Bereit für die Schweizer Volksmusik
Die Okarina sieht aus wie ein Rüebli mit Grifflöchern, ist in unterschiedlichen Materialien und Stimmungen erhältlich und in der Schweizer Volksmusik bislang noch kaum präsent. Dank den Aktivitäten im Haus der Volksmusik in Altdorf könnte sich dies bald ändern.
23.07.2017 | VON MARKUS BRÜLISAUER
«… Gefässflöte aus Ton oder Porzellan in der Form eines Gänseleins oder einer Rübe, mit einem Schnabel zum Anblasen und meist acht Grifflöchern. Der Klang ist sanft und dumpf. Die Okarina ist in aussereuropäischen Kulturen verbreitet und kam um 1860 in Italien auf; sie ist dort als Karnevalsinstrument und anderweitig v.a. als Kinderinstrument verbreitet.» Diese spärliche Information über die Okarina konnte man noch 1998 in der Brockhaus-Enzyklopädie finden, als die bisher einzige Monografie über die Okarina erschien, verfasst vom Österreicher Anton Hirschmugl. Heute erfahren wir bereits mehr über dieses kleine und in der Schweiz eher unbekannte Instrument im entsprechenden Wikipedia-Artikel.
Herkunft und Verbreitung
Der Name Okarina stammt aus dem italienischen Dialekt, der in der Umgebung von Bologna in der Region Emilia-Romagna gesprochen wird und bedeutet «kleine Gans». Das Instrument wurde aber keineswegs in Italien erfunden. Vielmehr gehen Experten davon aus, dass es über 12’000 Jahre alt ist und in vielen alten Hochkulturen vertreten war. In Amerika hatten die Instrumente bei den Maya, Inka und Azteken die Form von Vögeln oder anderen Tieren, im alten Kaiserreich China hiessen sie Xun und waren eher eiförmig. Die heutige in der alpenländischen Volksmusik verbreitete, rübenförmige Okarina (italienische Konzertokarina) wurde um 1860 vom italienischen Tonbrenner Giuseppe Donati aus Budrio erfunden und verbreitete sich rasch in der ganzen Welt. Zwanzig Jahre später erlebte die Okarina ihre Hochblüte, um 1945 war das Instrument bereits wieder in Vergessenheit geraten.
Neben den am meisten verbreiteten Exemplaren aus Ton werden auch welche aus Aluminium, Polycarbonat, Acrylstein und diversen Harthölzern gefertigt. Die Herstellung mit Ton gestaltet sich schwierig, weil sich die Grundstimmung allein durch den Brennvorgang rund einen Halbton erhöht. Ist die Okarina einmal gebrannt, kann an ihrer Stimmung so gut wie nichts mehr verändert werden. Da das Instrument leicht zerbrechlich ist, verfügen viele über eine Öse, durch die ein Faden gezogen werden kann, den man sich beim Spielen um den Hals legt. Die Anordnung der Tonlöcher einer Konzertokarina entspricht in etwa jener der Blockflöte mit deutschem Griffsystem. Als transponierendes Instrument wird der Grundton unabhängig von der Stimmung als c1 notiert. Der Tonumfang beträgt bei 10 Tonlöchern eine Undezime, also 17 Halbtonschritte. Die häufigste Verwendung in der alpenländischen Volksmusik findet die Okarina in G, in reinen Okarinaensemblen sind auch Instrumente in allen Tonlagen üblich – vom Piccolo- bis zum Kontrabass-Instrument.
Die Okarina in der Volksmusik
In die alpenländische Volksmusik wurde das Instrument durch den Südtiroler Franz Kofler (*1942) eingeführt. Bereits mit den 1958/59 gegründeten Rittner Buam spielte er häufig die Okarina, meist begleitet von Akkordeon und Gitarre. Anfangs wurde der Gebrauch eines typisch italienischen Instrumentes in der Volksmusikszene Südtirols sehr skeptisch betrachtet und es dauerte viele Jahre, bis die Okarina voll akzeptiert war. Spätestens seit Mitte der 1980er- Jahre verbreitete sich die Okarina in der Volksmusik Österreichs, Bayerns und Südtirols. Den Sprung in die Schweiz schaffte das Instrument hingegen nie. Nachdem der Okarinabau praktisch ausgestorben war, gibt es heute mehrere Hersteller in unseren Nachbarländern Österreich und Italien (Südtirol). Für Interessenten aus der Schweiz am besten zu erreichen ist Kurt Posch aus Braz im Vor-
arlberg. Seit 1993 baut der mittlerweile pensionierte Lokomotivführer die klassische Konzertokarina der Bauart Donati und die Weiterentwicklung davon; das Modell plus, bei dem der höchste grifftechnisch schwer zu spielende Ton entfällt und dafür ein halber Ton unter dem Grundton ergänzt wurde.
Auch Schweizer Volksmusik kann auf der Okarina gut gespielt werden. Am besten eignen sich dafür ältere Melodien, wie sie zum Beispiel in der Schweizer Volksmusik-Sammlung von Hanny Christen zu finden sind. Diese Stücke haben oftmals einen kleineren Tonumfang, der auf der Okarina verfügbar ist. Ein paar solcher Schweizer Stücke wurden bereits für eine oder zwei Okarinas eingerichtet und sie werden regelmässig zu passenden Anlässen von Marlene und Markus Brülisauer mit der 7ner Okarinamusig gespielt. Ein Notenbüchlein mit Schweizer Okarinamusik ist in Arbeit und ein entsprechender Okarina-Schnupperkurs könnte dann auch angeboten werden. Wer bereits jetzt mehr zur Thematik rund um die Okarina wissen möchte, erhält im Haus der Volksmusik in Altdorf viele weiterführende Informationen.
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