Markus Wicki
Der Akkordeonvirtuose und versierte Bläserbegleiter Markus Wicki feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Er hat die Wandlung der Luzerner Ländlerszene von Anfang an erlebt, womit auch Höhen und Tiefen in seinem Leben verbunden sind. Nachdem er sich die Sporen in der Kapelle Röbi Odermatt abverdient hat, spielt er seit bald 10 Jahren in der Kapelle René Jakober.
23.03.2018 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Die Besetzung mit Klarinette oder Saxophon, Akkordeon, Klavier und Bassgeige galt viele Jahre lang als Grundbesetzung für Innerschweizer Ländlermusik. Vielleicht hatte die Tatsache, dass die Bläser oftmals zum Beispiel in der Blasmusik eine musikalische Ausbildung genossen hatten oder auch die Pianisten in den guten Kapellen Noten lesen konnten, Einfluss auf das Repertoire. Diese Musiker waren daran gewöhnt, zu «konzertieren» und setzten eine vielfältigere Harmonie ein, als die reinen Stegreifmusikanten. Damit konnten sie ein gehobenes Publikum erreichen und dementsprechend auch an besonderen Orten und Festivitäten auftreten. Bekannte Bläser dieser Stilrichtung sind Sepp Stocker (1898-1949), Kasi Geisser (1899-1943), Kaspar Muther (1909- 1980), Jost Ribary (1910-1971), Edi Bär (1913-2008), Sepp Boschi (1917-1983), Martin Beeler (1920-2008), Hans Aregger (1930), Hans Muff (1944-2015), Carlo Brunner (1955), Philipp Mettler (1975), Röbi Odermatt (1970), René Jakober (1973), Dani Häusler (1974) und andere mehr. Sie alle waren oder sind kompetente Musiker, hervorragende Bläser und ideenreiche Komponisten, konnten ihre Musik jedoch nie ohne ihre «musikalischen Schatten», den Akkordeonisten, präsentieren. Das stilechte Begleiten im konzertanten Innerschweizerstil mit dem Akkordeon erfordert erweiterte Kenntnisse der Harmonielehre, eine ausgereifte Spieltechnik im mehrstimmigen akkordischen Spiel sowie eine zünftige Portion Virtuosität für die Führung der zweiten Stimme oder einer Variation. Ein perfekter Begleiter muss darüber hinaus fähig sein, die richtige Spielart am richtigen Ort einzusetzen und so mit seinem Spiel die oftmals lebendige erste Stimme passend zu unterstützen. Seine Position in einer Kapellenbesetzung schwankt laufend zwischen der Unterstützung der Melodie mit einer zweiten Stimme, über das harmonische «Auffüllen» bis zur rein rhythmischen Funktion. Haben Bläser, Klavier und Bass ihre klar zugewiesenen Aufgaben, so muss sich der Akkordeonist ähnlich einem Orchesterdirigenten in allen Rollen auskennen. Bekannte Namen solcher Musiker waren oder sind Christian Hartmann (1914-1959), Hugo Bigi (1926-2010), Walter Grob (1928-2014), René Wicki (1941), Willi Valotti (1949), Martin Nauer (1952), Jörg Wiget (1972) und noch sehr viele mehr. Einer dieser Schattenspieler ist auch Markus Wicki, der hier näher vorgestellt wird.
Markus Wicki wurde am 6. Mai 1968 in Luzern geboren, wo er aufgewachsen ist und die Primar- und Oberstufe absolviert hat. Die Gegend um Luzern liegt in jenem Gebiet im südlichen Mittelland, das als Heimat des klassischen Innerschweizerstils gilt. Es gab in den Hohezeiten dieses Musikstils dort eine Vielzahl von Beizen, in denen man diese Musik hören konnte. Eine Voraussetzung dafür war das Interesse der Wirtsleute, die nicht selten selber auch Musikanten waren und in ihren Lokalen Akkordeons und Klaviere zur Benützung stehen hatten. Zu erwähnen ist dabei auch, dass diese Restaurants neben den einschlägigen Touristenlokalen für die internationale Kundschaft existierten. Die einheimische Bevölkerung hatte selber viel Interesse an der Ländlermusik, kannte sich darin aus und war deshalb ein interessantes Publikum für die Musikanten. Diese Feststellung gilt aber nicht nur für Luzern, sondern für alle Städte am Nordhang der Alpen zwischen Bern und Zürich.
