunde Konkurrenz zur Folge hatte. Dazu kommt, dass Escholzmatt in den Anfangszeiten des Tourismus um die Jahrhundertwende als «Luftkurort an ozonreicher Lage» vor allem von Engländern gerne aufgesucht worden ist. Lokale Musikanten konnten sich neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit bei den täglichen Kurkonzerten einen willkommenen Nebenerwerb sichern und dank grosser Routine ganz automatisch ihr musikalisches Können verbessern. Diese Leistungsbereitschaft und ein hohes Qualitätsbewusstsein in Sachen Musik zeichnet die Region bis heute aus.
Mut zur Veränderung
Nur wenige Jahre nachdem Gody Studer als junger Lehrer, Organist, Dirigent, Musikschulmitbegründer und Regisseur in Escholzmatt Fuss gefasst hatte, wurde er 1979 in den Gemeinderat geholt und fünf Jahre später zum Gemeindepräsident gewählt. Während 33 Jahren als Lokalpolitiker sowie 12 Jahren im Grossen Rat des Kantons Luzern setzte sich der Escholzmatter mit grosser Kraft für das heimatliche Entlebuch ein und konnte bei zahlreichen visionären Projekten an vorderster Front mitarbeiten. Neben der Fusion der Gemeinden Marbach-Escholzmatt hat insbesondere auch die Realisation der ersten UNESCO-Biosphäre der Schweiz nachhaltige Spuren hinterlassen. Aus dem einst belächelten «Armenhaus der Schweiz» konnte das Entlebuch dank Stärkung der eigenen Authentizität zu einer beachteten Region mit steigender Wertschöpfung gemacht werden.
Mut zur Veränderung hatte Gody Studer auch in musikalischen Belangen. Zusammen mit Cousin Hermann Studer war er 1975 einer der ersten, der das Alphorn in die Kirche brachte, und mit dem Jodlerchörli Lehn interpretierte er schon früh Literatur, die nicht offiziell zum Jodelrepertoire gehört. Diese Offenheit begründet er nicht zuletzt in der Tatsache, dass die so genannte Volksmusik- und Jodeltradition der Schweiz in Tat und Wahrheit nicht viel mehr als hundert Jahre alt ist und sich wie andere Sparten durchaus auch weiter entwickeln darf. Er verurteilt jedoch niemanden, dem aus Überzeugung ein urchiger Naturjodel näher liegt als neuzeitliches Melodiengut. Als Kursleiter und Präsident der Prüfungskommission des Eidgenössischen Jodlerverbandes (EJV) setzt sich das langjährige Jurymitglied nämlich vehement dafür ein, dass die verschiedenen Facetten des Jodelns mit der nötigen Fachkompetenz und viel Respekt gegenüber den Interpreten beurteilt werden.
Für Respekt und Anerkennung gegenüber der vielfältigen Volkskultur in unserem Land kämpft Gody Studer seit nunmehr zehn Jahren ebenfalls als Vorstandsmitglied der IG Volkskultur Schweiz. Diverse Vorstösse auf politischer Ebene haben mittlerweile dazu geführt, dass im Kulturförderungsgesetz neben professioneller Kultur die Laienkultur ebenfalls verankert ist, was sich insbesondere bei der Vergabe von Kulturförderungsgeldern – zum Beispiel zu Gunsten von grossen Jodlerfesten – schon positiv ausgewirkt hat.
«Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an», trällerte Udo Jürgens vor vielen Jahren. Wer die ungebremste Energie des 66-jährigen Entlebuchers Gody Studer zu spüren bekommt, wird spätestens jetzt die bekannte Textzeile des unvergessenen Entertainers richtig deuten können.
Gody Studer
Herkunft
Escholzmatt im Entlebuch
Zivilstand, Familie
Seit 1974 verheiratet mit Annalies. Vater von drei erwachsenen Söhnen.
