Guido Neff
Die Kreativität zwischen überlieferter Tradition und zeitgemässer Innovation hat im Leben des vielseitigen Appenzeller Volksmusikers Guido Neff einen hohen Stellenwert. Sowohl im beruflichen als auch im musikalischen Umfeld finden Alt und Neu immer wieder harmonisch zusammen.
Nur ein wenig oberhalb des malerischen Dorfes Appenzell liegt die zum Innerrhoder Hauptort gehörende Ortschaft Meistersrüte. Noch etwas weiter oben – auf dem rund 1̓000 Meter über Meer gelegenen Eugstböhl – haben der Appenzeller Volksmusiker Guido Neff und seine Familie ihr Zuhause. Vor dem Haus neben dem grossen Trampolin tummeln sich ein paar Ziegen, und neben dem Ausblick hinunter nach Appenzell öffnet sich eine prächtige Sicht auf das Alpsteinmassiv. Guido Neff empfängt seinen Gast mit einem einladenden Lächeln und seine stets freundlich leuchtenden Augen versprühen eine Prise Appenzeller Schalk.
Im gemütlichen Wohnbereich mit angrenzender Küche setzen wir uns an einen mächtigen Eichentisch. Zusammen mit der passenden Bank aus Altholz und einer Reihe moderner Stühle findet hier bei Bedarf mehr als die 7-köpfige Familie bequem Platz. Und dass ins Geheimfach der prächtigen Holzbank eine Flasche Appenzeller passt, kommt nicht ganz von ungefähr. Einerseits gehört der einheimische Alpenbitter bei Appenzeller Musikanten quasi zum guten Ton, und andererseits ist Guido Neffs Titel «S Rösslispiel» seit einigen Jahren in einen Werbefilm der Appenzeller Alpenbitter AG eingebettet. Zu einem Schluck Appenzeller erzählen Guido und seine Frau Christine, wie das alte Elternhaus 1986 nach der Übernahme mit viel Eigenleistung komplett renoviert worden ist. Um im niedrigen Erdgeschoss eine normale Raumhöhe zu erhalten, musste zum Beispiel das ganze Gebäude auf Stelzen gestellt und aufwändig unterkellert werden. Davon merkt man heute nichts mehr. Vielmehr beweisen zahlreiche besondere Details sowie das harmonische Zusammenspiel von alten und neuen Elementen, dass hier ein talentierter Innenausbau-Profi am Werk war. Kombiniert mit rustikal bearbeitetem Altholz setzte Guido Neff auch speziell bearbeitetes Eisen ein, das er in seiner Freizeit auf kreative Art und auch anderweitig zu einem besonderen Brunnen oder einer Skulptur verarbeitet hat.
In musikalischen Belangen hat der Appenzeller ebenfalls offene Ohren für unterschiedliche Klänge. Die direkte Kombination von Tradition und Innovation innerhalb eines Stückes sind für ihn jedoch tabu. «Wenn i e Appezöllestock ha, wottis nüd vehonze!» sagt Guido Neff mit Überzeugung. Deshalb setzt er anders klingende Ideen viel lieber in eigenen Kompositionen um. Dort hat er stets die nötige Freiheit und kann grundsätzlich machen, was er will. Trotzdem hält sich der Komponist auch hier gerne an klare Formen.
So zeigen sich seine Experimente vielfach im Bereich eines besonderen instrumentalen Arrangements. Dass zum Beispiel der traditionell und gleichzeitig konzertant anmutende Titel «Min Sonneschii» mit Talerschwingen beginnt und das hieraus entstehende Ruggusseli vor dem Jodeleinsatz und anderen Instrumenten vom Cello vorgestellt wird, ist sicher nicht alltäglich. Doch schön der Reihe nach …
Via Klavier zum Hackbrett
Die Musik hatte es Guido Neff schon in jungen Jahren angetan. Seine Mutter, die nach dem frühen Tod ihres Ehemannes die sechs «Meedle» und fünf «Buebe» weitgehend alleine grossziehen musste, stand dem aktiven Musizieren eher skeptisch gegenüber. Obschon sie selber gerne sang und festete, erachtete sie die Musikanten als «e billigs Volk» und fürchtete sich, ihr Sohn könnte abstürzen und dem Alkohol verfallen. Guido liess sich aber nicht abhalten. Der Klavierspieler «Chrönli Emil», welcher ihm mit seinen lustigen Stückli besonderen Eindruck machte, zeigte ihm gegen Ende der Schulzeit, wie mit Hilfe einer Schablone einfach begleitet werden kann. Bald jedoch wurde der interessierte Musikant auf die besondere Spielweise von Alois Schilliger aufmerksam, der mit der legendären Kapelle Heirassa zum Vorbild der konzertanten Innerschweizer Ländlermusik wurde: «Wane trockt het, het efach schö tönt». Dank des fleissigem Übens und einigen kollegialen Tipps in Sachen Harmonielehre im Rucksack, stand 1977 der Gründung der Kapelle Alpsteebuebe nichts mehr im Weg. Anfänglich war Guido einfach der Begleiter der beiden Handörgeler Bruno Sutter und Hans Dörig. Ab und zu hatten sie noch einen Hackbrettler dabei, bis sich Hans Dörig selber mit diesem typischen Appenzeller Instrument befasste. Just zur gleichen Zeit veröffentlichten die «Alders» ein Hackbrett-Duo auf Tonträger und der damals 23-jährige Guido sagte zu seinen Kollegen: «Da wä scho no cheibe schö! Chomm da macheme au, i chauf grad au e Hackbrett.» Walter Alder zeigte dem jungen Musikanten, wie man die Ruten richtig in die Finger nimmt und alles andere hat sich der talentierte und fleissige Guido Neff selber beigebracht.
