Jodelklub Eglisau
Die Hochkonjunktur der Jodlerklubs begann in den 1950er-Jahren, als im ganzen Land – und auch an Orten, wo das Jodeln eigentlich Importgut war – Jodlerklubs gegründet wurden. Im zürcherischen Eglisau war es am 14. August 1950 so weit. Der Klub bereicherte in den bisher 66 Jahren seines Bestehens das kulturelle Leben im Städtchen am Rhein.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen Arbeitssuchende in Scharen aus den Berggebieten ins Mittelland. Vornehmlich in die Städte, wo Industrie und Grossbetriebe fleissige Hände brauchen konnten und wo sie eine Grundlage für ihre Familien fanden. Obwohl es den Leuten dort wirtschaftlich viel besser ging, und auch die Landschaft seine eigenen Reize hatte, war das Heimweh nicht ganz zu verdrängen. Schicksalsgenossinnen und -genossen fanden zusammen und gründeten Berner-, Bündner-, Glarner- oder Appenzellervereine. An ihren Versammlungen konnten sie wieder ihre Muttersprache hören, Geschichten aus der Jugendzeit austauschen, ihre typischen Trachten tragen und ihre Volkslieder singen. Das Angebot an Zerstreuungsmöglichkeiten war klein, das Fernsehen noch in den Kinderschuhen und nur ganz selten in den Haushalten der Arbeiter zu finden. Kein Wunder also, dass damals die hohe Zeit der Vereine war. In den grossen Betrieben gab es zudem Personalanlässe, die im gemütlichen zweiten Teil auch gerne zum gemeinsamen Singen genutzt wurden. In Eglisau waren das die Mitarbeiter der Mineralquelle, welche die damals bekannten Marken Eglisana (seit 1926), Orangina (seit 1935) oder Vivi-Kola (seit 1938) herstellten und im ganzen Land vertrieben. Zum Personal gehörte beispielsweise der 1937 in Langnau im Emmental geborene und aufgewachsene Franz Gerber, der 1961 als Chauffeur in die Firma eintrat und sich in Eglisau nicht nur ein gutes Leben mit seiner Familie aufbaute, sondern bis heute auch kreativ wirkt.
Das Jodlerchörli entsteht
Bis zu 14 Leute seien es jeweils gewesen, die an Anlässen der Mineralquelle Eglisau zusammen spontan auftraten. Fritz Bächi ergriff die Initiative, gründete den offiziellen Verein und leitete diesen dann gleich auch während den ersten sieben Jahren. Noch war die Verbundenheit zur Heimat der meisten Mitglieder so stark, dass sie bei ihrem ersten offiziellen Auftritt im schaffhausischen Thayngen mit Stolz im Bernermutz antraten. Bereits ein Jahr nach der Vereinsgründung trat die Eglisauer Jodlerschar dem Nordostschweizerischen, und damit auch dem Eidgenössischen Jodlerverband bei. Dadurch konnte das Chörli auch an den Jodlerfesten teilnehmen, eine Gelegenheit, die fast lückenlos und mit grossem Erfolg wahrgenommen wurde.
Die zunächst noch innerhalb des Vereins bestehende gemischte Gesangsgruppe wurde 1954 aufgelöst. Mehr und mehr entpuppte sich ein veritabler Jodelklub, der sich ab 1956 Jodelchörli Bärgfründe Eglisau nannte. Nach diesen enthusiastischen und erfolgreichen Anfangsjahren musste sich der Verein quasi im Alltagsleben bewähren. Allerlei Ein- und Austritte gehörten zum regen Vereinsleben und viele tolle Auftritte klingen in den Erinnerungen der damaligen Mitglieder nach. 1980 übernahm der in Schaffhausen sehr aktive Lehrer, Chordirigent und Jodler Peter Casanova die musikalische Leitung. Nach mehreren Wechseln am Dirigentenpult begann so die erste längere Amtszeit eines Dirigenten, in welcher der Chor zu musikalischen Höhepunkten gelangte, die auch mit Plattenaufnahmen dokumentiert sind. Nach weiteren Wechseln steht seit 2004 Elisabeth Walther in diesem verantwortungsvollen Amt. Veränderungen gab es auch optisch. 1971 wurde der Berner Mutz durch eine Nidwaldner Bluse ersetzt und 1982 entschloss man sich dazu, endlich die regionale Zürcher Männertracht anzuschaffen.
Alphorn, Duett und Solo
Der blühende Verein konnte auch den Empfehlungen des Jodlerverbandes entsprechen, nach welchen möglichst auch das Alphornblasen und Fahnenschwingen in den Jodlerklubs gepflegt und gemeinsam aufgetreten werden soll. Die Alphorngruppe erlangte mit der Zeit über die Vereinsgrenzen hinaus Bekanntheit und trug somit auch den Namen des Vereins in neue Kreise. In jüngerer Zeit haben sich die Alphorngruppen im Zuge des weltweiten Booms zu Naturhörnern im ganzen Land verselbständigt oder neu zusammengefunden. So hat sich auch die Eglisauer Gruppe offiziell vom Jodelklub getrennt. Noch immer aber besteht eine schöne Zusammenarbeit und es kommt auch zu gemeinsamen Auftritten. Zum Klub gehört auch das Jodelduett des Präsidenten Erich Steiner mit der Jodlerin Martha Zaugg, welche auch als Solojodlerin auftritt. Begleitet werden sie vom Akkordeonisten Franz Klarer.
