Besuch beim Kaninchenzüchter Karl Forrer
Über zwanzig Zuchttiere bevölkern manchmal die Hasenställe der Familie Forrer aus dem Toggenburg. Mit den schönsten Modellen werden Ausstellungen besucht und in diesem Jahr erreichte der innovative Kleintierhalter sogar einen Schweizermeistertitel.
22.03.2016 | VON RUEDI ROTH
Am Briefkasten von Ruth und Karl Forrer mit den Kindern Bettina, Melanie und Stefan hängt ein Zettel. Für Spaziergänger gut sichtbar steht dort geschrieben, dass Zuchthasen hier in angenehmen und vom Tierschutz als einwandfrei beurteilten Bedingungen leben. «Das ist wichtig. Erstens wollen wir selber den Tieren eine Stallung mit Wohlfühlcharakter bieten. Und zweitens ist für Aussenstehende die Sache bezüglich Einhaltung gesetzlicher Anforderungen klar ersichtlich», hält der als Dachdecker tätige Karl Forrer fest. Dass es den Hasen im Weiler Krümmenswil in ihren grosszügigen Stallungen wohl ist, kann ein Besucher unschwer feststellen. Tiere der Rasse Belgischer Riese, welche bis zu 9 Kilogramm schwer werden können, sind hier zuhause. Folglich benötigen diese Tiere auch ausserordentlich grosse Boxen. Vor allem natürlich dann, wenn eine Zibbe, wie die weiblichen Kaninchen genannt werden, einen Wurf betreut. Ein Tierwohl basiert aber letztendlich immer auf erstklassiger Betreuung und diese beansprucht doch recht viel Zeit. Diese nimmt sich der leidenschaftliche Kleintierhalter aber gerne.
Tierfreund
Schon Karl Forrers Vater hielt Kaninchen. So lernte der Toggenburger bereits früh das Pflichtenheft eines Kaninchenzüchters kennen und erfüllen. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung als Käser und etlichen Lehr- und Wanderjahren gründete der passionierte Jodler mit seiner Frau Ruth eine Familie. Schon bald erblickten die Zwillinge Bettina und Melanie das Licht der Welt. Diese gaben bei Karl den Ausschlag Kleintiere zu halten. «Ich wollte meinen Kindern damit eine Freizeitbeschäftigung bieten. Hiermit erfülle ich aber auch meine grundsätzliche Liebe zu Tieren», schmunzelt Karl zufrieden. Nach und nach vergrösserte sich der Tierbestand. Vor rund fünf Jahren hat dann der Züchtervirus auf Karl Forrer übergegriffen. Der Ehrgeiz an Ausstellungen erfolgreich zu sein, bedingte auch eine Änderung in der Zucht. Jetzt werden die Muttertiere mit hauptsächlicher Hinsicht auf die Ausstellungsdaten zur Trächtigkeit gebracht. Dann sollen die Tiere bezüglich Gewicht und Grösse die Ansprüche zur Teilnahme ohne Probleme erfüllen. Damit die Belgischen Riesen dieses Ziel erreichen, ist eine zielgerichtete Fütterung notwendig. Die Kaninchen bezeichnet man als Stopfer. Das heisst, dass die Tiere fast andauernd Nahrung zu sich nehmen. Die erste Notdurft, in weicher Konsistenz und mit viel Calcium angereichert, wird von den Tieren nochmals verschlungen. Durch diesen Vorgang führen Kaninchen auch etliche wichtige Vitamine zu sich. Das wichtigste Nahrungsmittel ist aber eindeutig gut strukturiertes Heu. «Ein Hase, welcher gutes Futter vorgelegt bekommt, verzeichnet eine eindeutig bessere Tageszunahme», begründet Karl Forrer den Kauf von gutem Heu. Gegen Ende der rund dreissigtägigen Trächtigkeit soll sich das Tier dann mit einem gewürfelten Kraftfutter anfreunden. Dieses Starterfutter wird nach dem Wurf alsbald auch vom Nachwuchs der Zibbe gefressen.
