Örgelifründe Aegelsee
Wenn die drei Frauen der Örgelifründe Aegelsee mit ihrem Bassgeiger auf der Piste sind, geht meist die Post ab. Die aufgestellte Formation aus dem Simmental sorgt nämlich auch neben der offiziellen Musikantenbühne immer wieder gerne für abwechslungsreiche Unterhaltung und gute Stimmung!
22.03.2016 | VON STEFAN SCHWARZ
Beim Besuch der Örgelifründe Aegelsee in einem wunderschön zu Bar und Proberaum ausgebauten Luftschutzkeller in Latterbach spürt man auf Anhieb, dass untereinander eine tolle Kameradschaft herrscht. Da wird gelacht und geblödelt und das Strahlen der Augen verrät, dass die Örgelifreundschaft nicht nur auf dem Etikett steht, sondern die Basis des gemeinschaftlichen Tuns ist. Trotz ihres jungen Alters verfügen alle drei Musikantinnen über eine beachtliche Routine, die man im unbeschwerten Zusammenspiel auch sofort spürt. Musikalischer Kopf der Truppe ist Corinne Knutti, welche auch einen Grossteil des Repertoires als sichere Vorspielerin bestreitet. Für die passende harmonische und melodische Ergänzung sowie den rhythmischen Örgeli-Drive sorgen Marina Streun und Anita Kappeler, während Christian Fuchser am Bass das solide Fundament liefert. Diese Quartettbesetzung trifft man momentan aber noch nicht regelmässig an, weil Marina als junge Mutter neben Familie und Job vorerst nur einmal pro Monat mit ihren Örgelifründe Aegelsee unterwegs ist. Anita, die im Wechsel mit Ueli Kropf schon früher ab und zu als willkommener Joker diente, gehört seit Sommer 2015 aber fix zur Formation und hat sich musikalisch und menschlich schon bestens integriert. Vor allem ein intensives Wochenende am letztjährigen Westschweizer Jodlerfest in Saas-Fee hat die ganze Crew noch zusätzlich zusammengeschweisst!
Anfänge in der Familienkapelle
Die Wurzeln der Örgelifründe Aegelsee sind im Umfeld von Corinnes Familie zu finden. Ihr Vater Arnold ist nämlich selber ein leidenschaftlicher Schwyzerörgeler und formierte ab dem Jahr 2000 zusammen mit vier seiner fünf Kinder die Familienkapelle Knutti. Das musikalische Rüstzeug hierfür bekam Corinne in der 5. und 6. Klasse, wo Örgeliunterricht an der Schule als Wahlfach angeboten wurde. Zudem durfte die aufgeweckte Musikantin ihren Vater alsbald zu den wöchentlichen Proben der Schwyzerörgeli-Grossformation Simmental-Saanenland begleiten, wo sie viele weitere wertvolle Erfahrungen sammeln konnte. Wohnortswechsel und andere Prioritäten hatten zur Folge, dass es in der Familienkapelle Knutti nach und nach zu personellen Veränderungen kam. Für den Part an der Bassgeige fand sich in der Person von Christian Fuchser aus Eriz eine optimale Lösung und die spätere Vakanz am Schwyzerörgeli konnte dank Marina Streun aus Därstetten ebenfalls besetzt werden. So wuchsen Corinne, Marina und Chrigu bereits vor der Gründung der eigenen Formation zu einer musikalischen Einheit zusammen.