Der berühmte Zahn der Zeit nagt vor allem an den Jodelvereinen im Mittelland und in den Städten. Einhergehend mit der ohnehin negativen Entwicklung des Vereinswesens ganz allgemein, müssen sich viele Jodlerklubs neue Wege suchen oder ihre Sache aufgeben. «Wir haben es momentan von den Mitgliedern her gesehen noch relativ gut», erklärt Präsident Erich Steiner. Mit 18 Mitgliedern präsentieren die Eglisauer immer noch einen gut besetzten Klub. «Fünf unserer Kameraden und eine Jodlerin sind jüngeren Jahrgangs, der Rest aber alle im Bereich zwischen 60 und 80 Jahren», muss er aber auch erwähnen. Und dass mit zunehmendem Alter auch einmal hervorragende Stimmen nicht mehr ihre volle Kraft entfalten können, ist eine alte Weisheit. «Bereits seit 1997 brauchen wir an unserem Chlaushöck keinen Samichlaus mehr, weil es keine kleinen Kinder mehr in den Familien der Mitglieder gibt», illustriert Erich Steiner die Situation mit einem Lächeln. Trotzdem herrscht in den Reihen der Eglisauer Jodler nicht etwa Resignation. «Wir versuchen weiterhin, unseren Verein zu verjüngen und geniessen gleichzeitig die schönen Stunden, die wir jede Woche miteinander haben!» Folgerichtig führt der Jodelklub Eglisau auch im laufenden Jahresprogramm neben den wöchentlichen Proben eine ordentliche Anzahl Auftritte; so beispielsweise den Singsonntag am 14. Februar, den Jodlerabend am 5. März, ein Kirchenkonzert mit der Jodlervereinigung am 22. April, den traditionellen Tag der offenen Weinkeller am 1. Mai in Eglisau, oder die Jodlermessen am 22. September in Bülach und am 2. Oktober in Eglisau. Der Verein macht auch kräftig in der Jodlervereinigung Zürcher Unterland mit, in welcher sich sieben Vereine zusammenfinden und welche ebenfalls von Erich Steiner präsidiert wird. Man darf also feststellen, dass auch im Zürcher Unterland eine lebendige Jodlerszene vorhanden ist und die mindestens noch so lange vielen Freude bereitet, wie die jetzigen Generationen den nötigen Elan und Eifer aufbringen können.
Mundartdichter Franz Gerber
Der 1937 in Langnau im Emmental geborene Franz Gerber ist ein typisches Mitglied von Jodlerklubs im Unterland. 1961 zog er nach Eglisau, wo er in der Mineralquelle eine Anstellung als Chauffeur fand. Dort konnte er seine Familie gründen und sich ins gesellschaftliche Leben integrieren. Noch heute lebt er in seinem Einfamilienhaus, wo er nicht nur der Leidenschaft als Hobbygärtner frönen, sondern auch seiner Fantasie als Mundartdichter freien Lauf lassen kann. Mit seinem reichen Wortschatz und lebendigen Beobachtungssinn schafft er es, Stimmungen zu transportieren. Das haben auch Jodelliederkomponisten schon lange erkannt, die seine Texte vertont haben. So zum Beispiel der Berner Oberländer Max Huggler, zu welchem Franz Gerber eine tiefe Verbindung hatte, aber auch die Entlebucher Ruedi Renggli und Theodor Schweizer oder die Innerschweizer Heinz Willisegger und Emil Wallimann. In jüngerer Zeit kamen noch Ruth Krebs und Walter Stadelmann dazu.
Sein im Jahr 2007 entstandenes Buch enthält neben vielen Gedichten auch Kurzgeschichten aus dem Leben von Franz Gerber. Nachstehend ein Müsterli daraus:
Wenn s grüenet u blüeht
Es nützt mir kes Plange,
wenn s Wätter nid stimmt.
Es wott nüt rächt glinge,
wenn d Sunne nid schynt.
No chuttets um s Hüüsli,
bruchsch haublinig Gwand.
S isch eischter no Winter,
ke Früehlig im Land.
Nüt use, gäng dinne,
das bringt mi um d Rueh.
U möchte i nid singe,
u jutze derzue,
wärs grau i mim Hüüsli,
u feischter im Gmüet.
Doch fröhlich wird s Härz erscht,
wenn s grüenet u blüeht.
Fürs s Müetti e Meie,
lueg, d Sunne hets gschafft.
Bringt aus wieder z blüeje,
schäicht Wärmi u Chraft.
Verschtreut tusig Farbe,
macht s Läbe wie neu.
Kes Härz ma me chlage,
jetzt früsch, froh und frei!
24.01.2016