50 Jahre Jodlerklub Aletsch Naters
Die Jodelszene war im Wallis noch klein und jung, als 1966 in Naters der Jodlerklub Aletsch gegründet wurde. Der heute landesweit bekannte und verhältnismässig grosse Jodelchor hat den Aufschwung des Jodelns im Wallis mitgeprägt und wurde zu einer tragenden Säule der dortigen Szene.
22.03.2016 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Naters ist nur durch den Fluss Rotten von der Stadt Brig getrennt und wird vom Unkundigen oftmals irrtümlich als Teil von Brig gesehen. Naters ist aber eine überaus interessante Gemeinde, die sowohl den Stadtcharakter im Tal wie das dörfliche Bild in den 31 kleineren und grösseren Weilern am Natischer Berg aufweist. Mit einer Differenz von 3522 Metern ist sie die Gemeinde mit dem grössten Höhenunterschied der Schweiz. Die Natischer – so nennt man im Wallis die Einwohner von Naters – sind ein überdurchschnittlich musikalisches Volk. Auffallend ist dabei die Sangesfreude, denn neben dem Gemischten Chor und dem Blattnerchor bestehen mit der Gemischten Jodlergruppe Bärgarve, dem Jodlerklub Safran-Mund und dem jubilierenden Jodlerklub Aletsch drei Jodlerchöre mit insgesamt an die 100 Jodlerinnen und Jodler!
Das Wallis im Jodelfieber
Auch im Wallis gibt es schon lange Jodlervereine (siehe Kasten). Langsam hat sich nach den Kriegsjahren die Szene entwickelt, es wurden eigene Jodlerfeste durchgeführt und einzelne Kurse organisiert. Da und dort zeigte sich das Interesse der Bergbevölkerung in losen Verbindungen, die entweder wieder aufhörten oder dann eben zur Gründung von eigentlichen Jodlerklubs führten. Als zusätzliche Hürde im Vergleich zu Jodlerklubs in der «Üsserschwiz» muss die Sprache gesehen werden. Während zwischen Inner- und Ostschweizer und dem Berner Dialekt nur einzelne Worte ausgetauscht werden können, muss man die Texte für die Walliser Jodler komplett überarbeiten. Erst in den 1970er-Jahren begannen Walliser Liederschöpfer, Jodellieder im eigenen Dialekt zu komponieren. Ob dieser Fakt oder umgekehrt die Präsenz der neuen Jodlerklubs schliesslich zu einem kleinen Jodlerboom im Oberwallis geführt hat, gleicht der alten Frage nach dem Huhn und dem Ei. Jedenfalls aber umfasst die 1981 gegründete Walliser Jodlervereinigung heute 15 Jodelchöre und einen Alphornbläser- und Fahnenschwingerverein.
In der oben beschriebenen Entwicklung entstand 1966 auch in Naters ein Jodlerklub. Ins Säli des Restaurants Belalp in Naters hatten die beiden Initianten Walter Schnydrig und Moritz Summermatter eingeladen. Schon bei dieser Gründungsversammlung waren ein gutes Dutzend junge Natischer anwesend, was das grosse Interesse eindrücklich dokumentiert und ein gutes Omen für den Start des neuen Klubs war. Walter Schnydrig, ein überaus umtriebiger Schaffer im Jodelwesen allgemein (später auch als Präsident des Eidgenössischen Jodlerverbandes), übernahm das Präsidium während den ersten sechs Jahren. Genau zur gleichen Zeit war Leo Rothen als musikalischer Leiter tätig. Ihm folgte 1972 bis 1981 Werner Otmar und bereits 1981 begann die Ära mit Peter Summermatter als Dirigent. Auch die weitere Liste der Präsidenten ist kurz: 1973 bis 1979 Moritz Summermatter, 1980 bis 1995 Hilar Kummer und seit 1996 Remo Salzmann. Der überaus kleine «Präsidenten- und Dirigentenverschleiss» zeugt vom gesunden Vereinsleben, das den Jodlerklub Aletsch zu einem grossen Klub werden liess. «Man muss sehen», erläutert Vereinspräsident Remo Salzmann, «dass bei uns im Wallis kein grosser Klubtourismus stattfindet, wie man ihn vielleicht im Mittelland findet. Man geht in den Verein am Wohnort und bleibt diesem treu!» Diese so entstehende Verbundenheit der Bevölkerung dokumentiert sich auch im Publikumsaufmarsch bei Konzerten oder in der bereitwilligen Unterstützung durch Gewerbe und Politik. Eine Tatsache, die beispielsweise bei der Anschaffung von Trachten immer wieder willkommen ist.
