Michela De-Taddeo
Mit Leidenschaft engagiert sich Michela De-Taddeo für die Volkskultur in ihrem Heimatkanton Tessin und steht zudem auf nationaler Ebene für die ihr wichtigen Traditionen und Werte ein. Mit Frohmut meistert sie auch den schwierigen privaten Alltag, der andere in dieser Situation wohl in eine Lebenskrise geführt hätte.
24.05.2016 | VON STEFAN SCHWARZ
Die 50-jährige Michela De-Taddeo ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die in jeder Lebenssituation stets das Positive sieht. Nach der Aufgabe ihrer langjährigen Tätigkeit bei der UBS, dem Tod ihres Vaters sowie einem Hirnschlag des Onkels steht die einstige Bankkauffrau heute im Elternhaus ihrer 72-jährigen Mutter ihren Mann. In der relativ grossen Liegenschaft – in einem schmucken schmalen Gässchen mitten in Lodrino – wohnen nicht nur Mutter und Tochter, sondern auch Onkel und Tante. Obschon die zwei älteren Frauen im Haus diverse tägliche Arbeiten wie Waschen, Bügeln oder Kochen noch gut verrichten können, steht für Michela De-Taddeo ausser Frage, dass sie im und ums Haus vor allem dort anpackt, wo sonst eher die Männer am Werk sind. Finanziell ist diese besondere Wohngemeinschaft nicht gerade auf Rosen gebettet, aber dank drei AHV-Renten und einem eher anspruchslosen Lebensstil kommt das Quartett über die Runden. Darüber hinaus engagiert sich Michela De-Taddeo seit mehreren Jahren unentgeltlich als Begleit- und Betreuungsperson von Blinden und findet in diesem Umfeld zusätzliche Befriedigung. «Ich arbeite gratis. Aber ich bekomme viel!», bringt sie ihre positive Lebenseinstellung auf den Punkt und beginnt sodann von ihren diversen Aktivitäten im volkskulturellen Bereich zu erzählen.
«Ich möchte, dass mein Tessin kulturell und traditionell wieder neu entdeckt wird!»
Der Stellenwert ihrer Tracht
Schon als Kind war die Tessinerin von der Schönheit und Vielfalt der helvetischen Trachten angetan. Sie erinnert sich an einen Souvenirladen in Locarno, wo sie sich einst an den schmucken Puppen in den Trachten der verschiedenen Kantone kaum satt sehen konnte. Eine eigene Tracht hingegen gab es erst viele Jahre später, als sie als Mitglied zum «Gruppo canzoni e costumi ticinesi di Bellinzona» gerufen wurde. Da vom Verein her keine einheitlichen Trachten vorgeschrieben sind, entschied sich Michela De-Taddeo für die Tracht aus dem Verzascatal, bei welcher die Schürze bis über die Brust getragen wird. Lachend begründet die mollige Frau diese Wahl nicht nur mit den grossmütterlichen Beziehungen nach Corippo im Verzascatal: «Unter dieser Schürze kannst du einfach alles verstecken!». Michela De-Taddeo, die im normalen Alltag keine Röcke trägt, fühlt sich in ihrer Tracht pudelwohl und sieht diese Kleidung als einen Teil ihrer Persönlichkeit.
Für die Traditionen der Heimat
Mit dem Tragen ihrer Tracht und diversen weiteren volkskulturellen Aktivitäten unterstreicht Michela De-Taddeo ihre tiefe Verbundenheit zur Heimat, deren Traditionen gerade im Tessin leider überhaupt keinen grossen Stellenwert mehr haben: «Ich kämpfe jeden Tag dafür, dass wir wieder echte Tessiner sind und unseren Bezug zur eigenen Heimat nicht noch mehr verlieren.» So bedauert sie zum Beispiel, dass der Schweizer Nachwuchs, im Gegensatz zu ausländischen Kindern, kaum mehr einheimische Lieder singen oder traditionelle Tänze tanzen kann. «Mir wurde seinerzeit noch gelernt, dass wir unsere Traditionen hochhalten sollen», erklärt die überzeugte Tessinerin sinnierend und doppelt nach: «Ich möchte, dass mein Tessin kulturell und traditionell wieder neu entdeckt wird!» Hierzu gehören auch Handarbeiten mit Bezug zur heimatlichen Volkskultur. Aus diesem Grund befasst sich Michela De-Taddeo seit einiger Zeit neben dem Häkeln von Tüchern, Stricken von Trachtensocken oder Sticken von prächtigen Wandbildern auch mit dem Klöppeln. Das flinke Drehen und Kreuzen von Faden und Klöppel läuft zwar noch nicht ganz wie geschmiert, aber mit ihrem motivierten Engagement will sie demnächst eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, durch welche dieses Kunsthandwerk als Hobby weitere Verbreitung finden soll.