Obwohl sich in den Siebzierjahren etliche Veränderungen der beschriebenen Szenerie ergaben, konnte der junge Markus sie noch erleben. Sein Vater, ein Entlebucher aus Flüeli, war Fabrikarbeiter und spielte Handorgel. Mit ihm zusammen machte Markus im zarten Alter von fünf Jahren die ersten musikalischen Schritte. Er zeigte ihm die ersten Begleitgriffe und sorgte durch die Tatsache, dass zuhause viel und oft Ländlermusik wie beispielsweise der Kapellen Heirassa oder Carlo Brunner zu hören waren, für ein wachsendes Interesse beim Buben. Das Hauptinteresse von Vater und Sohn Wicki galt jeweils den dazugehörenden Akkordeonisten Walter Grob, Willi Valotti und Martin Nauer. Das Spiel von Martin Nauer hatte es Markus Wicki von Anfang an ganz besonders angetan. So, wie dieser spielte, wollte auch er es können. Er hörte auf die winzigsten Kleinigkeiten, die Nauers Begleitungen erkennbar machten, übernahm diese und jene Floskeln, was bis hin zur gleichen Haltung und Gebärde ging. Ein Versuch, den Buben in der Musikschule ausbilden zu lassen, beendete die Familie nach einem erfolglosen Jahr. Seine Musiklehrerin sah keine Zukunft im Unterricht! Markus konnte sich die Aufgaben derart gut merken, dass er auf das Notenlesen nicht angewiesen war, was eine weitere Gemeinsamkeit mit seinem grossen Vorbild Martin Nauer ist. Umso mehr bildete sich ein hervorragendes Gefühl für das Akkordeon, dem der junge Musikant Harmonien und Melodien zu entlocken verstand.
Erste öffentliche Auftritte
Es gab aber noch andere Musikanten, die zum Werdegang des heranreifenden Markus Wicki beitrugen. Mit seinem Vater Hans, der ein guter Interpret von Franz-Feierabend-Tänzen war, besuchte er gerne die Ländlermusiklokale in der Region Luzern, wo er erste Auftrittserfahrungen sammeln konnte. In der Krienserhalle in Kriens traf er auf den landesweit bekannten Musiker Föns Lustenberger, der ihm den Weg zur erweiterten Harmonie zeigte. Mit Föns am Klavier trat Markus schon bald auch im Duo auf. Auf diese Weise eignete er sich das Wissen und Können an, das ihn schon bald zum versierten Bläserbegleiter machte. Im Jahr 1987 bildete Markus Wicki gemeinsam mit dem Entlebucher Markus Renggli, einem sehr fähigen jungen Klarinettisten, erstmals eine eigene Formation. Leider verstarb dieser bereits zwei Jahr später nach einem Verkehrsunfall, was die hoffnungsvollen musikalischen Träume des jungen Akkordeonisten vorerst vernichtete. Solch tragische Vorkommnisse gehören leider zum Leben von Markus: Bereits 1987 nahm sich sein Vater das Leben, was den damals erst 19-jährigen jungen Mann auf eine harte Probe stellte. Auch sein Berufsleben entwickelte sich nicht ideal. Nach dem Beginn einer Verkäuferlehre brach er diese wiederum ab. «Ich hatte einfach nur die Musik im Kopf», erklärt er heute. Die schnellen Erfolge als Musiker liessen im jungen Mann den Traum wachsen, dereinst von der Musik leben zu können. Rückblickend muss man sagen, dass damals sehr viel Unterstützung vorhanden war, der mahnende Finger aber leider fehlte. Es gab ja auch keine Anzeichen dafür, dass die Volksmusikszene 20 Jahre später einen derart drastischen Wandel erleben würde. Schon bald ergab sich nämlich die nächste Chance, als Markus anlässlich einer Stubete in Emmenbrücke den zwei Jahre jüngeren Bläser Röbi Odermatt kennenlernte. 1988 gründeten sie offiziell die Kapelle Röbi Odermatt, die dann zwei Jahrzehnte lang grosse Erfolge feiern konnte. Während sechs Jahren war Wicki auch Teil der Folkloreshow im Stadtkeller Luzern, was ihm weitere regelmässige Auftritte als Berufsmusiker bescherte. In dieser Zeit kam es natürlich zu weiteren Kontakten in der Musikszene, Tonträger wurden aufgenommen und in diversen Fernsehsendungen trat die Kapelle Röbi Odermatt auf. Es ergaben sich Auslandsreisen; etwa mit Wysel Gyr nach Japan oder mit dem VSV auf eine Karibik-Kreuzfahrt. Zu ihren aktivsten Zeiten bewältigte die Kapelle an die 80 Engagements pro Jahr!