Beruf, Politik, Tourismus
Lehrer von 1971 bis 2001 und seither eigenes Büro für Öffentlichkeitsarbeit mit diversen Mandaten im kulturellen Bereich. Ab 1979 Gemeinderat und 1984 bis 2012 Gemeindepräsident von Escholzmatt, 1991 bis 2003 Grossrat Kanton Luzern, 1981 bis 2001 Vorstand Regionalplanung und 2001 bis 2012 Vizepräsident Gemeindeverband UNESCO-Biosphäre Entlebuch, 1991 Gründungspräsident Entlebucher Kulturzentrum, 2000 bis 2005 Präsident Entlebuch Tourismus.
Kulturelles Engagement in Kürze
Seit 1971 Organist Pfarrkirche Escholzmatt, 1971 bis 1973 Gründungsdirigent Jodler-klub Schratte Hilfernthal, 1971 bis 1991 Regisseur bei 22 Theaterprojekten, 1978 bis 2005 Dirigent Jodlerchörli Lehn (seit 1971 Aktivmitglied), seit 1985 Jurymitglied und Kursleiter Eidgenössischer Jodlerverband (EJV) und seit 2006 Präsident Prüfungskommission, 2003 Projektleiter Landschaftstheater «Bauernkrieg 1653», diverse Chargen bei unzähligen regionalen und nationalen Grossver-anstaltungen, seit 2006 Vorstandsmitglied IG Volkskultur Schweiz, seit 2015 Dirigent Frauenjodelchor Bumbach.
Persönlich
Mein Sternzeichen
Beim Blick ins Portemonnaie kommt mir jeweils mein Sternzeichen «Stier» in den Sinn (lacht). Im Ernst: Meine Frau Annalies attestiert mir die typischen Merkmale wie Gemütlichkeit, Beharrlichkeit und einen gewissen Perfektionismus.
Mein Charakter
Ich bin kein Alleinkämpfer. Als typischer Vereinsmensch verfolg(t)e ich meine diversen Ziele in allerlei Bereichen jeweils gerne in enger Zusammenarbeit mit motivierten Mitstreitern.
Meine Welt und meine Heimat
Unsere Welt ist gar nicht so schlecht, wie sie immer wieder dargestellt wird. Leider wird der Fokus aber immer auf alles Negative gelenkt. Alles Positive wird unbewusst als selbstverständlich und nicht erwähnenswert taxiert. Meine Heimat im Entlebuch ist mir in all den Jahren ans Herz gewachsen. Ich lebe gerne hier und kehre auch nach Reisen immer wieder gerne hierhin zurück.
Meine Sportaktivitäten
Hier ist Churchill mein Vorbild (lacht)!
Meine Hobbys
Neben den kulturellen Aktivitäten lese ich sehr interessiert verschiedene Zeitungen und zur Entspannung löse ich gerne Kreuzworträtsel.
Meine Tiere
Ich mag Tiere und hier im Auchli in Escholzmatt lebten während meiner Jugendzeit zwei Kühe, eine Sau und mehrere Hühner. Selber hatten wir im Laufe der Jahre drei Hunde, die uns treue Begleiter waren. Heute leben wir wieder tierlos und sind entsprechend weniger angebunden.
Digitale Welt
Dank meinen Söhnen wurde mir dieses Feld relativ früh zugänglich gemacht und ich nutze es heute gerne für meine verschiedenen Aktivitäten.
Mein Spieltrieb und meine Zukunft
Am Handy mache ich ab und zu für mich einen Jass. Eine richtige Jassrunde könnte in Zukunft durchaus ein Thema werden, denn ich will mein grosses Pensum mehr und mehr reduzieren. Gleichzeitig aber schwirrt auch bereits ein neues Projekt «Seniorenbühne» durch meinen Kopf …
Aktuelle CD
Kontakt
Gody Studer
Auchli, Postfach 156
6162 Escholzmatt
Telefon 041 486 16 72