Von da an rückte das Klavier in den Hintergrund und der Hackbrettler zeigt sein erarbeitetes Können bei den Alpsteebuebe bis heute als versierter Begleiter und virtuoser Vorspieler. Bruno und Hans sind nämlich nach bald 40 Jahren noch immer zusammen mit Guido unterwegs und seit vielen Jahren komplettiert der Bassgeiger Hanspeter Steingruber die im ganzen Land bekannte Appenzeller Formation. Mit dieser Routine wird heute nur noch für besondere Auftritte explizit geübt. Ansonsten kann man sich schlicht auf die grosse Erfahrung verlassen. «Me hend en unheimlichs Repertoire», erzählt Guido nicht ohne Stolz und ist davon überzeugt, dass die Kapelle Alpsteebuebe problemlos einige Tage lang aufspielen könnte, ohne einen Titel zu wiederholen.
Mit dem Wechsel zum Hackbrett wurde Guido Neffs kompositorische Ader zusätzlich geweckt. Ohne jegliche Notenkenntnisse sind aus dem Bauch heraus schon viele schöne Melodien entstanden, die längst nicht nur im direkten Umfeld des Komponisten gerne aufgeführt werden: «I chäschpele nüd lang a nebisem omme. Entwede chonnt en Tääl grad – zack da isches – ode sös lonis bliibe.» In Sachen Hackbrett zu erwähnen ist auch die Formation «Hackbrett im Trio». Hier spielt Guido Neff zusammen mit Hansueli Hersche und Reinhard Brunner auf drei Konzert-Hackbrettern mit grossem Tonumfang und Pedaldämpfung, welche bei den konzertanten Auftritten fast unbeschränkte Möglichkeiten bieten.
Im Einklang mit dem Nachwuchs
Den gelegentlichen Griff zur Bassgeige machte Guido Neff schon relativ früh. Und nachdem der legendäre «Hornsepp» (1925-2008) vor Jahren eine neue Streichmusik bildete, spielte er dort ohne Berührungsängste während ein paar Jahren sogar das Cello. Seit vielen Jahren lebt Guido Neff seine Liebe zur Original Appenzeller Streichmusikbesetzung nun in der familieneigenen Striichmusig Neff aus. Die ersten kleinen Auftritte des musikalischen Nachwuchses erfolgten anfänglich als Einlage der Alpsteebuebe. Dank guter musikalischer Grundausbildung der Kinder bei ausgewiesenen Musiklehrern, der konsequenten Führung von Vater Guido und dem bis heute fehlenden Fernseher, entstand auf dem Eugstböhl nach und nach eine richtige Familienformation, die sich bei den wöchentlichen Freitagsproben auf die immer zahlreicher werdenden Auftritte vorbereitete. Wie die Kapelle Alpsteebuebe durfte auch die Striichmusig Neff neben tollen Engagements in der Schweiz auch schon im Ausland auftreten, so unter anderem an der EXPO 2010 in Shanghai oder in China.
