Kapelle Enzian, Gümligen
Als vier Musikanten am 1. August 1985 bei einem Volksmarsch in Mittelhäusern erstmals mit ein paar ersten Tänzli an die Öffentlichkeit traten, konnten sie nicht erahnen, dass sie dank ihrer Vielseitigkeit und dem tänzigen Repertoire zu einem festen Wert der Berner Ländlermusikszene werden könnten. Doch die Kapelle Enzian rund um ihren umtriebigen Kapellmeister Walter Zaugg hat genau dies geschafft und ist beim Publikum beliebt wie eh und je.
23.01.2018 | VON STEFAN SCHWARZ
Musiziert wurde in der Familie Zaugg in Bärau bei Langnau schon Jahre vor der Gründung der Kapelle Enzian. Vater Christian Zaugg und sein Sohn Walter spielten an der Handorgel, während die beiden jüngeren Geschwister Monika und Werner die Familienkapelle später mit Saxophon und Bass für rund acht Jahre komplettierten. Nachdem dieses Quartett nach dem Wegzug von Monika aus dem Elternhaus sowie wegen steigenden Alters von Vater Christian Zaugg langsam verstummte, ergab sich rund um Walter Zaugg in Gümligen bei Bern allmählich eine neue Formation. Walters Sohn Heinz liess sich nämlich ebenfalls vom Musikantenvirus anstecken. Er erlernte nach Anfängen auf der Blockflöte und dem zuhause mitbekommenen Örgelispiel während rund sechs Jahren auch noch den korrekten Umgang mit der Klarinette. Und weil Heinz mit seinem nur zwei Jahre älteren Onkel Werner ohnehin sehr gute Kontakte pflegte, wurde dieser mit seiner Bassgeige ganz automatisch wieder für das musikalische Fundament eingesetzt.
Der Zufall wollte es, dass sich der Schwyzerörgeler Hans-Peter Müller just in dieser Zeit bei Walter Zaugg einige Tipps im Begleiten holen wollte. Die im Entstehen begriffene Kapelle eignete sich hierfür natürlich optimal und so war auch die Besetzung für einen ersten Auftritt komplett. «I wiss nid, wie mängs Stück dass mer hi chönne u wie guet», denkt Walter Zaugg an diesen 1. August 1985 in Mittelhäusern zurück. Auf alle Fälle aber wurden die Musikanten plötzlich nach einem Kärtli gefragt und so wurde aus den im Vorfeld bereits andiskutierten möglichen Namen kurzerhand die Bezeichnung «Kapelle Enzian» bestimmt und das erste Visitenkärtli von Hand erstellt.
Die passende Rezeptur
Damit war der erste Grundstein gelegt. In wöchentlichen Proben wurde nun das Repertoire stetig erweitert, das sich aufgrund der Besetzung sowie der eingängigen Melodien zu einem grossen Teil am Vorbild von Hans Niederdorfer und der Kapelle Via Mala orientierte. In der parallel dazu ebenfalls gepflegten Handorgel- und Örgelibesetzung spielte die Kapelle Enzian gerne Titel aus dem beliebten Melodienschatz von Hans Oesch
sowie später auch Schnellpolkas der Stockbergbuebe oder Melodien aus dem Repertoire der Ländlerfründe Chumigruess. Während Kapellmeister Walter Zaugg die organisatorischen Fäden bis heute in seiner Hand hat, durften in musikalischen Belangen immer alle mitbestimmen, welche Titel gespielt und wie diese interpretiert werden. Dabei wirkte sich die familiäre Konstellation bei internen Diskussionen während all den Jahren nie negativ aus. «Im Gegenteil», kommentiert Heinz Zaugg und ergänzt: «Villicht darfsch unter de Iigete mägisch ender öppis säge, wo der ander nid grad tüpft, weder unger ‹Frömde›».
Das melodiöse und von mitreissendem Rhythmus begleitete Programm wurde mit dem Einsatz des Saxophons alsbald durch gerngehörte Schlagermelodien erweitert. Damit hatte die Kapelle Enzian die passende Rezeptur beisammen und erlangte über Jahre eine grosse Popularität als abwechslungsreiche und anpassungsfähige Tanzmusik. So gab es Zeiten, wo die Musikanten neben Familie, Beruf und weiteren Engagements von November bis März an dreizehn Samstagen hintereinander eine Freinacht zu spielen hatten. Den Bekanntheitsgrad gesteigert haben im Laufe der Jahre auch diverse Tonträgereinspielungen sowie die vielen verschiedenen regionalen Radio- und Fernsehauftritte, welche die Kapelle Enzian vorab dem Moderator und Redaktor Paul Stucki zu verdanken hat.