Regulierung durch Natur
Die Anzahl der Nachkommen variiert sehr stark. Ideal sind für die rund sechswöchige Säugezeit sechs Jungtiere. So erfährt das Muttertier eine ausgewogene Auslastung in ihrer Milchproduktion. Weist ein Wurf klar zu viele Nachkommen auf, so regelt die Natur diesen Überfluss selbst. Die Zibbe schafft zwei verschiedene Nester für ihren Nachwuchs und überlässt die schwächeren Tiere ihrem Schicksal. Nach und nach kann Karl Forrer die Jungtiere genauer betrachten und unterweist sie einer ersten Selektion. Jene Tiere, welche den Anspruch einer Teilnahme schon von vornherein nicht erfüllen, werden an Kaninchenfreunde in der Umgebung abgegeben. Hierbei ist der Verkäufer dafür verantwortlich, dass die Tiere an Plätze kommen, an welchen die Tierschutzvorschriften eingehalten werden. Sind genügend ansehnliche Kaninchen vorhanden, so wird auch mal ein Tier an einen Züchter verkauft, welcher infolge verschiedenster Umstände einen Mangel in seinem Zuchtbetrieb aufweist. Einen nicht unwesentlichen Faktor in der Fütterung bilden Produkte aus der Natur. Nageobjekte wie Äste, Holzstücke und Tannzapfen gehören auch aus Sicht des Tierschutzes zur verpflichteten Verabreichung. So holt auch Karl Forrers Sohn Stefan immer wieder passende Äste aus dem Unterholz für die Fütterung und Beschäftigung der Kaninchen. Als besonders geeignet für die Gesundheit seiner Zuchttiere beschreibt Karl Forrer die Brombeeren. Diese würden sehr gerne verspiesen und bildeten auch einen nicht unwesentlichen Hemmschutz gegenüber Krankheiten. Im Sommer lässt Karl Forrer seine Tiere nicht mehr so oft im Gras weiden. «Da ich zu wenig Land habe, um genügend Abwechslung der beweideten Flächen zu bieten, bin ich in dieser Hinsicht zurückhaltend geworden. Die Tiere fressen nämlich so die Pflanzen immer an der gleichen Stelle bis zu den Wurzeln», beschreibt der Züchter die Angewohnheit der Kaninchen. Dadurch würden eher Krankheiten auftauchen, weil der Mist und mit ihm schädliche Bakterien noch nicht endgültig in der Erde verrottet sind. Karl Forrer füttert seine Tiere zweimal täglich. Sehr oft gehen ihm dabei auch seine drei Kinder oder Ehefrau Ruth zu Hilfe.
Schauvorbereitungen
Die Kaninchen sind nicht gechipt. Auch wird kein eigentliches Zuchtbuch geführt. Es existieren aber in der Schweiz vier Sektionen, welche Ausstellungen organisieren. Diese Vereinigungen dienen vorab auch dem Austausch von Zuchttieren, wie Karl Forrer erläutert. Ob die Jungtiere die Ansprüche für eine Ausstellung erfüllen, hängt von der Routine des Züchters ab, die er sich auch mit Interesse bei Besuchen der jährlichen Ausstellungen aneignet. Es sind nicht wenige Merkmale, welche bei der Auswahl in Betracht gezogen werden müssen. Fellbeschaffenheit, gerade Vorderläufe, Becken schön ausgerundet, voll ausgeformte Brust und vieles mehr ist dabei zu berücksichtigen. Sind all diese Punkte im positiven Bereich, verbessert sich automatisch die Ausstrahlung einer gesunden Vitalität des Tieres. Klar ersichtlich muss auch der Geschlechtsunterschied der Tiere sein. «Wie bei allen Schauen, welche von Experten nach optischem Gefühl bewertet werden, gibt es je nach Experte unterschiedliche Einstufungen», weiss Karl Forrer aus eigener Erfahrung. Den Schweizermeistertitel, welchen er im Januar 2016 mit seiner Kollektion von sechs Rammlern erhielt, unterstützt den Toggenburger in seiner Zuchtrichtung. Doch, dass es schnell wieder anders sein kann, erlebte Karl Forrer mit genau jenem Tier, welches besagten Titel einheimste. Das Tier erwies sich als nicht zuchtfähig und wird demnächst dem Metzger zugeführt. So werde natürlich die Hoffnung von weiteren Zuchterfolgen erstmals gedämpft, wie Karl Forrer nachdenklich erzählt.
