Hans-Luzi Hunger
Sei es beim Spielen mit der Handorgel oder beim Diskutieren: Die Leidenschaft für die Bündner Volksmusik ist bei Hans-Luzi Hunger offensichtlich. Hierfür will der initiative Musikant aus Thusis im Hinblick auf seine baldige Pensionierung noch mehr Nachwuchsförderung betreiben.
25.07.2016 | VON RUEDI ROTH
Obwohl seine wichtigsten musikalischen Vorbilder nicht aus dem Bündnerland stammen, ist für Hans-Luzi Hunger (63) das Fördern der echten Bündner Ländlermusik ein persönliches Anliegen. Wenn er sich an seine Anfänge und die damals klare Unterstützung seitens der Eltern und des Ausbildners erinnert, ist es für Hans-Luzi Hunger klar: Um der Bündner Volksmusik in Zukunft in verschiedenen Bereichen mehr Aufwind zu verleihen, sind unermüdliche Förderer nötig. «Ich will dieses Anliegen nicht nur mit meinem Unterrichtsangebot erfüllen. Es ist mein Wunsch, dass sich auch die öffentliche Hand mehr für dieses Thema interessiert und dass man die Wichtigkeit dieser Traditionserhaltung erkennt», gibt der rührige Bündner engagiert zu verstehen.
Vom aktiven Elternhaus bis zur Selbständigkeit
An seine Jugendzeit in Safien-Platz erinnert sich Hans-Luzi Hunger gerne. Er wuchs zusammen mit sechs Geschwistern auf und erlebte in diesem Umfeld eine rege Betriebsamkeit. Das Restaurant Rathaus und eine Schreinerei bildeten die Tätigkeitsfelder seiner Eltern. In diesen Familienbetrieben erlernte der Bub bald einmal das Mithelfen bei der Arbeit und nicht zuletzt auch die Offenheit im Umgang mit den Mitmenschen. Auf dem Landwirtschaftsbetrieb eines an MS erkrankten Onkels half Hans-Luzi, so oft es ihm die Zeit erlaubte, mit. Diese Arbeit passte dem jungen Burschen. Er diente auch während längerer Zeit auf einem Hof in Herrliberg, musste aber erkennen, dass sein akuter Heuschnupfen eine landwirtschaftliche Karriere langfristig unterband.
«Es ist mein Wunsch, dass man die Wichtigkeit der Traditionserhaltung erkennt!»
Nach einem erfolgreichen Lehrabschluss als Verkäufer ergriff Hans-Luzi das Angebot seines Lehrmeisters und absolvierte eine kaufmännische Lehre, welche er 1974 mit Bravour beendete. Von da an arbeitete der Bündner bis ins Jahr 1980 in verschiedenen Verwaltungen. Während dieser Zeit stand auch ein sehr aktives Bewältigen des Militärdienstes auf dem Programm. Nach der Gebirgsinfanterierekrutenschule in Andermatt standen Weiterschulungen bis zum Leutnant auf dem Programm. «Diese Zeiten möchte ich nicht missen. Was man da alles erlebt und organisiert oder wie man sich an seine Grenzen herantastet, bildet für jeden Menschen eine wahrlich solide Lebensschule», blickt Hans-Luzi dankbar zurück. Immer zur Ausrüstung habe damals auch ein Örgeli gehört. Dies habe viele stimmungsvolle Stunden in den zwischendurch auch einmal misslichen Militärdienst gebracht. Zwischen 1980 und 1992 führte der umtriebige Bündner einen Betrieb mit 16 Angestellten. Danach folgte der selbständige Job als Treuhänder, welchem Hans-Luzi Hunger bis heute treu geblieben ist.
Im Alter von 21 Jahren heiratete der Safier Musikant seine Freundin Paulina Buchli aus Versam. Dieser Ehe wurden die vier Kinder Bernhard, Martina, Cornelia und Yvonne geschenkt. Leider verstarb Paulina Hunger schon im Jahr 1988 an einem Krebsleiden, was für die Familie eine enorme Belastung darstellte. Zum Glück kümmerte sich in dieser Zeit die noch sehr rüstige Grossmutter Ursula liebevoll um die Kinder und den Haushalt. Seit 23 Jahren lebt Hans-Luzi in Thusis mit seiner Partnerin Luzia zusammen, welche ebenfalls vier Kinder hat. Beide geniessen die vielen familiären Kontakte und fühlen sich in dieser Runde jeweils so richtig wohl.