2008 erfolgte dann in familiärem und kollegialem Einvernehmen die Abnabelung von der Familienkapelle. Während Vater Arnold Knutti bis heute vor allem von der traditionellen und melodiösen Örgelimusik angetan ist, wollten die Jungen musikalisch auch noch auf anderen Hochzeiten tanzen und ihr Spektrum erweitern. «Wir waren damals in einem Alter, wo wir einfach etwas anderes machen und zünftig Gas geben wollten», erzählt Corinne. So veränderte sich der Stil der neu gegründeten Schwyzerörgelifründe Aegelsee gegenüber der Familienformation eigentlich von Anfang an und beinhaltete auch moderne Elemente. Als wichtigste Zutaten für die kommenden Auftritte schrieben sie sich jugendlichen Örgelipower, abwechslungsreiches Repertoire und gute Stimmung ins Rezeptbuch. «Ohne den Stil oder die Herkunft zu hinterfragen, spielten wir von Anfang an einfach Titel, die uns persönlich zusagten», sinniert Corinne rückblickend und Marina erwähnt in diesem Zusammenhang bekannte Örgelikomponisten wie Gody Schmid, Daniel Kissling, Franz Felder, Hermann Zemp oder Daniel Thürler. Die nach und nach ausgewählten Melodien wurden auf den Tonträgern einschlägiger Interpreten zusammengetragen und kurzerhand ins eigene Programm integriert. Nicht zu vergessen sind dabei die verschiedenartigen Kompositionen von Hans Oesch, dessen Musik in der von ihm gegründeten Schwyzerörgeli-Grossformation Simmental-Saanenland bis heute einen hohen Stellenwert haben und so auch den Weg ins Repertoire der Örgelifründe Aegelsee gefunden haben. Ergänzend zu Schnellpolka, Fox, Marsch, Schottisch, Walzer, Ländler oder Polka erklingen zwischendurch voller Energie auch beliebte Evergreens, grosse Welthits oder gern gehörte Liedli. Mit dieser grossen Bandbreite ist es für die Örgelifründe Aegelsee auch kein Problem, sich stilistisch je nach Anlass und Publikum entsprechend anzupassen. Deshalb stösst das abwechslungsreiche und unbekümmerte Spiel vielerorts auf grosse Gegenliebe. «Wir bekommen oftmals Komplimente, weil man uns unsere Freude an der Musik ansieht und wir nicht nur ‹stier› auf der Bühne sitzen», freut sich Corinne. Und wenn dabei auch einmal ein Fehlerli passiert, gibt es auf der Bühne absolut keine roten Köpfe, sondern der Fauxpas sorgt vielmehr für eine zusätzliche Aufheiterung. «Mir ist diese Art von Musizieren lieber, als wenn vor lauter Perfektion die eigene Freude abhanden kommt und der Unterhaltungswert plötzlich auf der Strecke bleibt», doppelt Chrigu nach. Auch er steht übrigens nicht immer nur traditionell hinter seinem Instrument, sondern nimmt den Bass in passenden Momenten auch mal quer auf die Knie und sorgt so für zusätzliche Aufmerksamkeit. Und wenn ein Engagement zu Ende ist, dann verschwinden die Örgelifründe Aegelsee nicht einfach schnurstracks nach Hause, sondern mischen sich liebend gerne unter die Leute, freuen sich an persönlichen Kontakten mit Gleichgesinnten und packen ihre Instrumente an der Bar nicht selten nochmals aus.
Regelmässig auf der Piste
Gut 30 Auftritte absolvieren die Örgelifründe Aegelsee pro Jahr, wobei die persönliche Freude am Musizieren sowie das gute freundschaftliche Verhältnis untereinander hierfür die allerwichtigsten Triebfedern sind. Neben Auftritten an Geburtstagen, Hochzeitsfeiern, Stubeten oder einem Bergdorfet werden vor allem in den Wintermonaten regelmässig Vereinsabende mit Konzert und Theater bereichert. Der Radius erstreckt sich dabei vom heimatlichen Simmental bis ins Berner Seeland und Mittelland oder ins waadtländische Pays d’Enhaut. Unvergessene Auftritte gab es aber auch schon im Wallis, im Bündnerland oder im Kanton Zürich.
Das tolle Probelokal in Latterbach mit Möglichkeiten für einen feuchtfröhlichen zweiten Teil wirft die Frage auf, wie oft denn geprobt werde. Eine klare Antwort darauf war den Örgelifründe nicht zu entlocken, denn bei den fast wöchentlichen Auftritten lässt die steigende Routine das Anspielen von ungeprobten Titeln in der Öffentlichkeit durchaus zu. Als sichere Vorspielerin legt Corinne los, während die Begleiter auf Anhieb die richtigen Akkorde für die passenden Harmonien sowie den richtigen Rhythmus für den nötigen Schmiss finden. «Je nach anstehendem Auftritt, oder wenn es für ein Engagement trotz aktueller Viererbesetzung einmal einen Ersatz braucht, wird natürlich schon geprobt», stellt Chrigu letztendlich noch klar und hält fest, dass man das Musizieren bei aller Lockerheit schon ernst nehme und stets bemüht sei, eine gute musikalische Leistung zu erbringen.
Persönliche Facetten
Corinne Knutti (1989) stammt aus Schwenden im Diemtigtal und wohnt heute in Erlenbach. Nach einer Berufslehre im Detailhandel absolvierte sie eine Zusatzlehre zur Multimedia-Elektronikerin. Für ein Radio-TV-Geschäft ist sie heute hauptsächlich extern im Einsatz und macht zuhause bei den Kunden Reparaturen oder erbringt Serviceleistungen. Bis heute spielt sie mit Engagement auch in der Grossformation Simmental-Saanenland mit, wo sie als stellvertretende Leiterin immer dann die Proben oder Auftritte führt, wenn der musikalische Leiter Urs Ueltschi nicht persönlich anwesend sein kann. Neben dem aktiven Musizieren gibt Corinne in ihrer Freizeit ihr Können an diverse Örgelischüler weiter und ist regelmässig mit Skiern, Velo oder Wanderschuhen in freier Natur anzutreffen.
