Jodelliederkomponist Ueli Zahnd
Mit dem Lied «Das cha nur Liebi si» ist der Berner Jodelliederkomponist Ueli Zahnd auch in jenen Kreisen aufgefallen, die dem traditionellen Jodeln nicht so nahe stehen. Sein bisheriges Werk umfasst aber eine Vielzahl von gefühlvollen Schöpfungen mehr. Ueli Zahnd lebt und wirkt im Schwarzenburgerland in einem Spannungsfeld zwischen Tradition, ländlicher Lebensweise und moderner Geschäftswelt.
23.01.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
«Wermi gäh u Liebi säje, mängem tuet das ärdeguet!» So lautet der Schlusssatz der ersten Strophe des Lieds «Wermi, Trosch u Liebi schänke» von Ueli Zahnd, der damit zugleich sein Wesen ziemlich genau trifft. Wer dem Poeten, Jodelliederschöpfer und Jodeldirigenten zuhört, glaubt kaum, dass er als Geschäftsleiter der Schwarzenburger Coop-Filiale auch mit der harten Geschäftswelt klar kommt. Vielleicht aber sind es gerade die Gegensätze, welche er letztlich als ausgleichend empfindet. Und es gibt auch Verbindendes, so beispielsweise seine Sensibilität, die ihm nicht nur beim Musizieren nützt, sondern auch im Umgang mit seinen Untergebenen. Neben seinen Belastungen im Beruf betreut er als Dirigent die beiden Jodlerklubs Guggisberg und Alperösli Mühlethurnen-Riggisberg und findet trotzdem noch die Musse, ab und zu ein neues Jodellied zu komponieren.
Heimat im Schwarzenburgerland
Der Gantrisch im Süden, das Freiburger Senseland im Westen, das Berner Oberland im Osten und die Bundeshauptstadt im Norden umrahmen das Schwarzenburgerland. Riggisberg, Rüschegg und Guggisberg sind weitere bekannte Orte in jenem Gebiet, wo der elterliche Bauernhof des am 2. November 1964 geborenen Ueli Zahnd liegt. Dort wuchs er zusammen mit seinem älteren Bruder sowie zwei älteren Schwestern auf. Die Familie ging während seinen ersten fünf Lebensjahren gerade noch die letzten Male «z Bärg». Das Brauchtum der Bergbauern hat er eins zu eins mitbekommen, das die Basis für sein musisches Schaffen ist. So ist es ihm ein Anliegen, dass die Bodenständigkeit des Jodellieds erhalten bleibt.
Das Jodellied war schon in seiner Jugendzeit ein fester Bestandteil des Familienlebens. Man sang bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mutter Lea war ebenfalls eine Jodlerin, die an Jodlerfesten teilnahm und von ihrem Jodellehrer Jakob Ummel betreut wurde. So verwundert es denn auch nicht, dass vor allem Ummel-Lieder im Hause Zahnd oft zu hören waren. Obwohl bei den Kindern durchaus auch Talent festgestellt wurde, fehlte das Geld für eine musikalische Förderung. Die berufliche Ausbildung begann für Ueli mit einer Lehre als Fleischverkäufer bei Coop in Köniz. Als solcher verdiente er die ersten Batzen, die er sogleich in eine Hammondorgel investierte und darauf die ersten Musiklektionen bekam. Nach der Ausbildung machte er noch einen zweieinhalb Jahre dauernden Abstecher als Versicherungsvertreter, bevor er wiederum bei Coop eine Weiterbildung absolvierte. Durch verschiedene Stationen, die ihn auch zu Wohnorten in Schwarzenburg, Riggisberg und Rüschegg führten, landete er schliesslich wieder bei Coop Schwarzenburg, dessen Filiale er heute als Geschäftsführer leitet.
Am Arbeitsort lernte er 1986 seine aus Schwanden bei Brienz stammende Frau Iris kennen. Die beiden heirateten 1993 und sind Eltern der zwei Kinder Laila (1994) und Danilo (1997). Iris ist ebenfalls Sängerin, jedoch nicht im Jodelfach, sondern im Gospelchor «Swiss Mountain-Singers». Im letzten Jahr haben Ueli und Iris in Schwarzenburg eine Eigentumswohnung gekauft, die sie jetzt nach und nach renovieren und nach ihrem Geschmack einrichten. «Jetzt haben wir zwar keinen Garten mehr und auch die Seidenhühnerzucht hat keinen Platz mehr», erzählt Ueli. Mit dieser Veränderung leistet er auch einen Beitrag an seine Gesundheit, die mit den grösser gewordenen Dimensionen seiner Präsenz am Arbeitsort auch langsam Grenzen erreicht.