Ausbildungsbedingt gab es in der Familienformation immer mal wieder personelle Wechsel. Zum Glück aber hat Guido in seinem nächsten musikalischen Umfeld einen grossen Fundus an Musikantinnen und Musikanten, die eine entstehende Vakanz spontan füllen können. Und mit Nesthäkchen Riccarda steht bereits ein weiteres musikalisches Talent in den Startlöchern. «Mit de Jüngschte bini gottvegesse streng gse bim Note leene», gesteht Guido Neff und ergänzt: «Mit Vieri het sie agfange Giige spille.» Heute sieht er mit Stolz, dass seine inzwischen 14-jährige Tochter auch bei den vier singenden «Meedle» oder als Geigerin der jungen Streichmusik Dörig ihr Können erfolgreich unter Beweis stellt. «Du meksch, wennd die Junge früe chasch fördere im lose. Da macht recht viel us!», hat Guido Neff im eigenen Haus erlebt. Doch nicht nur Tochter Riccarda, sondern die kompletten Jungformationen dürfen immer wieder von den vielen Erfahrungen ihres engagierten Leiters und Förderers profitieren: «I ha Freud a de junge Lüt und zäägene geen Nebis!», sagt er mit leuchtenden Augen! Und allzu streng kann der offene und umgängliche Guido wohl auch nicht sein. Die Kinder kommen nämlich sehr gern zu den Proben auf den Eugstböhl, können dort vorher jeweils auch die wichtigsten Neuigkeiten aus der Schule austauschen und dazwischen herzhaft kichern.
Zur Person
Geburtsdatum
24. Juni 1956
Herkunft
Aufgewachsen und wohnhaft in Appenzell Meistersrüte
Zivilstand, Familie
Seit 1986 verheiratet mit Christine und Vater der fünf Kinder Katrin (1987), Michael (1988), Damian und Florian (1990) und Riccarda (2001).
Beruf
Nach der Lehre als Bauschreiner bei der ortsansässigen Firma Mazenauer und späteren Weiterbildungen in der Holzbearbeitung, bis heute im gleichen Betrieb in der Planung und Kundenberatung im Bereich Küchen- und Innenausbau tätig.
Musik
Anfänge im Alter von 16 Jahren auf dem Klavier, 1977 Gründung der Kapelle Alp-steebuebe, Wechsel zum Hackbrett sowie zeitweise zu Kontrabass und Cello, einige Jahre Mitspieler in der Streichmusik Hornsepp, später Bildung der familieneigenen Striichmusig Neff, Komponist von rund 170 eigenen Melodien (Ratzliedli, Jodellieder, Volksmusik für Hackbrett, Klavier, Handorgelduett und Streichmusik), Förderer und Coach von aufstrebenden Nachwuchsformationen.
Andere Hobbys
Eisenbearbeitung, Snowboarden und Wandern.
Persönlich
Mein Sternzeichen
Dem Krebs sagt man nach, dass er feinfühlig, hilfsbereit, mitfühlend und loyal ist. Zudem hat er es gerne gemütlich und liebt die Häuslichkeit.
Mein Charakter
Ich habe eigentlich nie schlechte Laune und bin ein durchaus fröhlicher und positiv denkender Mensch. Entsprechend brauche ich auch solche Menschen um mich herum, «denn wenn Nebid en suure Totz macht, denn isches fö mi gää nüd guet!»
Meine Heimat
Das Zuhause oberhalb von Appenzell sowie die ganze Umgebung des Alpsteingebietes sind so wunderschön, dass es mich gar nicht weit weg zieht.
Meine Sportaktivitäten
Neben sommerlichen Wanderungen und Bergtouren ist im Winter immer wieder Snowboarden angesagt. Wir Alpsteebuebe erlernten diesen Wintersport vor langer Zeit während unseren jährlichen Engagements in der Zuberhütte, wobei heute nur noch Hans Dörig und ich aktiv sind.
Meine Tiere
Hunde und Katzen sind nicht mein Ding und ich möchte auch keine in der Wohnung haben. Ziegen jedoch sind mir sehr sympathisch und irgendwann werde ich im Gade einen Geissenstall bauen.
Meine digitale Welt
Beruflich sitze ich täglich am Computer und arbeite mit modernen CAD-Programmen. Dies ist eine ungeheure Arbeitserleichterung. Auch einem interessierten Blick ins Facebook oder der Verwendung des Handys stehe ich positiv gegenüber.
Mein Spieltrieb
Ich bin überhaupt kein Spielertyp! Ich jasse nur, wenn es nicht anders geht und auch bei Gesellschaftsspielen zuhause muss ich nicht unbedingt dabei sein …
Meine ZukunftIch hoffe, dass ich meine verschiedenen musikalischen Aktivitäten zusammen mit den diversen Formationen noch lange in der heutigen Art und Weise weiterführen kann. Und privat wünsche ich mir ebenfalls noch viele weitere schöne Stunden zusammen mit meiner Frau und Familie.
Kontakt
Guido Neff
Eugstböhlstrasse 5
9050 Appenzell Meistersrüte
www.streichmusik.com
www.alpsteebuebe.ch
www.hackbrett-im-trio.ch
www.meedle.ch
23.11.2015
VON STEFAN SCHWARZ