Singen und Tanzen
Schon in jungen Jahren machte Michela De-Taddeo in Locarno begeistert in einem Kirchenchor mit. Im «Gruppo canzoni e costumi ticinesi di Bellinzona» kann sie ihre Leidenschaft als Sängerin und Tänzerin mittlerweile in einem Verein ausleben, der sich ebenfalls für den Erhalt einheimischen Brauchtums stark macht. Deshalb finden sich im Repertoire des Trachtenchores fast ausschliesslich Lieder aus dem heimatlichen Tessin und der näheren Umgebung. Dazu gehört selbstverständlich auch der klingende Nachlass des Komponisten Vittorio Castelnuovo (1915-2015), welcher die Tessiner Chorszene mit seinen Liedern stark geprägt hat. Stolz erzählt Michela De-Taddeo, dass sich die Trachtenchorszene im Juni erstmals zu einem nationalen Treffen in Lugano trifft, was im Tessin hoffentlich nachhaltige Spuren hinterlassen wird. Neben dem «Gruppo canzoni e costumi ticinesi di Bellinzona» gibt es im Kanton nämlich lediglich drei weitere Trachtenchöre, die sich dem traditionellen Repertoire widmen.
Im Volkstanzbereich ist das «Gruppo canzoni e costumi ticinesi di Bellinzona» sogar der einzige Tessiner Verein, der sich die Pflege überlieferter Tanzformen auf die Fahne geschrieben hat. Mit derzeit fünf Paaren werden ausschliesslich die vor 30 Jahren für die Gruppe choreographierten Tänze «La Racola», «La Monterrina», «La Mazurca» und «Il Valser» getanzt. Während man heute meist mit CD-Begleitung auftritt, soll in Zukunft schon bald eine Bandella für die passenden Tessiner Klänge sorgen, berichtet Michela De-Taddeo voller Vorfreude. Die Vizepräsidentin der Gruppe erzählt zudem von einer geplanten Öffnung des Vereins, welche interessierte Frauen und Männer aus dem ganzen Kanton zum aktiven Mitmachen motivieren soll. «Wer nicht singen kann, kann ganz bestimmt tanzen», schmunzelt Michela De-Taddeo und hofft inständig, dass die traditionelle Tessiner Volkskultur dank stetem Engagement und Überzeugungsarbeit wieder neuen Aufschwung erleben wird.
Schweizerisches Trachtenchorfest Lugano
Lugano freut sich auf das Schweizerische Trachtenchorfest, welches vom 10. bis 12. Juni erstmals in seiner Geschichte im Kanton Tessin durchgeführt wird. Das OK, dem auch Michela De-Taddeo angehört, schätzt sich stolz, während zweier Tage eine grosse Vielfalt an helvetischer Volksmusik und verschiedenster Trachten aus allen Landesteilen in der sogenannten Sonnenstube der Schweiz willkommen heissen zu dürfen.
Das Fest beginnt am Freitag um 17 Uhr
mit einem bunten Markt voller typischer Tessiner Produkte und ab 18 Uhr erfreuen die ersten angereisten Trachtenchöre mit ihren Darbietungen. Über 60 Gruppen mit gegen 2’000 Mitwirkenden werden in Lugano erwartet, welche am Samstag und Sonntag ihr Können nicht nur bei Auftritten auf den Piazzas, sondern auch vor den Experten beweisen können. Im Rahmen der Grossveranstaltung geht am Samstagnachmittag auch die Delegiertenversammlung der Schweizerischen Trachtenvereinigung (STV) in Lugano über die Bühne.
