25 Jahre Horejodler Diemtigtal
Das Diemtigtal ist ein langes Seitental am unteren Ende des Simmentals, einer Gegend, in welcher das Brauchtum guten Boden hat. Seit nunmehr 25 Jahren gehört auch der Klang der Jodlergruppe Horejodler Diemtigtal zu seinen Aushängeschildern. Mit viel Heimatsinn, echtem Bezug zur Tradition und wohlklingendem Jodelgesang vermag die Gruppe im ganzen Land nicht nur Jodelfans zu begeistern.
23.07.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Innerhalb der Schweizer Jodelszene gibt es eine Vielzahl von eigenen Ausprägungen. Eine bekannte und beliebte Art ist jene der urchigen Jodlergruppen. Nicht selten wird im Stegreif gesungen. Die Jodler haben ein eigenes Gespür für das Echte. Die Ansprüche sind hoch, müssen in kleinen Gruppen doch alle sehr gute Sänger sein. Im Gegensatz zu den vielen Jodlerklubs erlangen solche Gruppen – zumindest dann, wenn sie auch sehr engagiert und aktiv sind – überregionale Bekanntheit. Die regelmässigen Auftritte bei Radiowunschkonzerten beweisen es: Der heimelige Gesang vermag sogar Leute zu begeistern, die dem Jodeln sonst nicht nahe stehen. Zum Reigen solcher Gruppen gehören seit einem Vierteljahrhundert die Horejodler Diemtigtal. Der markante Chorklang, der immer wieder von herrlichen Jodeln der Jodlerinnen Corinne Stucki und Anita Zumkehr sowie ihres musikalischen Leiters Paul Neukomm gekrönt wird, ist ein Markenzeichen der Horejodler. Ebenso begeisternd sind die spürbare Heimatverbundenheit, die Echtheit ihrer Emotionen und die Offenheit im Umgang mit ihrem Publikum.
Das Diemtigtal
Zwischen der Niesenkette im Südosten, der nordwestlichen Kette mit Turnen und Niederhorn, dem Seehore und der Spillgerte im Südwesten liegt eines der lieblichsten Seitentäler des Simmentals im Berner Oberland: Das Diemtigtal. Die Orte Oey und Diemtigen befinden sich am Fusse des Bergtals. Die Gemeinde besteht aus den acht Bäuerten Oey, Diemtigen, Bächlen, Horben, Riedern, Entschwil, Zwischenflüh und Schwenden. Bildprägend sind die breiten Simmentaler Bauernhäuser im 16 Kilometer langen Tal, in welchem die Landwirtschaft und das Handwerk einen guten Boden haben. Scheinbar abgeschlossen vom Rest der Welt gibt sich die natur- und kulturverbundene Bevölkerung weltoffen, was vieles zur sprichwörtlichen Gastfreundschaft des Diemtigtals beiträgt und die Gegend zu einem Ferienparadies für Familien macht. Das etwas erhöht liegende Diemtigen wurde bereits 1986 vom Schweizer Heimatschutz mit dem für beispielhaften Ortsbildschutz geschaffenen Wakkerpreis ausgezeichnet. Die 130 Quadratkilometer grosse Berggemeinde – die sechstgrösste Gemeinde im Kanton Bern – umfasst das vielfach vergabelte Talsystem im Amtsbezirk Niedersimmental. Zusätzlich zum Wohngebiet im Tal verfügt die Gemeinde über ausgedehnte Wälder und bildet die grösste Alpwirtschaftsgemeinde der Schweiz. All das prägt natürlich auch das kulturelle Leben, welches fest im Brauchtum verankert ist. Mit Stolz tragen die Frauen der Horejodler die Gotthelftracht, die Männer den typischen Oberländer Chäsrock als Zeichen ihrer Herkunft. Und natürlich sprechen sie auch ihren einheimischen Dialekt, der jedoch von Ort zu Ort noch Nuancen beinhaltet. «Da unsere Mitglieder an verschiedenen Orten des Tals wohnen, müssen wir uns jeweils selbst innerhalb des Diemtigtaler-Dialekts absprechen», erklärt ihr musikalischer Leiter Paul Neukomm.
Familiensache
Vier Geschwister, ein Schwager, drei ihrer Kinder und ein Freund haben sich dem Publikum vor 25 Jahren erstmals unter dem Namen Horejodler als Chor präsentiert. Der Horedorfet, eine Bergchilbi, die während Jahren von der Familie organisiert wurde, gab ihnen dazu den Anlass. Nachdem sie jedes Jahr diverse Gastformationen organisiert hatten, kamen sie anfangs der 1990er Jahre auf den Gedanken, mit Familienangehörigen einige Lieder einzustudieren und so die jodlerische Unterhaltung selber zu bestreiten. Da einige von ihnen bereits im Jodlerklub Diemtigen und im Jägerchörli Niedersimmental sangen, hatten sie einen nahen Bezug zum Jodeln. «In unserer Familie wurde aber auch schon immer viel gesungen» erinnert sich Paul. Die kinderreiche Familie musste eng zusammenrücken, weshalb bis drei Kinder in einem Bett schlafen mussten. Vor dem Einschlafen erklang daraus dann oftmals auch ein Volkslied! Das gemeinsame Singen am Horedorfet war also für die Neukomms nichts Aussergewöhnliches und sie hatten auch nicht die Absicht, anderweitig aufzutreten.