Erheblicher Arbeitsaufwand
Der Arbeitsstunden sind nicht wenige, welche für die Kaninchenhaltung aufzuwenden sind. Das wöchentlich komplette Ausmisten der Boxen beansprucht oftmals einen ganzen Tag. Dabei ist Karl Forrer froh um die Mithilfe seiner Familie. Hinzu kommen das tägliche Füttern, das gute Beobachten sowie eine ständige Kontaktpflege. Diese bewirkt ein wachsendes Vertrauen der Tiere in ihren Halter, welches vorab bei einer Präsentation an einer Ausstellung von Nutzen ist. «Es kommt aber schon immer wieder mal vor, dass ein Kaninchen sich ernsthaft zur Wehr setzt», berichtet Karl Forrer aus Erfahrung. Dies ist aber für den Toggenburger Züchter kein nennenswerter Grund, um mit seinem Hobby zurückzustecken. Zu leidenschaftlich ist seine Tierliebe. So hält er auch noch sechs Hühner der Rasse Zwergcochin mit einem Hahn als Oberhaupt. Zudem hilft er gerne auf dem Viehzuchtbetrieb eines Kollegen mit.
Kaninchen oder Hase?
red. Der Europäische Feldhase – kurz «der Hase» – wird fälschlicherweise häufig mit dem Kaninchen verwechselt, obwohl Kaninchen und Hasen nicht miteinander verwandt sind. Zwar gehören beide zur Familie der Hasenartigen, die Kaninchen stammen aber vom Europäischen Wildkaninchen ab. In einige Punkten unterscheiden sie sich wesentlich voneinander:
- Kaninchen sind Rudeltiere, die in grossen Kolonien mit ihren Artgenossen zusammen leben. Hasen hingegen sind Einzelgänger, die nur zur Paarung mit Artgenossen zusammen kommen.
- Kaninchen können 4- bis 6-mal im Jahr 3 bis 12 Junge bekommen. Die Jungen kommen nackt, blind und taub zur Welt und sind somit sehr hilflose Nesthocker. Hasen bekommen 1 bis 2 Junge. Die Jungen kommen behaart, mit offenen Augen und relativ selbständig auf die Welt. Sie sind also Nestflüchter.
- Kaninchen sind Fluchttiere, die den Feinden meist nach einer kurzen, schnellen Flucht in ihren Bau entkommen. Sie sind Kurzsprinter. Hasen sind Langsteckenläufer und entkommen ihren Feinden, indem sie schnell und weit laufen.
- Kaninchen graben sich bevorzugt an geschützten Stellen am Waldrand oder auch in Parkanlagen ihre Höhlenbauten in sandige Hügel. Sie leben also unterirdisch in Höhlen und verlassen diese in der Dämmerung zur Nahrungsaufnahme. Hasen leben auf offenen Weiden, Steppen, Feldern. Sie schlafen tagsüber in kleinen Mulden und gehen ebenfalls nachts auf Nahrungssuche.