Ueli Zahnd und das Jodeln
Als 19-jähriger Bursche trat Ueli Zahnd in den Jodlerklub Bärgfründe Schönentannen ein, in welchem auch weitere Verwandte sangen. Wenn der Dirigent Probenausfälle hatte, übernahm er bald dessen Aufgabe. Als der Jodlerklub Guggershörnli Guggisberg dringend einen Dirigenten benötigte, gab Ueli schliesslich nach und übernahm das Amt. Daraus ist eine überaus fruchtbare Zusammenarbeit entstanden, die nun bereits ein Vierteljahrhundert andauert. Weitere Chorleitungen übernahm er ad interim bei den Jodlerklubs Rüschegg und Heimberg. Vor vier Jahren trat Ueli Zahnd an den gleichen Posten beim Jodlerklub Alperösli Mühleturnen-Riggisberg. Dirigentenwechsel, wie sie übrigens laufend vorkommen, sieht er nicht als Zeichen von Misserfolg, sondern als eine Chance für beide Seiten. «Im Neubeginn werden neue Ansichten formuliert, andere Erfahrungen ausgetauscht und auch andere Arbeitsweisen eingeführt. Sie alle bringen Aufschwung, eine neue Frische in den Gesang und andere Machtverhältnisse in den Verein», sagt der erfahrene Dirigent. Und weiter: «Es gibt verschiedene Gründe, eine solche Zusammenarbeit auch wieder zu beenden, etwa höhere Anforderungen im Beruf oder auch ein Wohnortswechsel. Es kann aber auch sein, dass sich die Konstellationen im Verein verändern und man dann nicht mehr die gleichen Auffassungen hat. Bei allen Aufgaben ist mir zentral wichtig, dass alle Beteiligten den Willen haben, etwas zu schaffen. Ist dieser nicht mehr ringsum vorhanden, ist eine für alle Seiten gewinnbringende Zusammenarbeit unmöglich!» Er selber hat in den Klubs immer mitgesungen. Ausser der Jodelstimme ist es ihm möglich, in allen Registern mitzumachen.
Gedichte und Lieder
Schon seit Ueli denken kann, hat er aus Eindrücken und Gefühlen Verse geschrieben. So ist schon eine Vielzahl von Gedichten entstanden. Viele davon bleiben im Notizheft, in welchem er seine Gedanken sofort festhalten muss. Einige werden zu Gedichten für Grusskarten und Anlässe und andere mausern sich zu Liedern. «Wenn aus den gereimten Zeilen eine Melodie herauswächst, merke ich das noch beim Verfassen», erklärt er das Vorgehen. Er spürt dann jeweils auch sofort, ob es ein Einzel-, Duett- oder Chorlied wird. Und wenn es dann letztlich ein solches geworden ist, bleibt es auch so. Es macht für ihn keinen Sinn, das gleiche Lied für verschiedene Besetzungen zu arrangieren. Diese Ansicht hat er von seinem «musikalischen Vater» Ernst Wyler übernommen. Der erst kürzlich im hohen Alter verstorbene Musik- und Gesangslehrer – der übrigens auch diverse Jodlerklubs leitete – hat ihm von Anfang an geholfen, aus den Melodien in seinen Gedichten ganze Lieder zu formen. «Alles was ich musikalische und kompositorisch kann, habe ich bei Aschi gelernt» resümiert Ueli dankbar. Er steht auch dazu, dass er als Laienmusiker bezüglich Chorsatz die Unterstützung von ausgebildeten Musikern benötigt und deshalb zur Zeit in der Evaluation für einen neuen Mentor steht.