Die Anfragen von anderen Veranstaltern aber mehrten sich und mit Freude traten die Horejodler zunächst in der engeren Heimat und dann auch immer weiter weg auf. Die Nachfrage nach einem Tonträger wurde lauter, was 2005 schliesslich zur Produktion der ersten CD unter dem Titel «Mi Boum» führte. Schlagartig vergrösserte sich der Kreis der Anhänger und somit auch der Radius der Auftritte. 2011 folgte der zweite Tonträger «Heimatbärge» und jetzt, pünktlich zum 25. Geburtstag, erscheint die neue Produktion unter dem Namen «Liechtli am Wäg». Diese wird dem Publikum am 13. August dieses Jahres anlässlich des 10. Diemtigtaler Jodler Open-Airs in Diemtigen präsentiert. Wie schon seinerzeit mit dem Horedorfet engagiert sich die Familie Neukomm ausserordentlich für das gesellige Zusammensein und das einheimische Brauchtum. Mittlerweile sind gegen 100 Leute aus der Familie und deren Freundeskreis alljährlich für den Anlass engagiert. Dazu müssen nicht nur passende Interpreten engagiert werden, sondern auch die ganze Infrastruktur rund ums Wohnhaus von Bethli, Ruth und Thomas in der «Mühlhalti» aufgestellt werden. Ein Gewaltakt, der nur dank dem guten Zusammenhalt innerhalb der Familie bewältigt werden kann.
Musikalisches Gespür
Grundlegend für den Erfolg der Horejodler ist nicht nur die Tatsache, dass hier echte Heimatverbundenheit dokumentiert wird, sondern in besonderem Masse die sorgfältige Interpretation. Mit viel Gespür für die Sache gestaltet Paul Neukomm die Lieder, achtet auf gute Aussprache und textkonforme Dynamik. Der Aufwand dafür ist nicht gering, werden doch neben den regelmässigen Auftritten im ganzen Land auch wöchentliche Proben abgehalten. Die Gruppe ist mittlerweile natürlich sehr routiniert. «Und ich darf auch erfreut feststellen», lobt Paul Neukomm, «dass sich alle seriös vorbereiten und die Lieder innert kurzer Zeit erlernen». So haben sie Gelegenheit, in den Proben auf den typischen Horejodler-Ausdruck zu achten. Dazu gehören die markanten Stimmen der beiden Jodlerinnen Corinne Stucki und Anita Zumkehr sowie diejenigen von Paul Neukomm und Thomas Trittibach. Tragend begleiten die beiden Bässe von Hansjürg Neukomm und Heinz Dubach sowie der erste Bass mit der auffallenden Stimme von Thomas Gartwyl. Schön füllen die beiden Schwestern Bethli Spring und Ruth Gartwyl die höheren Partien, Daniel und Thomas Trittibach die mittleren Tonhöhen im Gesamtklang des Chores. Es versteht sich von selbst, dass sich so ein ansehnliches Repertoire an Liedern und Naturjodeln ergeben hat. Bezüglich deren Herkunft haben die Horejodler keine Regeln, sondern vertrauen ganz auf ihr eigenes Gespür. «Es müssen einfach Lieder mit einem sinnvollen Text sein, denn es gibt ja auch das Gegenteil», sagt Paul mit einem Augenzwinkern. «Wer uns gerne hört, will zunächst echte Jodellieder und Jütze hören», ist Paul überzeugt. Beliebt sind an Unterhaltungsabenden aber auch bekannte Lieder wie beispielsweise «Bajazzo» oder andere Lieder mit schriftdeutschem Text oder gar das romanische «Dorma bain». Zu einer Besonderheit ist die Landeshymne geworden. «In diesen speziellen Momenten, an denen wir sie singen, entsteht jeweils eine fast mystische Stimmung». Gerne stehen sie nicht nur zum Brauchtum, sondern auch zu einer patriotischen Haltung.
Liechtli am Wäg
Das Lied von Paul Schreiber steht an erster Stelle von 17 Titel auf der neuen CD, und hat der Jubiläumsproduktion auch den Namen geliehen. Erstmals präsentieren die Horejodler ein Programm ausschliesslich mit Gesang. Vier Naturjodel sowie zwei Terzettlieder bilden mit den übrigen elf Liedern ein sehr abwechslungsreiches Konzert. Repräsentativ ist die Liste der Komponisten, die aus der ganzen Schweiz stammen und alle bewusst mit nur einer Komposition vertreten sind. Die Horejodler hoffen, damit ihrem grossen Publikum eine Freude zu bereiten und an die grossen Erfolge der zwei Vorgängerproduktionen anknüpfen zu können. Dass der neue Tonträger überhaupt entstehen konnte, ist dabei nicht selbstverständlich. Wachsende Ansprüche in den Berufen und in den Familien mit Kindern und Grosskindern galt es zu berücksichtigen, weshalb sich die Horejodler für die Aufnahmen mehr als ein Jahr Zeit einräumten. Einen grossen Teil der Aufnahmen konnten sie im alten Schulhaus in Diemtigen machen und nur für den Finish mussten einzelne noch ins Tonstudio nach Hindelbank reisen. Beschreibt der Liedtext von Hanny Schenker-Brechbühl diverse schöne Erinnerungen als «Liechtli am Wäg», so wird die neue CD ein weiteres Licht am erfolgreichen Weg der sympathischen Jodlergruppe aus dem Berner Oberland sein.