Hexenmuseum Schweiz
Das Hexenmuseum Schweiz ist die einzige Einrichtung dieser Art in Europa und will als Ort der Begegnung, Information und Aufklärung allfällige Berührungsängste und Vorurteile im Zusammenhang mit dem Thema Hexen abbauen. Land&Musig hat den mystischen Ort im aargauischen Auenstein aufgesucht.
23.01.2017 | VON STEFAN SCHWARZ
Feine Nebelschwaden zeichnen magische Muster über der winterlichen Aare. Der wilde Garten vor dem orange-gelb aus der Dämmerung schimmernden Hexenmuseum Schweiz lässt eine geheimnisvolle und zugleich einladende Stimmung aufkommen. In diesem Moment werde ich mir bewusst, dass ich mich noch nie tiefgründig mit dem Thema Hexen befasst oder höchstens als Kind die Geschichten der kleinen Hexe zu Gehör bekommen habe. Die bekannten Filme wie «Harry Potter» oder «Verliebt in eine Hexe» sind mehr oder weniger unbeachtet an mir vorbei geflimmert.
Eine leibhaftige Hexe
Entsprechend unvoreingenommen und gespannt betrete ich die Räumlichkeiten. Mystische Klänge, ein zauberhafter Duft und die Museumsgründerin Wicca Meier-Spring höchstpersönlich heissen mich willkommen. «Ist Wicca nicht die Bezeichnung für eine Hexe», frage ich mich und entdecke im gleichen Moment das Konterfrei meiner Gastgeberin an der Wand mit Namen moderner Hexen. Wicca Meier-Spring sieht aber nicht so aus, als würde sie mich gleich verhexen. Im Gegenteil! In sympathischer und informativer Art und Weise nimmt sie mir die erste Schwellenangst und beteuert, dass moderne Hexen gute Hexen seien und in keinster Weise mit teuflischen Verwünschungen zu tun hätten. «Das Wetter können wir nicht verhexen und die Kühe machen wir auch nicht krank», sagt sie mit einem Blick in die Vergangenheit, wo für alles Unerklärbare auf unserer Welt die so genannten Hexen zum Sündenbock gemacht worden sind. Traurig fügt sie an, dass von 1419 bis 1782 über 110’000 Hexenprozesse stattgefunden hätten und auch in der Schweiz gut 10’000 Männer und Frauen wegen Hexentums auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden seien. Auf Tafeln im entsprechenden Raum des Museums lese ich später die Namen von Menschen, die in verschiedenen Kantonen unseres Landes aufgrund mangelnder naturwissenschaftlicher Kenntnisse und falscher Anschuldigungen ihr Leben lassen mussten. Darunter auch absolut unbescholtene Bürger mit epileptischen Störungen oder geistig Behinderte.
«Moderne Hexen sind auch mit dem Auto unterwegs und nicht auf dem Besen!»
«Was ist denn aber eine moderne Hexe», will nun ich wissen. Wicca Meier-Spring definiert das moderne Hexensein in erster Linie als Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und als eine Art Lebenseinstellung. Sie selber wurde in einer Familie geboren, wo diese Lebensweise seit mehreren Generationen zur Tagesordnung gehörte. Andere wiederum stehen an einem Scheidepunkt ihres Lebens, finden keine Erfüllung in der Religion oder suchen als Freidenker einfach einen anderen Weg im Einklang mit der Natur und dem natürlichen Jahreskreis. Wer sich wie Wicca Meier-Spring tiefer mit dem Thema auseinandersetzen will, lässt sich in England, Schottland, Irland oder den USA in einen Hexenzirkel initiieren und wird dort während drei Jahren quasi zur Hexe ausgebildet. «Von aussen sieht man es uns nicht an, denn moderne Hexen sind auch mit dem Auto unterwegs und nicht etwa auf dem Besen!», schmunzelt mein Gegenüber und führt mich weiter durch die Räumlichkeiten des Museums.
Verbindung zur Tradition
Dank Informationstafeln und verschiedenen Audioquellen erfahre ich mehr über die umfassende Thematik der Naturheilkunde und erhalte einen Überblick über die Anwendung von Pflanzen im Volksglauben. Gegen drohendes Unheil schützte man sich zum Beispiel mit Korn, welches man in seine Kleider einnähte oder in der Schuhsole platzierte. Und der früher aus Kräutern wie Rosmarin bestehende Brautstrauss sollte die Braut mit seinem Duft vor einem Ohnmachtsanfall bewahren. Im Divinationsraum mache ich Bekanntschaft mit verschiedenen Formen des Wahrsagens, Hellsehens und Orakelns, während nebenan die acht Jahreskreisfeste eine handfeste Verbindung zu vielen einheimischen Traditionen liefern. Wicca Meier-Spring unterstreicht, dass eigentlich alle typischen Brauchtumsaktivitäten in Verbindung mit einem der vier Mond- und vier Sonnenfeste stehen. Die Metzgete Ende Oktober hatte früher vorab zum Zweck, überlebenswichtige Vorräte für den anstehenden Winter anzulegen. Und aufgrund des aufkommenden Hungers im Februar wollte man während der Fasnacht mit gruseligen Masken der kalten Jahreszeit den Garaus machen und die Natur mit Lärmen und Rätschen wieder zu neuem Leben erwecken. «Leider sind diese Beweggründe für unser Treiben mehr und mehr in den Hintergrund geraten», bedauert Wicca Meier-Spring. Sie macht mich während unserer spannenden Unterhaltung immer wieder auf weitere Dinge aufmerksam, die wir in unserem Alltag ohne jegliche Verbindung zum Hexentum leben. So war ich mir beim Anstossen bislang noch nie bewusst, dass das Klirren der Gläser böse Geister davon abhalten soll, durch den Mund in die Menschen eindringen zu können.