Das Schweizerische Trachtenchorfest Lugano 2016 endet am Sonntagnachmittag mit einem Festumzug. Zum Abschluss werden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer das eigens für dieses Fest kreierte Lied «Costumi in festa» von Damiani Pietro vortragen. Der Komponist lässt es sich nicht nehmen und wird den eindrücklichen Gesamtchor gleich selber dirigieren!
Michela De-Taddeo
Herkunft
Aufgewachsen in Locarno und wohnhaft in Lodrino TI.
Zivilstand, Familie
Ledig, lebt in einer Wohngemeinschaft mit Mutter, Tante und Onkel.
Beruf
Michela De-Taddeo, die neben italienisch auch französisch und deutsch spricht, war 25 Jahre lang als Bankkauffrau bei der UBS tätig. Trotz diesen beruflichen Qualifikationen findet sie in ihrem Heimatkanton seit sieben Jahren keine Arbeitsstelle mehr und betreut in Lodrino das Haus der Familie mit den drei ebenfalls dort wohnhaften Senioren. Daneben leistet sie freiwillige Betreuungsdienste für die UNITAS (Verband der Blinden und Sehbehinderten der italienischen Schweiz).
Volkskulturelles Engagement
Die Sängerin, Tänzerin und Vizepräsidentin des «Gruppo canzoni e costumi ticinesi di Bellinzona» wirkt als Vorstandsmitglied sowie in zwei Arbeitsgruppen der Vereinigung Schweizerischer Spitzemacherinnen (VSS), ist als Geschäftsleitungsmitglied der Schweizerischen Trachtenvereinigung (STV) unter anderem für den Trachtentag im Ballenberg mitverantwortlich und gehört dem OK Trachtenchorfest 2016 in Lugano an.
Persönlich
Mein Sternzeichen
Ich bin ein typischer Zwilling: stets fröhlich, kreativ und einen Meter über dem Boden lebend.
Mein Charakter
Ich bin eine sonnige Person, die ohne Berührungsängste mit allen Leuten umgehen kann. Durch meine Offenheit bekomme ich immer wieder auch viel zurück.
Meine Heimat
Ich bin dankbar und stolz, eine Tessinerin zu sein. Deshalb kämpfe ich gerne für den Erhalt unserer heimatlichen Traditionen. Und so wünsche ich mir, dass die Menschen in Krisenregionen nach Möglichkeit zuhause für ihre Ideale kämpfen und ihre Heimat zu einem lebenswerten Ort machen, den man mittel- und langfristig nicht mehr zu verlassen braucht.
Meine Sportaktivitäten
In jungen Jahren spielte ich gerne Volleyball. Heute fahre ich noch Ski oder wandere und schwimme. Als Tochter eines Verteidigers und Schwester zweier weiterer Fussballer bin ich zum Fussballfan geworden. Aber auch andere Sportarten – vor allem jene ohne Räder – verfolge ich gerne.
Meine Tiere
Ich hatte eine Hündin aus dem Tierheim, die vor drei Jahren altershalber leider gestorben ist. Das war damals Liebe auf den ersten Blick und sie hat mein Leben auf schöne Art bereichert. Gegen Katzen oder Kaninchen bin ich leider allergisch.
Digitale Welt
Ich nutze das Handy und den Computer in erster Linie zu Kommunikationszwecken und schätze es, wenn ich auch unterwegs im Zug meine E-Mails abrufen oder telefonieren kann. Ansonsten aber bin ich absolut kein Digital-Freak!
Mein Spieltrieb
Mir fehlen derzeit vor allem die passenden Spielpartner für Gesellschaftsspiele. Ich verfolge aber gerne die Jass-Sendungen am Fernsehen, welche für mich auch ein Stück Schweizer Tradition bedeuten. Dabei erinnere ich mich sehr gerne an unsere einstigen familiären Spielabende während der Wintermonate.
Meine Zukunft
Gesundheit für mich und meine Liebsten sind mein grösster Wunsch an die Zukunft. Ohne Geld lässt sich leben, aber ohne Gesundheit nicht!
Kontakt
Michela De-Taddeo
Cà da Löügh 23
6527 Lodrino
Telefon 078 639 45 22