Gesellschaftlicher Austausch
Der Erfolg des Vereins basiert auf verschiedenen Aspekten. Dazu gehören das kameradschaftliche Beisammensein und der Austausch unter Gleichgesinnten. Durch den hohen Bekanntheitsgrad bei Jodlerklubs im ganzen Land, der nicht zuletzt durch die ausnahmslose Teilnahme an Jodlerfesten landauf, landab, und die ebenso lückenlose Liste der ersungenen Bestnoten erreicht wurde, bestehen viele Freundschaften zu Jodlerinnen und Jodlern im ganzen Land. Konzertreisen nach Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich sind zusätzliche Attraktivitäten für Vereinsmitglieder. Zentral ist sicher die hohe Qualität des Gesangs, welche von Jung und Alt gleichermassen getragen und vom Dirigenten Peter Summermatter immer wieder neu initiiert wird. «Mir ist neben der Gesangstechnik und Präzision die Gestaltung das wichtigste Anliegen», erklärt der Vollblutmusiker. Als Pädagoge ist er in der Lage, seine Forderungen in jeweils angepasster Art und Weise seinen Jodlerinnen und Jodlern zu vermitteln. Die ausgewogene Mischung zwischen leichteren und schwierigeren Liedern zu finden, ist dabei eine Sache. Sie alle gleichermassen aufmerksam zu interpretieren und dynamisch wie auch agogisch zu gestalten, jedoch ebenso wichtig. Genau dieses Kompliment darf der Jodlerklub Aletsch von seinem Publikum wie auch von Fachexperten immer wieder entgegen nehmen. Natürlich gilt es auch in diesem Verein Hürden zu überspringen. Aufkommende Probleme bereits im Keim zu erkennen und dann die richtigen Massnahmen zu treffen, ist die Domäne des Präsidenten Remo Salzmann. Seine Menschenkenntnis, sein freundliches Wesen gepaart mit Führungsqualität haben auch schon dem Fussballklub Naters während vielen Jahren und immer noch dem Gemeinderat gedient, in welchem er als Vizepräsident wirkt.
Repertoire und Konzerte
Einen grossen Anteil – etwa 40 Prozent des Repertoires – machen Lieder für Kirchenkonzerte aus. Dazu gehören nicht nur Jodlermessen im eigentlichen Sinn, sondern auch profane Werke, die sich zum Einbinden in Messen eignen. Im kirchlichen Gesang, der im Wallis einen hohen Stellenwert hat, liegt wahrscheinlich auch einer der Gründe für die überdurchschnittliche Gesangsqualität vieler Walliser Jodlerklubs. Natürlich singt der Jodlerklub Aletsch auch Lieder von Walliser Komponisten. Schon immer aber hatte Peter Summermatter auch eine Affinität zu harmonisch interessant gesetzten Liedern der alten Komponisten. «Im Moment beschäftige ich mich gerne mit solchen von Robert Fellmann», berichtet er. Gleichzeitig entsteht auch die CD, welche einen repräsentativen Querschnitt durch das Repertoire zeigt und am 26. November dem Publikum vorgestellt werden soll. Immer wieder hat der Klub neben dem eigenen Jodelkonzert Auftritte an ganz besonderen Orten bestritten. So beispielsweise 1991 als Vertreter des Westschweizerischen Jodlerverbandes am Bremgartenkonzert, 2001 an der Vereidigung der Schweizer Gardisten im Vatikan, 2004 mit der Jodlermesse im Kloster Einsiedeln, 2010 als Vertreter der Westschweiz am Jubiläum 100 Jahre EJV und 2014 an der Jodlermesse im Benediktinerkloster Disentis. In neuerer Zeit hat sich der Chor aber auch an spartenübergreifende Projekte gewagt und damit gezeigt, dass er in der sich weiter entwickelnden neuen Jodlerwelt ein Wörtchen mitreden wird. So fand 2014 in Kandersteg die Preisverleihung des UNESCO-Welterbes statt, an welcher die Aletsch-Jodler zusammen mit dem Jazzsaxophonisten Alex Rüedi – inklusive ganz schräger Töne (Anmerkung von Peter Summermatter) – sangen, oder im letzten Jahr ein Auftritt am Open Air Gampel zusammen mit Z’Hansrüedi und der Rockgruppe Endfrenz. Neben diesen Blitzlichtern in andere Musikwelten sieht sich der Klub jedoch weiterhin der Tradition verpflichtet. Ein für die ganze Jodelszene unseres Landes wichtiger Anlass wurde das Aletsch Jodlerkonzert, das am 24. April diesen Jahres bereits zum siebten Mal stattfinden wird. Auf persönliche Einladung treffen sich im Zentrum Missione Jodlerinnen und Jodler aus der ganzen Schweiz, welche aufgrund der erreichten Leistungen an Jodlerfesten zu den Besten des Landes gehören. 1995 fand das erste Aletsch-Jodlerkonzert statt, das seither immer im Dreijahresturnus durchgeführt wurde. In diesem Jubiläumsjahr hat sich der Verein vorgenommen, jeden Monat einen Anlass im Kalender zu haben (siehe Kasten). «Das ist selbst für unseren auch sonst sehr aktiven Verein mehr als sonst», freut sich Präsident Remo Salzmann.