Auch privat ereignete sich manches: 1996 heiratete Markus Wicki, 2002 kam sein erster Sohn Florian und ein Jahr später Manuel zur Welt. Die Familie bezog ein Haus in Schwarzenberg. Trotz diesen hoffnungsvollen Anfängen gab es dann leider auch Abnützungserscheinungen, denn das Musikantenleben spielt sich zur grossen Hauptsache dann ab, wenn andere Leute Freizeit haben. So konnte sich auch Markus nicht ideal seiner Familie widmen, was letztlich 2011 zum Bruch führte. Heute lebt er in einer Mietwohnung in Malters und er freut sich, wenn seine Söhne ihn dort regelmässig besuchen. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Markus Wicki als Logistiker und Chauffeur.
Zu neuen Ufern
Da Röbi Odermatt sich beruflich veränderte – er wurde Wirt und betrieb ein Tonstudio – konnte dessen Kapelle nach fast 20 Jahren nicht mehr aufrecht erhalten werden. Sicher machten sich auch die schon mehrfach erwähnten Veränderungen in der Luzerner Ländlerszene bemerkbar. Markus hatte glücklicherweise schon verschiedene andere Kontakte geknüpft, so beispielsweise mit Walter Grob, Alois Schilliger, Carlo Brunner, Franz Bühler oder Hanspeter Zehnder. Mittlerweile hatte er natürlich auch Verbindung mit seinem Idol Martin Nauer aufgenommen, mit welchem er im Jahr 2008 für die eigene CD «Üse Jubilar» fünf Titel einspielte. Nach dem Ende der Kapelle Röbi Odermatt nahm sich Markus vor, als Aushilfsspieler mit diesen und jenen Kapellen aufzutreten. Eines Tages aber kam das Telefonat von Daniel Wigger, dem Pianisten der Kapelle René Jakober. Dort war der Posten des Akkordeonisten neu zu besetzen, eine Aufgabe, die Markus natürlich mit grosser Freude annahm. 2009 trat er offiziell in die Formation ein. «Wir verstehen uns sowohl musikalisch wie auch menschlich sehr gut», freut er sich. Bereits konnte er auch mit dieser Kapelle Tonaufnahmen machen und viele tolle Auftritte erleben.Zu einer neuen Erfahrung kam er ausserdem, als ihn das Jodelduett Geschwister Rymann als Begleiter anfragte. «Zum Jodeln hatte ich bis dahin keine Beziehung», gesteht er, «aber die Aufgabe des Begleiters hat mich schon gereizt!». Da das Repertoire dieses Duetts äusserst vielseitig und qualitativ hochstehend ist, fand er sofort auch Begeisterung dafür. Weiter aber möchte er sich nicht im Jodelwesen engagieren: «Es gibt zu viel Terminkonflikte, wenn man auch als Musikant noch aktiv ist!» Längst hat sich Markus auch als Komponist betätigt und es sind etwa 40 Kompositionen entstanden. «Da ich keine Noten schreiben kann, nehme ich meine Ideen halt auf. Meistens ist es dann Edi Wallimann, mit welchem ich übrigens auch sehr gerne schon diese und jene Auftritte hatte, der mir dann die Noten schreibt!» Zu seinem eindeutigen Hit ist der Musette-Walzer «S Windspiel» geworden. Das virtuose Akkordeonsolo wurde bereits vor 10 Jahren erstmals und jetzt aktuell in einer Neueinspielung mit der Kapelle René Jakober auf der CD «Liäbi Tön» mit dem Jodelduett Geschwister Rymann veröffentlicht.
Öffentlicher Geburtstag
Am Sonntag, 6. Mai 2018, feiert Markus Wicki seinen 50. Geburtstag. Der Anlass ist öffentlich, Freunde und Musikkollegen treffen sich im Restaurant Allmendhüsli in Stans. Sollte er aber einmal nicht hinter dem Akkordeon sitzen, so findet man ihn gerne mit seiner Lebenspartnerin Maria Burri in der nahen Natur beim Wandern. In den Ferien reisen sie gerne ins Tirol oder Südtirol, deren Landschaft und Wanderrouten ihnen besonders gut gefallen. Ferien am Strand hingegen mag er nicht. Gefragt, womit man ihm die grösste Freude bereiten kann, sagt er: «Mit Besuch von Leuten, die es gut mit mir meinen!» Dass dazu immer eine stattliche Anzahl Leute gehören, darf man dem sympathischen Luzerner und erfolgreichen Musikanten wünschen.
Aktuelle CD
Seit bald 10 Jahren gehört der Akkordeonist Markus Wicki der Kapelle René Jakober an. Auf der im Jahr 2014 veröffentlichten Produktion sind auch zwei Eigenkompositionen von ihm zu hören.