Marina Streun (1991) wuchs in Därstetten auf und hatte auch schon im Elternhaus einen engen Bezug zur volkstümlichen Musik. Ab dem Alter von 10 Jahren genoss sie Örgeliunterricht, bevor sie in der Grossformation sowie bei der Familienkapelle Knutti nächste Schritte machen konnte. Marina ist Mutter des neun Monate alten Janis und wohnt zusammen mit ihrem künftigen Ehemann in Latterbach. Beruflich arbeitet die Fachfrau Gesundheit derzeit zu 40 Prozent im Notfallspital Thun. In der restlichen Freizeit neben Familie und Musik gehören Wandern, Biken und Reisen zu ihren grössten Hobbys.
Auch Anita Kappeler (1993) aus Reutigen kam innerhalb ihrer Familie mit der Volksmusik in Kontakt und durfte von der dritten bis zur neunten Klasse Örgeliunterricht geniessen. Im anschliessenden Welschlandjahr musizierte sie für sich selber im stillen Kämmerlein. Während der Lehre zur Drogistin kam Anita mit Corinne Knutti in Kontakt und durfte anschliessend regelmässig bei den Örgelifründe Aegelsee und anderen Formationen aushelfen. Die in Thun tätige Drogistin gehört seit Sommer 2015 fix zur Formation und macht daneben mit ebenso viel Herzblut auch bei den Schwendibode-Jodlern aus Wimmis sowie in einem privaten Jodelquartett mit.
Der Bassist Christian Fuchser (1974) aus dem Eriz ist verheiratet und Vater von vier Kindern im Alter zwischen 11 und 16 Jahren. Mit dem Lohn des ersten Bauernlehrjahres kaufte er seiner Tante 1991 eine erste Bassgeige ab und erlernte den Umgang mit diesem Instrument im Stegreif. Bald musizierte er zusammen mit seinen Brüdern und war anschliessend willkommener Bassgeiger in diversen Formationen, wie zum Beispiel den Ländlergiele Bigle oder der Familienkapelle Kutti. Der leidenschaftliche Landwirt und Viehzüchter engagiert sich in der verbleibenden Freizeit auch noch als Aktivmitglied im Jodlerklub Losenegg Eriz.
Ein Blick in die Zukunft
Weil die Örgelifründe Aegelsee die gemeinsamen Momente lieben und regelmässige Auftritte bestreiten dürfen, kann sich die Zukunft grundsätzlich in bisheriger Manier weiterentwickeln. Auf der Wunschliste steht lediglich die Hoffnung auf vermehrte Auftritte in der neuen Viererbesetzung, um beispielsweise ab und zu auch Titel mit getrennter erster und zweiter Stimme interpretieren zu können. Und bei einem Schlummertrunk an der Bar im Luftschutzkeller in Latterbach kommt dann auch noch der Wunsch nach einer eigenen CD auf den Tisch. In dieser Beziehung ist trotz Frauen-Power momentan aber noch nicht Vollgas angesagt, denn gut Ding will bekanntlich Weile haben.
Wo ist eigentlich dieser Aegelsee?
Die Formationsbezeichnung hat sich im Laufe der letzten acht Jahre übrigens als ideal erwiesen. Die Bezeichnung Örgelifründe lässt problemlos kleinere und grössere Besetzungen zu und die regelmässige Frage, wo der Aegelsee eigentlich liege, sorgt immer wieder für nette Konversationen. Dieses Rätsel ist rasch gelüftet: Der Aegelsee befindet sich auf dem Diemtigbärgli und gilt als beliebtes Ausflugsziel. Das geschützte Hochmoorgebiet am Ostufer eines 1958 als Ausgleichsbecken für das Kraftwerk Erlenbach angelegten Sees bietet Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere und ist ab dem Gasthaus Diemtigbärgli bequem zu Fuss erreichbar. Den einheimichen Musikantinnen Corinne und Marina war dieser idyllische Ort natürlich seit Kindsbeinen ein Begriff und auch Chrigu kannte die Umgebung dank eines ausgewanderten Erizers, der dort jeweils den Aegelsee-Dorfet organisierte, bestens.
Kontakt
Corinne Knutti
Pulvermatte
3762 Erlenbach
Telefon 079 473 06 20