Frühlingsboten
Seit dem 15. Jahrhundert nennt man bei uns die erste Jahreszeit Frühling, weil es ja eben die früheste Zeit des Jahres ist. Ältere Generationen kennen noch den Begriff «Lanzig», während «Lenz» in erster Linie von den Dichtern verwendet wird. Werden die Tage länger, die Lüfte lauer und die Vegetation farbiger, erwachen in allen Lebewesen die Frühlingsgefühle.
23.03.2018 | VON HANSPETER EGGENBERGER
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An vielen Orten der Schweiz finden Frühjahrsbräuche statt. Bei den meisten geht es ums Vertreiben des Winters, viele weitere hängen mit dem Osterfest zusammen. In der Nordwestschweiz kennt man den Maibaum, das Maisingen und bei den Trachtengruppen den Maitanz mit Bändern. In Zürich gibt es das Sechseläuten und im Engadin den Chalanda Marz. Das grösste Frühlingsfest aber findet vor unserer Haustüre und bei uns selber statt.
Erste Frühlingsboten sind natürlich die Schneeglöcklein und die Krokusse. Es gibt aber weit mehr Blumen, die erste farbige Tupfer ins trostlose Wintergrau zaubern. Blausterne, Veilchen, Gänseblümchen, Buschwindröschen, Narzissen, gelber Huflattich, Märzenbecher, Leberblümchen, Zwergiris und natürlich Tulpen, sie blühen alle schon im März. Eine auffällige Blume ist die tiefgelbe Osterglocke, die ihren Namen zu Recht trägt, denn sie weist darauf hin, dass sie zur Osterzeit zwischen März und April blüht. Sie ist eine der vielen Narzissenarten, von denen einzelne bereits im Februar erblühen. Im April folgen Löwenzahn, weisse Narzisse, Schlüsselblume, Steinkraut, Stiefmütterchen und Hyazinthen. Auf der zweiten Etage erblühen Magnolien, Zierkirschen und Forsythien.
Zum Kuckuck …
Der Einsiedler Mundartdichter Meinrad Lienert (1865-1933) sagt es in seinem Gedicht «Hochsigzyt», das von Emil Grolimund vertont wurde: «Just allimol, wenns Früehlig wird, fot s Buechelaub a trybe. Der Gugger rüeft sim Schatz ‹Guggu›, das heisst uf dütsch: Du Liebi du! J mein, s wär Zyt zum wybe!». Tatsächlich hört man die ersten Kuckucksrufe Ende März bis Anfang April. Mit seinem markanten, lauten Ruf hat er sich eine Sonderstellung bei den Singvögeln erobert. So beispielsweise im Volksglauben, der besagt, dass man beim ersten Hören im Frühling in die Tasche greifen soll. Gleich viel Geld, wie man dann dort findet, soll man dann das ganze Jahr haben! In anderen Gegenden meint man, dass das Portemonnaie das ganze Jahr über nie leer sein wird, wenn man beim Kuckucksruf darauf klopft! Extremer wird es noch, wenn man dem norddeutschen Brauch folgend die Kuckucksrufe zählt. Stellt man nämlich die Frage, wieviele Jahre man noch zu leben habe, so sagt es einem eben der Kuckuck!
Sein Ruf hat übrigens auch Einzug in die klassische Musik gefunden, beispielsweise in der Szene am Bach in Beethovens 6. Sinfonie oder in Mozarts Kindersymphonie. Und auch in der Fabel findet man den Brutschmarotzer. Im Wettstreit mit der Nachtigall wird der Kuckuck vom Esel als Schiedsrichter zum Sieger ernannt, weil er seinen Ruf der Tonlehre folgend in einer sauberen kleinen Terz singt. Im Lied «Der Kuckuck und der Esel» streiten sich dann die beiden: «Der Kuckuck und der Esel, die hatten beide Streit, wer wohl am besten sänge zur schönen Maienzeit!». Viel öfter aber hört man die anderen Singvögel, welche den Frühling akustisch erfüllen, wenn die Zugvögel wieder zu uns zurück gekehrt sind. Im Allgemeinen treffen Vogelarten, die im Mittelmeerraum überwinterten und daher eine kürzere Route zurücklegen müssen, früher ein als jene, die aus dem weit entfernten tropischen Afrika heimkehren. Das Wetter kann den Fahrplan der Zugvögel um einige Tage verschieben, aber nicht grundlegend verändern. Hingegen führt die Klimaerwärmung dazu, dass diverse Arten heute ein paar Tage früher eintreffen als vor dreissig Jahren. Im März sind beispielsweise der Hausrotschwanz, Zilzalp und die Mönchsgrasmücke zu sehen, im April folgen Rauch- und Mehlschwalbe, Gartenrotschwanz, Baumpieper, Wendehals, Kuckuck, Nachtigall und Mauersegler – um nur einige zu nennen.