Personelle Veränderungen
Paul Stucki war es denn auch, der die Kapelle Enzian für 2015 auf eine grosse Folklorekreuzfahrt einlud. Seine einzige Bedingung aber war eine 5er-Besetzung mit zwei Klarinetten/Saxophonen, wie sie die Formation zum Begleiten von Volkstanzgruppen schon zuvor immer mal wieder gezeigt hatte. Die vier Musikanten nahmen dies zum Anlass, die langjährige Aushilfsbläserin Sonja Habegger im November 2014 fix in die Kapelle Enzian zu integrieren. Dank dieser personellen Ergänzung kann die Kapelle Enzian seither mit grösster Freude auch die Melodien von Hans-Ulrich Stadler und der ehemaligen Älplerfründe Eggiwil, Kompostionen von Arno Jehli und der Kapelle Oberalp sowie Titel von Reto Caspar und der Davoser Ländlerfründe in stilechter Art und Weise interpretieren. Damit wären die Weichen für die nächsten gemeinsamen Jahre eigentlich optimal gestellt gewesen. Das Schicksal aber wollte es anders und riss Anfang 2017 ganz unerwartet Gründungsmitglied Hans-Peter Müller aus dem Leben und somit auch aus der seit 32 Jahren harmonierenden Kapelle Enzian. Glücklicherweise fand sich im Schwyzerörgeler Simon Reber nach einer kurzen Übergangszeit mit befreundeten Aushilfen ein passender Mitspieler, der das eingespielte Team seit Muttertag 2017 voller Motivation wieder komplettiert.
Nach wie vor ist die Kapelle Enzian nicht nur im Kanton Bern, sondern bei diversen volkstümlichen Veranstaltungen im ganzen Land sehr gefragt und sorgt mit ihrem tänzigen und abwechslungsreichen Repertoire dem Wunsch des jeweiligen Publikums entsprechend für beste Unterhaltung. Während nach Möglichkeit auch heute noch immer wöchentlich geprobt wird, hat sich die Anzahl der Auftritte mittlerweile auf durchschnittlich zwei pro Monat eingependelt. Damit bleibt den Mitspielenden heute wieder genügend Raum, um sich in der Freizeit im persönlichen Umfeld, bei anderen Freizeitaktivitäten oder auch beim gemeinsamen Besuchen von Ländlermusikkonzerten individuell zu vergnügen.
Aktuelle CD
Erste klingende Müsterli in der Besetzung mit zwei Blasinstrumenten sind im Vorfeld einer grossen Folklore-Kreuzfahrt auf einer Maxi-Single-CD erschienen.
Aktuelle Besetzung
Die Fäden der Kapelle Enzian laufen seit 32 Jahren bei Walter Zaugg (29.12.1950) in Gümligen zusammen. Der pensionierte Teamleiter des Food-Produzenten Haco AG ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und stolzer Grossvater von fünf Grosskindern. Neben dem Musizieren mit Handorgel und Schwyzerörgeli ist Walter gerne mit dem Velo unterwegs oder betätigt sich aktiv im und ums Elternhaus in Langnau.
Walters Sohn Heinz Zaugg (7.1.1970) ist ebenfalls Mitbegründer der Formation und spielt neben Klarinette und Saxophon auch Schwyzerörgeli. Der verheiratete Vater von zwei Teenagern arbeitet als Lokführer und ist in der Freizeit ebenfalls gerne mit dem Bike auf der Piste. Als Örgeler spielt er zudem bei den Ländlerfründe Bärau mit.
Als drittes aktives Gründungsmitglied der Kapelle steht Werner Zaugg (24.3.1968) am Bass. Der 18 Jahre jüngere Bruder von Walter spielte anfänglich Handorgel, doch nach Anfängen mit dem Gummi von Einmachgläsern griff er alsbald gerne zur richtigen Bassgeige. Der Postangestellte aus Krauchthal ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Auch er steigt als Ausgleich zu Beruf und Musik gerne mal aufs Fahrrad.
Über 30 Jahre lang war der Schwyzerörgeler Hans-Peter Müller der vierte Mann der Kapelle Enzian. Nur einen Tag nach einer gemütlichen Probe schlief dieser Anfang 2017 im Alter von erst 67 Jahren für immer ein. Als Nachfolger des Gründungsmitgliedes fand die Formation im Schwyzerörgeler Simon Reber (15.4.1958) aus Fankhaus den musikalisch und menschlich optimalen Nachfolger. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern fand im Alter von 50 Jahren nach einer längeren Pause zum Musizieren zurück und freut sich nach Stationen in reinen Örgeliformationen über die neue Herausforderung. Beruflich ist Simon als Betriebsleiter eines für Gebirgsholzerei spezialisierten Forstunternehmers tätig und auch in der Freizeit gerne wandernd oder mit den Skiern in der Natur unterwegs.
Mit Klarinette und Saxophon gehört Sonja Habegger (25.5.1979) aus Langnau seit drei Jahren fix zur Kapelle Enzian, nachdem sie das einstige Quartett schon früher regelmässig zum Quintett erweitert hatte. Die liierte Coiffeuse mit eigenem Salon engagiert sich beruflich heute auch im energetischen Bereich und ist in ihrer Freizeit gerne wandernd oder mit dem Velo unterwegs. Früher war Sonja in der Kadettenmusik Langnau und im Musikverein Langnau-Trubschachen aktiv und seit ihrer Schulzeit musiziert sie zusammen mit ihrem Vater bei den Ländlerfründe Bärau.