Hinter der Reception befindet sich der Museums-Shop mit einer reichen Auswahl an ausgesuchten Produkten zum Thema wie hausgemachte magische Öle, Amuletten, Bücher, mystische Grusskarten und vieles mehr. Zahlreiche Produkte können übrigens auch in Wiccas Webshop bestellt werden. Ein weiterer Anziehungspunkt im Foyer ist die Geschichte des berühmten Joller-Hauses von Stans, in welchem die rachsüchtige Seele der Grossmutter Joller einst als Poltergeist ihr Unwesen getrieben haben soll. Das stattliche Spukhaus auf der Spichermatt wurde 2010 wegen einer geplanten Neubausiedlung leider abgerissen.
Seit der Walpurgisnacht vom 30. April 2016 bietet das Hexenmuseum Schweiz auf einer zweiten Etage diverse neue Themenbereiche und viele zusätzliche Informationen rund ums Thema Hexen. Beim Aufstieg über die Holztreppe erblicke ich Plakate von unzähligen Hexenfilmen, welche das Publikum dank der Darstellung übernatürlicher Fähigkeiten bereits seit der Stummfilmzeit in ihren Bann ziehen. Oben angelangt geht es übersinnlich weiter mit dem magischen Rad und allerhand Informationen über verschiedenste Hexentiere wie Rabe, Eule, Fuchs, Biber oder Hase. Auch Liebeszauber aus der Volksmagie, Traditionen rund ums Kinderkriegen, Universalheilmittel und vieles mehr werden anschaulich und informativ dargestellt. Nach einem Besuch im Filmraum bekomme ich am interaktiven Tisch einen Einblick in die Hexengeschichte von gestern bis heute, in die Welt der Magie sowie in die Zeit der Pest. Zu guter Letzt ist im Obergeschoss ein ganzer Raum den unterschiedlichsten Formen der Götterverehrung aus allen Kulturen und Zeitaltern gewidmet.
In meinem rund 90-minütigen Rundgang durch die nicht gewinnorientierte Einrichtung ist es mir kaum möglich, alle wertvollen Exponate zu erblicken, die seit vielen Jahrzehnten im Besitze der engagierten Museumsbetreiber sind oder im Laufe der Zeit dank Spenden und persönlichen Beziehungen zusammengetragen werden konnten. Deshalb kommen besonders interessierte Besucherinnen und Besucher oftmals nicht nur einmal nach Auenstein, sondern vertiefen sich bei mehreren Besuchen ganz individuell in den einen oder anderen spannenden Themenbereich. Und wer wie ich von den Erläuterungen einer leibhaftigen Hexe profitieren möchte, kann auf Anfrage natürlich auch eine persönliche Führung buchen. Da das Hexenmuseum nicht ganz regelmässig geöffnet hat, empfiehlt sich vor einem Besuch die vorgängige Konsultation der Internetseite.
Im Dienst der Allgemeinheit
Vor meiner Rückkehr aus der spirituellen Hexenwelt in den gewohnten Alltag unterhalte ich mich nochmals angeregt mit meiner Gastgeberin Wicca Meier-Spring und spreche sie auf allfällige negative Vorurteile gegenüber dem Hexentum an. «Wir Menschen der Gegenwart sind noch immer geprägt von den Mustern und dem Aberglauben des Altertums», erklärt sie und hält vehement fest: «Die Geschichte hat uns aber gezeigt, dass es falsch ist, hinter dem Begriff Hexe ohne besseres Kennen der Umstände alles Böse und Unheilvolle zu vermuten!» Als Autorin, Dozentin und Referentin will die ausgewiesene Kennerin der Hexenszene diesen Klischeevorstellungen entgegenwirken. Das seit Jahr 2009 mit viel Liebe zum Detail aufgebaute Hexenmuseum Schweiz bildet eine weitere wertvolle Möglichkeit, der Öffentlichkeit einen umfassenden Einblick in ein mystisches Umfeld zu gewähren, das auch mir persönlich sonst unerschlossen geblieben wäre.