Jodlerin Nadja Lanz
Am Kantonal-Bernischen Jodlerfest diesen Jahres in Steffisburg wird sie erstmals in ihrem Leben vor dem Fachpublikum und den Experten jodeln. Was sie dann dabei empfinden wird, ist ihr noch unklar. Eine Standortbestimmung ist ihr nach der nur kurzen Laufbahn jedoch wichtig und soll den weiteren Weg als Jodlerin öffnen.
22.03.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Das bernische Lengnau ist eine Gemeinde am Jurasüdfuss mit gut 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Bahn- und Autobahnanschluss bietet die Möglichkeit, die nahen Zentren Biel, Grenchen und Solothurn innerhalb von Minuten zu erreichen. 290 Gewerbe- und Industriebetriebe haben hier ihren Sitz, wobei der immer noch stärkste Wirtschaftspfeiler die Uhrenindustrie ist. Im Vereinsverzeichnis stehen neben Sportvereinen, Pilz- und Obstbauverein, Naturfreunde und weiteren auch der Gemischte Chor, der Jodlerklub, die Musikgesellschaft, die Trachtengruppe und – im Zusammenhang mit diesem Artikel wichtig – der Schwingklub Unteres Seeland. Obwohl es im Berner Seeland und am Jurasüdfuss eine ganze Menge Jodlerklubs gibt, ist die Verbundenheit der Bevölkerung mit diesem Musikgenre nicht so natürlich gegeben wie etwa im Berner Oberland, der Zentralschweiz, dem Toggenburg oder Appenzellerland. Dass ein junger Mensch den Weg in einen Jodlerklub findet, ist daher selten und meistens nur auf Initiative der Klubs selber möglich. Zwar haben sich auch in dieser Landesgegend Kinderjodelchörli gebildet und teilweise recht beachtliche Mitgliederzahlen erreicht. Der Sprung im jugendlichen Alter zu den «Grossen» ist aber dennoch schwierig. Dabei spielt nicht etwa die Begeisterung am Singen die grösste Rolle, sondern vielmehr das Belächeln der Kolleginnen und Kollegen. Um sich diesen Strömungen widersetzen zu können, braucht es eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen.
Ausgangspunkt Schwingklub
In der Familie Lanz spielt das Schwingen eine grosse Rolle. Nadjas Bruder ist ein Schwinger und heute Präsident des Schwingklubs, ihr Vater und Onkel haben auch geschwungen. So ist Nadja schon sehr früh mit dem Sägemehl in Kontakt gekommen. «Ich habe wohl schon als Kleinkind darin ‹gschnagget›, selber aber habe ich nie mit dem Schwingen begonnen», beschreibt sie die Situation. Natürlich aber ist sie ein Schwingsportfan und pflegt viele Kontakte zu anderen Schwingerfamilien, die sich jeweils an den Festen treffen. Mit einigen «Schwingerfrauen» pflegt sie zusätzlichen freundschaftlichen Kontakt. Und so sind die Wochenenden in der Schwingsaison schon gut ausgelastet. Mittlerweile konnte sie nämlich auch ihren Lebenspartner für den kameradschaftlichen Umgang unter Schwingern und ihren Familien begeistern. Basis dafür ist natürlich der Schwingklub Unteres Seeland, für welchen sich die ganze Familie Lanz stark engagiert. Dass an Schwingfesten auch Jodlerklubs zu hören sind, ist ihr natürlich bekannt. «Ich habe aber lange Zeit keine Notiz davon genommen», gesteht sie. Dass sie schon im Kindesalter Freude am urchigen Sport hatte, war nicht immer einfach. «Ich wurde dafür gehänselt und schon deshalb wäre ein Mitmachen in einem Jodlerklub nie in Frage gekommen!» Immerhin aber kann man festhalten, dass die Verbindungen zum Brauchtum schon früh vorhanden waren, was ihre spätere Kontaktsuche zum Jodeln sicher begünstigt hat. «Meine Mutter hat mir schon immer gesagt, dass ich mit meiner Stimme das Zeug zum Jodeln hätte», sagt sie etwas nachdenklich. Noch aber war es nicht soweit, berufliche Wege traten als zusätzliches Hindernis auf.
In aller Welt
Als Reisekauffrau kennt Nadja die Welt. Verschiedene Arbeitsorte in der Schweiz und auch ein solcher in Australien stehen in ihrem Palmares bereits zu Buche. Mit ihrer kräftigen Stimme dokumentiert sie grosses Selbstvertrauen, das ihr die Sicherheit gibt, sich in jeder Situation zurecht zu finden. «Ich habe mich schon immer gerne selber ins kalte Wasser geschossen», lacht sie. Das kann dann durchaus etwas abseits vom vorgezeichneten Weg sein. So beispielsweise damals, als sie ein knappes halbes Jahr vor ihrem Stellenantritt in Zermatt durch die Mitarbeit auf einem Bauernhof im Berner Oberland überbrückte. Zunächst als Helferin im Haushalt und in der Kinderbetreuung beschäftigt, war sie schon bald Herrin über den Hühnerhof und brachte es schliesslich bis zum Kühemelken, Misten und Traktorfahren! Ob sie dereinst an diesem Punkt nochmals ansetzt, ist zur Zeit nicht sicher. «Vielleicht mache ich mal mit meinem Freund Ferien auf dem Bauernhof oder eine Saison als Hirtin auf einer Alp und helfe dann tatkräftig mit», schmunzelt sie. Es folgte dann eine zweijährige Phase in Zermatt, wo sie an Hotelreceptionen, im Service und als Barmaid gearbeitet hat. Auch zu ihrem eigenen Schutz, wie sie bemerkt, wollte sie dann wieder in ihre Heimat am Jurasüdfuss zu ihrer Familie zurück, die ihr schon immer sehr wichtig war. Sie fand in Biel einen Arbeitsplatz in ihrem gelernten Beruf. Gerne verbringt sie ihre Freizeit im Familien- und Freundeskreis, wobei sie auch gleich einer weiteren Leidenschaft frönen kann – dem Kochen und Bekochen. Und jetzt hat sie auch die Zeit, sich in einem Verein zu engagieren. Der Jodlerklub Meierisli Arch schätzt sich glücklich, sie als Jodlerin in seinen Reihen zu wissen.
