Bergkranzfeste
Bergkranzfeste sind beliebt. Die Veranstalter sehen sich einer ganzen Reihe logistischer Herausforderungen gegenüber. Der K(r)ampf am Berg ist nur mit vereinten Kräften zu gewinnen.
23.05.2018 | VON PIRMIN SCHILLIGER
entstanden in Zusammenarbeit mit der
Schwingerzeitung SCHLUSSGANG
Die sechs Bergkranzfeste des Jahres leben nicht nur vom Sport allein, sondern auch von der Festlichkeit vor einer imposanten landschaftlichen Kulisse. Nicht weiter überraschend, sind doch sämtliche Bergkranzfeste eigentliche Zuschauermagnete. Der Besucheransturm und die Gebirgslage – ob ganz zuoberst auf einem Grat, auf einer Krete oder «nur» auf dem Pass – konfrontiert die Veranstalter mit besonderen Schwierigkeiten. Zum Glück finden sie immer eine Lösung.
Attraktion Anreise
Auf dem Stoos, wo sich bei sonnigem Wetter bis zu 4’000 Besucher um die drei Sägemehlringe drängen, stellt das Seminar- und Wellnesshotel das Wettkampfgelände sowie Infrastrukturen wie Wasser, Strom, Telekommunikation, Umkleide, Duschen und Toiletten zur Verfügung. Dies erleichtert dem Schwingerverband Mythen als Organisator zumindest einiges. Er kann sich darauf konzentrieren, Tribünen, Festzelt, Verpflegungsstände und zusätzliche Toiletten bereitzustellen. Das Material mitsamt Speis und Trank wird möglichst mit der Standseilbahn auf den autofreien Berg befördert. Grosse und sperrige Dinge wie Sägemehl, Kühl- und Zeltanlagen oder Tribünenelemente schleppen Traktoren auf der schmalen Strasse nach oben, ebenso den fast schon legendären Lautsprecherwagen von Villiger.
In diesem Sommer wartet auf die Besucher zudem eine besondere Attraktion: Erstmals können sie die neue Standseilbahn benutzen, die steilste der Welt. Das technische Wunderwerk ist wesentlich leistungsfähiger als die alte Bahn und verspricht also kürzere Warteschlangen. Alternativen zur neuen Bahn sind die Luftseilbahn ab Morschach oder der steile Weg zu Fuss. Das Parkplatzproblem bei den Talstationen lösen die Organisatoren jeweils mit entfernteren Ersatzparkplätzen und Shuttlebussen. «Ausserdem sind beide Talstationen auch mit öffentlichen Linienbussen erreichbar», sagt OK-Präsident Roman Schibig. Alles bestens vorbereitet und geregelt also für den Auftakt auf dem Stoos! Hinter dem reibungslosen Ablauf steckt allerdings ein gewaltiger Effort. Rund 250 freiwillige Helferinnen und Helfer stehen jeweils bis zu fünf Tage im Einsatz.
Feinlogistik ohne Maschinen
Einfacher als auf dem Stoos ist zwei Wochen später die Abwicklung des mit 3’000 bis 4’500 Besuchern ähnlich grossen Schwarzsee-Schwingets. Das Festgelände ist bequem mit dem Auto auf der Strasse erreichbar und Parkplätze gibt es genug. Zudem ist ein Teil des Materials in einem Schuppen auf dem Gelände eingelagert. Ebenfalls vor Ort schon vorhanden sind Umkleideräume, Duschen, Küche, Essräume, Strom, Wasser und ein Teil der Toiletten. Alles Weitere, also Sägemehl, Festzelt, Lebensmittel und Getränke, transportieren Last- und Lieferwagen nach oben. Auf dem Gelände selbst dürfen die Organisatoren in diesem Jahr – der Naturschutzes will das so – erstmals keine Maschinen mehr einsetzen. «Umso mehr müssen wir nun von Hand bewältigen und dafür noch mehr Helfer rekrutieren», sagt OK-Präsident Erich Mauron. Rund 300 Leute, in erster Linie Mitglieder der Schwingklubs Sense und Fribourg, standen in den letzten Jahren jeweils im Einsatz. Jetzt werden noch einige Dutzend mehr dazukommen.
Der Rigi-Schwinget ist das einzige Bergkranzfest, zu dem keine Strasse führt. «Daraus ergibt sich denn auch für uns die grösste logistische Herausforderung», meint Medienchef Aldo Contratto. Zum Glück ist die Rigi mit Bergbahnen von allen Seiten bestens erschlossen. Sämtliches Material wird also auf dem Schienenweg nach oben spediert. Wer als Zuschauer anreist, löst ein Kombiticket für Schwingfest und Bahnen und hofft, dass er bei den Talstationen in Goldau, Weggis oder Vitznau einen Parkplatz findet. Oder er wandert von der Seebodenalp zum Berggrat auf Rigi Staffel hoch. Tradition ist auf der Rigi, dass nach dem vierten Gang der traditionelle Alpaufzug stattfindet: Steinstossen, Ländler, Jodeln, Fahnenschwingen, Alphornbläser, Geisslechlepfer: das volle Programm eben. Seit 1942 organisieren die Sennengesellschaft Arth und der Schwingerverband am Rigi den Anlass gemeinsam. Wenn jeweils gegen 17.30 Uhr die Rangverkündigung über die Bühne geht, haben die Organisatoren und ihre rund 250 Helferinnen und Helfer beinahe 12 bis 14 Stunden in den Beinen.
