Das Wort hat Gian-Carlo Simonelli
Wer kennt das nicht. Man hört eine Formation und denkt: «Die tönen ja fast wie…?» Es gibt sehr viele Kapellen, die versuchen, bereits bestehende und gestandene Interpreten zu imitieren.
Wie sind die Begriffe «Original» und «Kopie» in diesem Zusammenhang zu verstehen? Das Original ist die Ur-Version einer Formation oder Komposition, die man wiedererkennt und zuordnen kann. Bei der Kopie hingegen versucht man – der Name ist Programm – eine musikalische Kopie zu kreieren, die der Ur-Version so nahe wie möglich kommt. Es ist zu erwähnen, dass das Kopieren über die Musik hinausgehen kann (Tenü, Accessoires, Frisur, etc.) …
Was könnten die Überlegungen sein, diesen musikalischen Weg einzuschlagen? Ich vermute, dass sich die Formationen einen gewissen Erfolg versprechen. Man eifert seinen Vorbildern nach. Man möchte dem Publikum gefallen. Oder man ist schlicht und ergreifend ein Fan des Originals. Beispiele solcher Kopiervorlagen sind die
Kapelle Carlo Brunner, die Hujässler oder verschiedene Berner Örgeli-Formationen.
Eines der wohl grössten Projekte in diesem Zusammenhang war sicherlich die im Jahre 2006 lancierte CD-Reihe mit den 100 grössten Ländlerhits. Das Motto war: «Wie das Original – nur besser» …
Meiner Meinung nach ist es als Kapelle erstrebenswert, einen eigenen musikalischen Fussabdruck zu entwickeln. Das ist für die Musizierenden selber und auch für das Publikum spannender. Natürlich müssen viele Dinge zusammenpassen, damit dies überhaupt möglich ist. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einem Glücksfall sprechen, wenn das wirklich geschafft wird. Eventuell müssen sich die Musikantinnen und Musikanten auch darüber klarwerden, was ihr Ziel ist. Ist es Erfolg (in welcher Form auch immer), dann ist die Versuchung, zu kopieren recht gross, ein nachhaltiger Erfolg jedoch eher unwahrscheinlich. Des Weiteren riskieren die Kopierenden eben doch, nur eine Light-Version des Originals zu bleiben, was wohl kaum das Ziel sein kann. Selbstverständlich sollen bestehende Kompositionen von allen gespielt werden dürfen. Aber man kann die Stücke so gestalten, dass sie eine neue Version darstellen und man so einem direkten Vergleich entgehen kann. Ueli Mooser hat in seinem Buch «Die instrumentale Volksmusik» massenhaft Ideen zusammengetragen, wie man Kompositionen gestalten könnte.
Ist es zwingend nötig, sich auf Biegen und Brechen dem Publikum anzupassen? Kann man Erfolg erzwingen? Gerät man als Kopie nicht eher in Vergessenheit (siehe Casting-Shows)? Wo bleibt das Überraschungsmoment, wo die Spannung?
Das sind Fragen, die wohl jede Musikantin und jeder Musikant letztendlich für sich und seine Formation beantworten muss.
23.11.2017
VON GIAN-CARLO SIMONELLI