Natürlich kennen auch wir Menschen die Frühlingsgefühle, die weit weniger poetisch eine chemische Reaktion sind: Mit der steigenden Lichtintensität werden vermehrt Serotonin und Dopamin ausgeschüttet. Diese sorgen für ein allgemein besseres Befinden und bewirken eine leichte Euphorie. Auch der Wunsch nach einem Partner ist bei den meisten Menschen im Frühling stärker, verursacht unter anderem durch vermehrte Hormonausschüttung. Diese These ist wissenschaftlich allerdings nicht bewiesen und vermutlich spielen auch optische Reize durch leichtere Kleidung eine Rolle. Dass die Mehrheit der rund 41’000 Ehen in der Schweiz mehrheitlich im Frühling geschlossen werden, können wir nur vermuten.
Frühjahrsmüdigkeit
Neben allen erfreulichen Effekten des Frühlings kennen wir aber auch die negative Seite, die Frühjahrsmüdigkeit! Die Symptome treten meist von Mitte März bis Mitte April auf und sind bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Am häufigsten treten Müdigkeit, Wetterfühligkeit, Schwindelgefühl, Kreis-
laufschwäche, Gereiztheit, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Antriebslosigkeit auf. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine Krankheit, sondern um eine Erscheinung, die mit dem Jahreszeitenwechsel zusammenhängt. Sind die Ursachen noch nicht vollständig bekannt, so weiss man doch, dass dabei die Hormonumstellungen eine grosse Rolle spielen. Diese belasten den Körper stark und er reagiert mit einem Müdigkeitsgefühl, das zusätzlich durch den sinkenden Blutdruck gefördert wird, der bei steigenden Temperaturen auftritt. Fachleute empfehlen übrigens, der Müdigkeit nicht nachzugeben, sondern sich oft im Freien aufzuhalten, um möglichst viel Tageslicht und Bewegung zu erhalten. Da der Körper vom Winter- auf den Frühlingsmodus umstellen muss, benötigen die Zellen für den Stoffwechsel ausreichend Flüssigkeit. Wer viel Wasser oder ungesüssten Tee trinkt, hat mehr Energie!
April April
Zum Frühling gehört auch der Aprilscherz; jener Brauch also, der Mitmenschen durch erfundene oder verfälschte Geschichten in die Irre führen will. Man kennt diesen Spass in den meisten europäischen Ländern und auch in Nordamerika. Warum es genau der 1. April sein muss, ist nicht bekannt. Allerdings weiss man, dass es schon im Volksglaube der Antike eine Menge angeblicher Unglückstage gab, zu denen auch der 1. April zählte. Die Redensart, «jemanden in den April schicken» kennt man in Bayern
seit 1618 und man weiss auch, dass der Brauch mit den europäischen Auswanderern nach Nordamerika gelangte. In Grimms Deutschem Wörterbuch ist der Aprilnarr im Jahr 1854 verzeichnet, jedoch nicht der Aprilscherz. Neben harmlosen Spielereien wie «du hast ja ein Loch im Strumpf», übertrumpfen sich die Massenmedien regelmässig mit viel Fantasie und unglaublichen Szenerien.
Nicht immer so lustig ist hingegen der andere April-Begriff; nämlich das Aprilwetter. Man meint damit das launische, wechselhafte Wetter in rascher Abfolge von Bewölkung, Sonnenschein und Regen. Die Bauernregel «Der April macht, was er will» zeigt in die gleiche Richtung, und dass es auch im April noch kalt sein kann, sagt eine andere Bauernregel: «Hört s Schätzlein nicht den Kuckuck schrein, dann muss er wohl erfroren sein!». Dahinter steht aber auch echte Meteorologie. Im Frühjahr erwärmt sich die Luft über Südeuropa und Afrika aufgrund der unterschiedlichen Intensität der Sonnenstrahlung schneller als über Nordeuropa und dem Meer. Dadurch entsteht ein grosses Temperaturgefälle zwischen Nord und Süd. Die warme Luft aus dem Süden vermischt sich mit der kalten Luft aus dem Norden. Die kalte Luft enthält viel Feuchtigkeit, während die warme Luft aus dem Süden relativ trocken ist. Auf dem Festland wird die kalte Luft nun erwärmt und steigt dadurch auf. Dabei entstehen Wolken. In höheren Luftschichten befindet sich jedoch die warme Luft aus dem Süden, die daraufhin absinkt. Dabei erwärmt sie sich weiter und löst vorhandene Wolken wieder auf. So entsteht das typische Aprilwetter mit kurzen Schauern, kräftigem Wind und teilweise wolkenfreien Tagen.
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