Steil nach oben
Beim Weissenstein-Schwinget, der mit 4’500 Zuschauern im letzten Jahr an seine Kapazitätsgrenzen stiess, ist die Strasse hinauf auf knapp 1’300 Meter aussergewöhnlich steil. «Die Zuschauer lassen sich davon jedoch nicht abschrecken», sagt OK-Präsident Michael Guldimann. Viele fahren im Auto auf den Berg, im Wissen, dass es oben auf den Juraweiden meistens genügend Parkplätze gibt. Rege benutzt wird auch das Kombiticket für den Festbesuch via Seilbahn ab Oberdorf. Die Abwicklung des Anlasses verantwortet seit 2015 der speziell zu diesem Zweck gegründete Verein Weissenstein-Schwinget. Ihm gehören ausschliesslich Mitglieder des Schwingklubs Solothurn an. Dieser hat sich die Rechte am Anlass gesichert, indem er den Schwinget als Marke beim Institut für geistiges Eigentum eintragen liess. Die moderne Struktur zeigt, wie sehr Bergkranzfeste mittlerweile zum Event geworden sind, zu einem «Brand» mit einem beträchtlichen Markenwert. Entsprechend ist auf dem Weissenstein auch die Präsenz der Sponsoren, die den Organisatoren kräftig unter die Arme greifen: Die Migros sorgt fürs Catering, die Öufi-Brauerei aus Solothurn fürs Bier, Rivella für Kleinzelte und die Beschallung, Condecta für die WC-Kabinen, Roth-Gerüste aus Biberist für Event-Material und und und … Der organisierende Verein kann sich auf den Transport der Tribünen und des Sägemehls sowie die Abwicklung des Festes konzentrieren. Knapp 300 Freiwillige sind jeweils im Einsatz, die beim Aufbau an zwei Tagen zusätzlich von Zivilschützern unterstützt werden. Vor einigen Jahren ist der Festplatz umfassend saniert (Drainage) und mit Strom, Wasser und Glasfaserkabel erschlossen worden. Ausserdem lagert auch hier diverses Festmaterial wie Bürocontainer, Pressehaus oder Flaggen während des Jahres vor Ort. Der Landeplatz für den Helikopter, den es für Notfälle auf dem Weissenstein selbstverständlich auch gibt, musste zum Glück bis jetzt noch nie benutzt werden.
Schlange stehen für Stehplatz
Auf dem Brünig, wo der Schwinget in diesem Sommer seinen 125. Geburtstag feiert, ist der Weg zum Sieg bekanntlich besonders steinig. Die zehnstündige Liveübertragung im Fernsehen macht aus dem Fest ein Medienspektakel. Unter die Zuschauer mischt sich gerne auch jene Prominenz, die sich gerne im Ruhme der bösesten Wettkämpfer sonnen möchte. Ungewöhnlich ist weiter, dass die Organisatoren – der Schwingerverband Ob- und Nidwalden und die Schwingersektion Hasliberg – die Preise (Bargeld) aus eigenen Ressourcen stemmen. «Ohne zusätzliche Sponsoren und Gabenspender», wie OK-Präsident Walter von Wyl betont. Die eigenen Mittel reichten in den letzten Jahren auch, um die Infrastrukturen auf dem Festgelände zu verbessern. So wurde die Arena 2012 für rund 1,3 Millionen Franken aufgerüstet. Da der Brünig mit Schiene und Strasse von zwei Seiten her bestens erschlossen ist, sind die Anreise per Bahn, Auto oder Shuttlebus und der Transport des Materials, darunter rund 90 Kubikmeter Sägemehl, das kleinere Problem. Die grösste Herausforderung stellt sich den Zuschauern – nämlich, überhaupt ein Ticket zu ergattern. Die 5’000 Sitzplätze sind jeweils schon im Januar ausverkauft. Wer sich am Festtag einen der noch zu vergebenden 1’000 Stehplätze erkämpfen möchte, tut gut daran, sich am 29. Juli spätestens um vier Uhr auf dem Brünig in der Warteschlange einzureihen, um bei der Öffnung der Tageskasse um fünf Uhr in der Frühe die Nase vorn zu haben.