Singen und jodeln
Seit Nadja denken kann, hat sie auch gesungen. In den Jugendjahren tat sie das in Pop- und Rockbands und etwas später auch in einem Trio, mit welchem sie hauptsächlich an privaten Festivitäten oder an Hochzeitsfeiern mit Balladen und Popsongs auftrat. Musik- oder Gesangsstunden brauchte sie dazu nicht. Mitten im Festakt des Eidgenössischen Jodlerfests in Aarau passierte es dann: «Ich hörte eine Solojodlerin und bekam sofort Hühnerhaut. Ich sagte mir, genau das will ich auch können!» Entschlossen machte sie sich auf die Suche. Im nahen Arch fand sie einen Klub, der noch eine Frauenstimme brauchen konnte. Dort sammelte sie erste Erfahrungen, wusste aber noch nicht, was es zum eigentlichen Jodeln braucht. Weitere berufliche Abwesenheiten hinderten vorläufig das tiefere Eingehen. Wieder zurück in der Heimat aber vollzog sie auch diesen Schritt. Im Oktober 2015 trat sie offiziell in den Jodlerklub ein und gleichzeitig begann sie auch, bei der bekannten Jodlerin Claudia Fabrègas in Grenchen Jodelunterricht zu besuchen. Begriffe wie Gesangstechnik, Kehlkopfschlag und richtige Atmung kamen so langsam in ihr Bewusstsein. «Ich habe gar nicht gewusst, was man mit einer Singstimme alles machen kann», konstatiert sie. Das Singen ohne Druck, die Atemstütze und damit das korrekte leise Singen, die bewusste Kontrolle der Intonation ganz allgemein und die passende Aussprache sind Baustellen, in denen sie sich jetzt übt. Am Jahreskonzert ihres Klubs wagte sie schliesslich den ersten Soloauftritt, der sie dazu motivierte, ihren Weg als Jodlerin weiter zu gehen. Das Hänseln aus der Jugendzeit ist verstummt, mittlerweile wird sie von ihrem Freundeskreis dafür bewundert. Kurzentschlossen suchte sie die Zusammenarbeit mit einem Akkordeonbegleiter und meldete sich mit dem Grolimund-Lied «Rosezyt» zum Jodelfest an. Da ihr Jodlerklub bereits für das Eidgenössische in Brig qualifiziert ist, setzt sie nun alles daran, dieses Ziel auch zu erreichen. Ob wohl der erste Satz ihres ersten Festlieds symptomatisch ist? «Wildi Rose hei mer gfunde …» – es ist ihr zu wünschen, dass aus der couragierten Sängerin Nadja Lanz bald eine kultivierte Rose in der grossen Familie der Solojodlerinnen wird!
Zur Person
Herkunft
Aufgewachsen und wohnhaft in Lengnau BE.
Familiäres
Ledig, ein älterer Bruder und eine jüngere Schwester.
Berufliches
Ausbildung zur Reisekauffrau in Biel, erste Arbeitsstelle in Zürich, neun Monate Australien mit Sprachschule, Reisen und Arbeiten, anschliessend verschiedene Anstellungen als Reisekauffrau in Münsingen, Thun und Biel, dazwischen fünf Monate Arbeit auf einem Bauernhof sowie eine Wintersaison in einem Hotel in Zermatt an der Reception, im Service und als Barmaid.
Hobbys
Singen, Jodeln, Schwingfeste besuchen, Kochen, Familie geniessen.
Jodlerklub Meierisli Arch
Seit 2015 singt Nadja Lanz im Jodler-klub Meierisli Arch, welcher im Jahre 1948 gegründet worden ist. Seither ist der Verein in erster Linie in seinem Dorf an der Aare sehr aktiv. Diverse Dirigentinnen und Dirigenten waren für die musikalischen Belange verantwortlich und haben den Klangkörper geprägt. Erste Tonaufnahmen entstanden bereits 1969 im Radiostudio, 1979 wurde die erste Musik-kassette und 1986 die erste Langspielplatte produziert. 2004 erschien die erste CD, die unter der Leitung von Claudia Fabrégas – der heutigen Jodellehrerin von Nadja Lanz – realisiert wurde. Heute steht der Klub unter der Leitung von Präsident Ueli Widmer und Dirigent Werner Sahli.
Kontakt
Nadja Lanz
Küpfgasse 7
2543 Lengnau