Beliebte Freizeitbeschäftigung
red. In der Schweiz gibt es 36 anerkannte Kaninchenrassen unterschiedlicher Grösse und in mehr als hundert verschiedenen Farben. Die Kaninchenhaltung und -zucht wird oft als Freizeitbeschäftigung betrieben. Als Erwerbszweig auf dem Bauernbetrieb haben die Kaninchen eine untergeordnete Bedeutung. Trotzdem werden in der Schweiz über 100’000 Kaninchen gehalten. Jede Rasse hat auch ihre eigenen Interessenvertreter, die Rasseklubs. Da gibt es den Klub der Alaksa und Havanna Kaninchen, Chinchilla- und Rexkaninchen, Hermelin- und Farbenzwerg-Kaninchen, Lohkaninchen, Marderkaninchen, Rhönkaninchen, Sachsengold, Dreifarben-Kleinschecken, Silberkaninchen, Blau- und Weisswiener, Burgunderkaninchen, Fuchskaninchen, Holländer und noch viele mehr. Obwohl sie mit ihrem feinen Fell zum Streicheln und Kosen animieren, sind sie eigentlich nicht dafür geeignet. Hauptsächlich werden sie zur Fleischerzeugung gemästet. Kaninchenfleisch ist ein eiweissreiches und fettarmes Fleisch. Die Schweizer Kaninchenmäster produzieren pro Jahr gut 645 Tonnen Fleisch und verarbeiten mehrere tausend Felle und einige hundert Kilogramm Angorahaare zu Wolle. Insgesamt essen Herr und Frau Schweizer rund 1900 Tonnen Kaninchenfleisch pro Jahr, was einem pro Kopf Konsum von 200g/Jahr entspricht. Die Hauptlieferanten von Kaninchenfleisch sind Ungarn, China, Frankreich und Italien. Die Haltungsvorschriften sind auf die Bedürfnisse der Tiere ausgerichtet. In der Mast werden Gruppen von 10 bis 40 Tiere gehalten. Das Schlachtgewicht erreicht ein Kaninchen mit rund 12 Wochen und einem Körpergewicht von drei Kilogramm. Ein weibliches Kaninchen – Zibbe genannt – kann pro Jahr bis zu acht Mal trächtig werden. Pro Wurf sind acht bis zwölf Jungtiere möglich.
Osterhasen
red. Das Motiv des Osterhasen hat sich in neuerer Zeit in der populären Kultur des Osterfestes auch durch die kommerzielle Verwendung ausgebreitet und frühere Überbringer des Ostereies weithin verdrängt. In einigen Teilen der Schweiz war der Kuckuck der Eierlieferant, in Teilen von Westfalen war es der Osterfuchs, in Thüringen brachte der Storch und in Böhmen der Hahn die Eier zum Osterfest. Der Osterhase wird erstmals vom Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau im Jahr 1682 in der Abhandlung «De ovis paschalibus – von Oster-Eyern» erwähnt. Er schildert für Oberdeutschland, Pfalz, Elsass und angrenzende Gebiete sowie Westfalen den Brauch, dass der Osterhase die Eier in Gärten im Gras und Gesträuch versteckt, wo sie zur Freude und Belustigung der Erwachsenen von den Kindern gesucht werden. Dass der Osterhase die Eier verstecke, nennt er «eine Fabel, die man Simpeln und Kindern aufbindet». Die Verbindung des christlichen Osterfestes mit dem Ei als Symbol ist für verschiedene europäische Länder spätestens aus dem Mittelalter bekannt, möglicherweise sogar schon früher. Die Verbindung des Hasen mit dem österlichen Eierbrauch ist jedoch noch unklar, auch wenn die Fruchtbarkeit der Hasen für sich allein eine enge Verbindung zum Frühling hat. Wie auch immer: Die Freude der ganzen Familie schon beim Bemalen der Ostereier, dann beim Verstecken und Suchen ist gross und bedarf keiner wissenschaftlichen Erklärungen! Dass heute dahinter auch ein riesiger Kommerz steht, stösst hingegen schon mehr auf Kritik!
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Karl Forrer
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