Auf der Schwägalp werden zwar erst seit dem Jahr 2000 (zuerst in dreijähriger Versuchsphase) Kränze verteilt. Doch das jüngste Bergkranzfest (zusammen mit Weissenstein) hat sich innert Kürze zum grössten entwickelt. Seit 2015 ist es gar als «Anlass von nationaler Bedeutung» eingestuft. Über 13’200 Festbesucher drängten sich allein im letzten Jahr in die Arena. Zwar ist die Schwägalp auf der Wasserscheide des Passes von zwei Seiten über die Strasse gut erschlossen. Doch mit dem jährlich steigenden Zuschaueraufmarsch sind die Kapazitäten an ihren Grenzen angelangt. «Im Jahr 2016 haben wir unser Verkehrskonzept zusammen mit der Kantonspolizei und der PostAuto Schweiz neu gestaltet», erklärt OK-Pressechef Valentin Hörler. Die Anreise mit dem PostAuto ist seither im Kombiticket via Vorverkauf inbegriffen, und zwar ab Wil, Gossau oder Appenzell. Spezialparkplätze mit Postautoanschluss finden Autofahrer am Festsonntag auch in umliegenden Gemeinden, etwa in Urnäsch oder Nesslau. Immerhin 4’500 Personen nutzten 2017 die Anreise mit dem ÖV.
Noch herausfordernder als die Bewältigung des Zuschaueraufmarsches ist der Materialtransport. Die Festinfrastruktur, die sich im Besitz der Veranstalter, also des Appenzeller und des Toggenburger Schwingerverbandes befindet, und übers Jahr in einer gemieteten Halle im Toggenburg gelagert wird, wiegt rund 400 Tonnen. Dieses Material wird mit Sattelschleppern und Traktoren in rund 30 Fahrten auf die Schwägalp befördert, Gabelstapler verteilen es dann übers Gelände. Während des Aufbaus, am Fest selber und beim Rückbau sind rund 900 Helferinnen und Helfer im Einsatz. Nicht mitgezählt sind bei dieser logistischen Übung die Lebensmittel und Getränke der Festlieferanten, das vom Hotel Säntis fertig gekocht bezogene Bankettmenü und schliesslich fünf WC-Wagen und 30 ToiToi-WCs. Seit zwei Jahren gibt es, dank einer speziellen Lösung der Swisscom, für die bis zu 100 Medienschaffenden auch einen schnellen Internetanschluss auf dem Festgelände. Strom und Tontechnik hingegen müssen die Veranstalter bei jedem Fest neu installieren.
Tonnenweise Abfall
Bleibt noch der Abfall. Vier bis fünf Tonnen kommen auf der Schwägalp aus den übers ganze Gelände verteilten Behältern zusammen, die dann möglichst getrennt entsorgt werden. «Wir sind als Veranstalter ins von der Migros lancierte Projekt «Nachhaltige Events» eingebunden», sagt Hörler. Länger schon setzen die Organisatoren auf dem Schwarzsee auf ein striktes Abfallkonzept, bei dem Glas, Karton, PET und Güsel mittels Mulden und Kehrichtwagen ebenfalls separat entsorgt werden. Auf dem Stoos und dem Weissenstein sind die regionalen Entsorger im Sondereinsatz. Beim Brünig-Schwinget stehen Abrollmulden bereit, damit am Ende nichts auf dem Pass zurückbleibt. Schon zwei Tage nach den jeweiligen Festen erinnert kaum mehr etwas daran, dass an Ort und Stelle ein sportlicher Grossanlass stattgefunden hat.
Bergkranzfeste
10. Juni: Stoos SZ
24. Juni: Schwarzsee FR
8. Juli: Rigi SZ
21. Juli: Weissenstein SO
29. Juli: Brünig BE
19. August: Schwägalp AR
Gute Frage…
Casting für Ehrendamen?
Alle Bergkranzfeste enden mit einer von charmantem Lächeln und tollen Preisen umrahmten Siegesfeier. Bei der Rekrutierung der Ehrendamen scheint es nirgends an attraktiven Bewerberinnen zu mangeln. Die Damen in den Trachten kommen in der Regel aus dem näheren Umfeld der organisierenden Schwingerverbände. Auf der Schwägalp lautet die Vorgabe, dass es zwei Toggenburgerinnen und zwei Appenzellerinnen sein müssen. «Gute Chancen können sich junge Frauen ausrechnen, die sich bereits als Helferinnen engagiert haben», sagt Valentin Hörler. Beim Schwarzsee-Schwinget treten Freundinnen oder Schwestern der Schwinger als Ehrendamen auf. Für den Anlass auf dem Weissenstein stehen inzwischen so viele Bewerberinnen Schlange, dass die Organisatoren auch schon überlegt haben, ob sie ein Casting durchführen sollten.
Naturalgaben oder Geld?
Auch ein reichlich bestückter Gabentempel kann einen hohen logistischen Aufwand auslösen. Ob deshalb der Trend – weg von Naturalgaben, hin zum Bargeld – bei den Bergfesten besonders weit fortgeschritten ist? Auf Stoos, Rigi und dem Weissenstein erhalten alle Schwinger harte Währung in Franken und Rappen. Beim Schwarzsee-Schwinget verliert der traditionelle Gabentempel Jahr für Jahr an Gewicht. Statt schweren Treicheln, Geräte und Maschinen liegen hier zusehends Gutscheine als Preise bereit. Auf der Schwägalp erhalten die fünf besten Schwinger einen Lebendpreis, die übrigen ein abgestuftes Preisgeld.