Das Spektrum seiner Themen ist vielfältig. Immer ist es ihm wichtig, mit seinen Texten und Melodien die Menschen zu berühren. Da auch seine Gedichte in bestimmten Lebenssituationen, aus Gefühlsmomenten und Erlebnissen heraus entstehen, geht es bei Ueli Zahnd nicht um das oft im Jodelwesen besungene Alpleben, um «Chueli u Blüemli». Themen wie Dankbarkeit, Jodlerstolz, Liebe, Freundschaft, Jahreszeiten, Freude, Trauer, Heimweh, Freundschaft und Vertrauen finden sich in seinen Liedern, von welchen es mittlerweile etwa 25 Duettlieder und gut 40 Chorlieder gibt. Wenn er dazu motiviert ist, erarbeitet er aus den Notizen und Melodiefragmenten das ganze Lied. Dieser Prozess dauert dann jeweils nur noch einige Tage, bei manchen sogar nur Stunden.
Waren es zu Beginn oftmals Einzel- und Duettlieder, so ist er mittlerweile immer mehr vom Chorsatz fasziniert. Die Möglichkeiten der Harmonien und der rhythmischen Gestaltung geben ihm die Möglichkeit, seine Gefühle, die er schon beim Verfassen der Gedichte hatte, in einer perfekten Art darzustellen. Nicht zuletzt sind deshalb in letzter Zeit mehr Lieder für die grosse Besetzung entstanden. «Fast panische Angst habe ich davor, dass mir eingefallene Melodien eventuell nicht wirklich von mir sind», erklärt Ueli. Nicht zuletzt deshalb meidet er bewusst das Anhören von Tonträgern mit Jodelliedern. Grosse Aufmerksamkeit erntete er mit seinem Liebeslied «Das cha nur Liebi sy». Das Lied, das er im Übrigen nie als Jodellied gesehen und bezeichnet hat, entstand just zu jener Zeit, als das Singen von Unterhaltungsmusiktiteln in Jodlerklubs – Stichwort «Ewigi Liebi» – plötzlich Mode war. Auch Uelis Lied wurde im gleichen Genre gesehen, was ihm zwar einen tollen Erfolg, aber zugleich auch klare Anfeindungen aus traditionellen Jodlerkreisen brachte. Es machte ihm Mühe, dass er in jenen Situationen nur an diesem Lied gemessen wurde, da er sich in Dutzenden von anderen Liedern und auch in seinem Bemühen im Jodelwesen allgemein stark für das Erhalten der Traditionen eingesetzt hatte. Vielleicht aber waren es nur Äusserungen von jenen Neidern, die als Begleiterscheinung von Erfolg immer sofort auf dem Plan sind. Ganz klar ist indessen seine Meinung zu neuzeitlichen Liedern, wenn er sagt, dass wir im Jahr 2017 leben und unsere Musik in Wahrung von vielen Traditionen immer auch ein Spiegel der heutigen Lebensformen sein soll.
Persönliche Wahrnehmung
Ueli Zahnd ist ein Zeitgenosse mit wachen Augen. Bei aller Liebe zum Althergebrachten schätzt er die Errungenschaften des modernen Lebens. Die elektronischen Geräte, die vorhandene grosse Auswahl an Materialien und Waren sieht er als Erleichterung unseres Lebens. Dass mit der allgemeinen Globalisierung und dem Zugang zum riesigen Angebot des Freizeitmarkts auch starke Einflüsse auf unser Verhalten verbunden sind, ist ihm klar. Ob hingegen alle nur negativ sind, sei doch sehr fraglich. «Keinen positiven Einfluss haben sie hingegen ganz klar für das Vereinsleben. Die Jodlerklubs schrumpfen, was immer auch mit einer Qualitätseinbusse des Gesangs zusammenhängt.»
Zusätzlich sieht er die immer mehr aufkommenden Kleinformationen, die sich einem elitären Gesang verschrieben haben: «Das ist für die Jodlerklubs eine schlechte Entwicklung, der man deshalb schlecht oder gar nicht begegnen kann, weil die jungen Generationen eine andere Ideologie haben!» Auch keine besondere Freude empfindet er, wenn er an die zwar gut gemeinte – jedoch zielverfehlende – Entwicklung der Beurteilungskriterien im Jodelgesang denkt. Immer mehr stützen sich diese auf Musiktheorie, die zwar richtig angewendet werden muss, jedoch nicht zum Messen von wahren Empfindungen geeignet ist. Und damit schliesst sich der Kreis dieses Artikels: «Wermi gäh u Liebi säje, mängem tuet das ärdeguet!»