Musikalische Leidenschaft
Das Musizieren hat in der Dynastie der Hungers Tradition. Hans-Luzis Grossvater beherrschte das Spiel auf Bratsche und Geige, was zu jener Zeit noch Bündner Tradition war. «In dieser Hinsicht hat sich schon einiges verändert, und dies nicht nur im Bündnerland. Im Lauf der Zeit und mit Einfluss der Medien berieseln andere Stilrichtungen die Gesellschaft», sinniert Hans-Luzi Hunger. Mit 13 Jahren durfte er die ersten Akkordeonunterrichtsstunden geniessen. Dass sich der Bub für Volksmusik interessierte, hatte seinen Ursprung aber nicht nur bei seinen Ahnen. Nein, es waren auch der Musikautomat und die Tanzanlässe in der elterlichen Wirtschaft, welche die Leidenschaft für musikalisches Brauchtum auslösten. Das Beherrschen eines Instruments, und damit vielen Leuten eine Freude bereiten zu können, faszinierte Hans-Luzi. Das Glück stand ihm damals bei, weil ihm Schulmeister Hans Finschi aus Safien Unterricht erteilen konnte. Der Weg zu den anderen Lehrmeistern wäre 30 Kilometer entfernt gewesen, was zu jener Zeit eine Unmöglichkeit darstellte. Beeindruckend sei es schon gewesen, wie sich weitere Mitschüler zum Praktizieren dieses Hobbys entschlossen und manchmal bis sieben Schüler unter Hans Finschis Fittichen standen. Dankbarkeit hätten auch seine Eltern verdient. Da seien ja noch sechs Geschwister gewesen, welche auch ihre Ansprüche stellten und schliesslich seien der Unterricht und das Beschaffen einer kleinen Hohner-Orgel nicht gratis gewesen, wie Hans-Luzi dankbar zurückblickt. Mit dieser Grundausbildung in der Tasche konnte er nach der Schulzeit die musikalischen Grundkenntnisse weiterentwickeln. Im Jahr 1968 erfolgte der erste öffentliche Auftritt am Vieh- und Warenmarkt in Thusis. Mit Thomas Buchli an der Klarinette und Hans-Luzis Schwester Annemarie am Bass wurde munter musiziert. Infolge strenger polizeilicher Vorschriften mussten aber die Eltern Hunger beim Aufspielen ihres im Schulalter steckenden Kindes anwesend sein.
Akkordeonmusik als Vorbild
Der typische Bündnerstil und dessen Pflege ist Hans-Luzi Hunger wichtig. Den Ärmel so richtig reingezogen habe ihm jedoch schon im Schulalter die gepflegte Handorgelmusik. Wenn Interpreten wie Näf-Häusermann, Willi Valotti oder Arthur Brügger aus dem Äther ertönten, wurde für ihn schnell klar, dass er ebenfalls in dieser Art Melodien zum Besten geben will. Und dieses Mass der Dinge ist für Hans-Luzi bis heute so geblieben. Bald einmal wagte sich der junge Musikant ans Komponieren und nennt bis heute 75 Werke sein eigen. Die Karriere des innovativen Musikanten bestand aber schon zum grossen Teil aus dem Aufspielen von Melodien im von vielen Zuhörern geliebten Bündnerstil. 1971 wurde in Trimmis die Kapelle Rhygold gegründet, welche bis heute Bestand hat und im Gegensatz zu vielen Bündnerkapellen mit nur einer Klarinette besetzt ist. Dabei ist zu erwähnen, dass neben Hans-Luzi auch der Bläser Peter Gadient seit der Formationsgründung aktiv mit von der Partie ist. In verschiedenen Formationen verrichtete Hans-Luzi während über 50 Jahren seine Dienste. Das Aufspielen macht dem am Weltgeschehen äusserst interessierten Bündner nach wie vor Freude. Mit Bedauern stellt er aber fest, dass sich die echte Volksmusik in seiner Heimat mit viel Energie gegen die langsame Verdrängung aus der Unterhaltungswelt wehren müsse. Für Wirtsleute bedeute das Engagieren einer echten Bündner Ländlerkapelle meistens einen finanziellen Hosenlupf. Und dies nicht, weil die Gagen hoch seien, sondern weil sich der Zuhöreraufmarsch trotz qualitativ guter Vorträge in Grenzen halte. Eine Formation erziele heute bald nur noch Erfolge, wenn sie die Konsumenten mit Gesang und Schunkelmusik miteinbeziehe. Hans-Luzi Hunger will dieser Entwicklung entgegenhalten. Selber vermehrt Unterricht erteilen und die öffentliche Hand zu gezielter Förderung der eigenen Tradition ermuntern, sind seine derzeit anstehenden Ziele. Des weiteren will er im Pensionsalter auch seinen anderen Freizeitbeschäftigungen wie Sport und Reisen zusammen mit seiner Partnerin Luzia vermehrt nachgehen. Und wer mit Hans-Luzi Hunger spricht, bemerkt bald, dass dieser engagierte Volksmusiker auch abseits der Bühne immer mit viel Herzblut bei der Sache ist.
Wichtige Stationen
- 1967-1970 Mitglied Musikgesellschaft Alpenrösli Safiental
- 1970-1971 Akkordeonist Kapelle Bündner Bergglocke, Chur
- ab 1971 Gründungsmitglied Kapelle Rhygold, Trimmis
- 1972-1981 Mitglied Schwyzerörgelifründe Felsberg
- 1992-1999 Mitglied Kapelle Aurora
- 1993-2000 Mitglied VSV Graubünden (1 Jahr Vizepräsident, 6 Jahre Präsident, OK-Präsident Bündner Ländlerkapellentreffen Landquart)
- ab 2006 Mitglied Kapelle Via Mala
- ab 2006 Gründungsmitglied Handorgelduett Hunger-Hunger
- ab 2006 Gründungspräsident Verein Volksmusikpreis Graubünden
- ab 2006 Akkordeonbegleiter Jodelduett Denise und Ernst Wunderli, Flims