Blick in die Zukunft
Die Walliser Jodlerwelt hat sich prächtig entwickelt. Der Jodlerklub Aletsch war dabei einer der Motoren. Nicht wenige Dirigentinnen und auch Komponistinnen haben dort ihre Grundschule erlebt. Dass es sich dabei ausschliesslich um Frauen handelt, ist eine landesweite Erscheinung, die sicher mit dem grossen Aufwand zusammenhängt, der von solchen Ämtern verlangt wird und von berufstätigen Männern kaum mehr bewältigt werden kann. «Das Finden von geeignetem Nachwuchs wird auch bei uns eine der Herausforderungen der kommenden Jahre sein», mahnt Peter Summermatter. Er verweist dabei auf die bisher komfortable Situation und die noch grossen Mitgliederbestände. Dass die Haarfarbe aber auch in diesen Reihen mehrheitlich grau unter den Jodlerhüten und Trachtenhauben hervorlugt, und manche im gleichen Alter stehen, kann auch zum plötzlichen Problem werden. Remo Salzmann doppelt nach: «Gerade solche Jubiläen, wie wir es dieses Jahr feiern, werden für manche zum Anlass, das aktive Mitmachen zu beenden. Wir müssen auch sehen, dass in unserem tollen Verein der Altersdurchschnitt bei Mitte 50 steht – darüber können auch die jungen Jodlerinnen nicht hinwegtäuschen!» Allein die Tatsache, dass die beiden Vereinsführer auch diese Angelegenheit erkannt haben, lässt vermuten, dass den Aletsch-Jodlern davon kein Schaden entsteht! Auch sonst läuft es im Wallis ja prächtig. Als nächster Grossanlass in Sachen Jodeln steht in Brig am 22. Juni 2017 das nächste Eidgenössische auf dem Kalender. Bis dahin aber werden noch unzählige Auftritte der hochkarätigen Walliser Jodlerklubs stattfinden. Treu dem Titel eines Liedes des Walliser Komponisten Felix Schmid (1915 bis 1995) «Jetz well wer no eis singu», werden so noch viele gemütliche, gemütvolle und inspirierende Proben und Auftritte im Oberwallis erfolgen.
Walliser Jodlervereinigung
Gründungsjahre der Klubs
- 1929 Jodlerklub Alpenrösli, Siders
- 1935 Jodlerklub Noger, Ausserberg
- 1945 Jodlerklub Balfrin, Visp
- 1953 Jodlerklub Zer Tafernu, Ried-Brig
- 1959 Jodlerklub Ahori, Glis
- 1966 Jodlerklub Aletsch, Naters
- 1966 Jodlerklub Grubenalp, Saas Balen
- 1977 Alphornbläser und Fahnenschwinger Oberwallis
- 1978 Jodlerklub Safran, Mund
- 1980 Gemischte Jodlergruppe Bärgarve, Naters
- 1983 Jodlerklub Gletscherecho, Saas Fee
- 1984 Jodlerklub Riederalp, Riederalp
- 1988 Jodlerklub Raron, Raron
- 1992 Jodlerklub Bachji, Lalden
- 1994 Jodlerklub Antrona, Saas Almagell
- 2014 Jodlerklub Echo vam Bietschhorn, Lötschen
Das Jubiläumsjahr 2016
24. April
7. Aletsch Jodlerkonzert im Zentrum Missione in Naters
7. Mai
Auftritte am Berner Mittelländischen Schwingfest in Oberbalm
18. Juni
Kantonales Jodlertreffen in Naters
19. Juli
Jodlermesse Kreuzboden Hohsaas
15. August
34. Urchiges Blattnerfest
3. September
Trachtenweihe Jodlerklub Echo vam Bietschhorn in Kippel
29. Oktober
Auftritt am Konzert der Jodlergruppe Bärgarve in Naters
26. November
CD-Taufe und Buchvernissage des Jodlerklubs Aletsch in Naters