13. Eidgenössisches Scheller- und Trychlertreffen
Am ersten September-Wochenende 2017 wird der Thurgau seinen absoluten Höhepunkt erleben, was das Brauchtum Schellen und Trychlen betrifft. Über 3’000 Aktive haben sich für den Grossanlass in Märstetten angemeldet. Ein Treffen mit Gleichgesinnten, an welchem Gemütlichkeit und Kameradschaft an erster Stelle stehen.
23.7.2017 | VON RUEDI ROTH
Zum 13. Mal wird das Eidgenössische Scheller- und Trychlertreffen durchgeführt. Letztmals vor 18 Jahren in Wattwil, pilgert ein Grossteil der Schweizer Treichler auch heuer wieder einmal in die Ostschweiz. Nein, als Hochburg dieses Brauchtums kann sich diese Region nicht bezeichnen. Doch der im st. gallischen Goldingen aufgewachsene Sepp Rüegg hat es zum zweiten Mal geschafft. Der im Turnus von drei Jahren durchgeführte Anlass findet nicht zuletzt dank seiner Innovation und seinem Herzblut für das Treicheln wieder in der Ostschweiz statt. Wie schon damals in Wattwil amtet der Unternehmer auch diesmal wieder als OK-Präsident des Eidgenössischen Treffens. «Die Erfahrungen von Wattwil haben natürlich positive Wirkung. Optimierungen in verschiedenen Bereichen sind für uns im OK somit schon klar und erleichtern das Planen da und dort».
Zusammen mit der Bevölkerung
Die zum Bezirk Weinfelden gehörende Gemeinde Märstetten verzeichnet 2’800 Einwohner. Gegen 10’000 Besucherinnen und Besucher zufriedenstellend bedienen zu können, bedingt somit eine optimale Zusammenarbeit der einheimischen Bevölkerung und Vereine. Deren Zusicherung bezüglich Mithilfe und Vieles mehr war natürlich schon vor der Bewerbung der Silvester-Treichler Märstetten ein Privileg, wie Sepp Rüegg betont. Entschieden über den Durchführungsort des kommenden nationalen Treffens wird aber jeweils am Sonntagabend eines «Eidgenössischen». In Meiringen seien vor drei Jahren noch Bremgarten/AG, Einsiedeln/SZ, Turtmann/VS und Märstetten zur Auswahl gestanden. «Dass wir den Zuschlag erhielten, hat wohl damit zu tun, dass dieser Anlass letztmals 1999 in der Ostschweiz stattfand. Auch wenn der Entscheid letztendlich knapp ausgefallen ist: wir haben uns extrem gefreut», konstatiert Sepp Rüegg lachend. Das Zusammenstellen des Bewerbungsdossiers habe ja schliesslich auch unzählige Fronstunden nach sich gezogen, was nun belohnt worden sei. Der Wahlausschuss zur Vergabe des nächsten Schellen- und Trychlertreffens besteht immer aus den OK-Präsidenten der sieben vorherigen Austragungsorte. Also scheidet jedes Mal ein Mitglied aus und wird durch eine frische Person ersetzt. Dieses Konzept gewährleiste Aktualität, Ausgeglichenheit und schütze vor Überalterung, erklärt Sepp Rüegg.
Mit Fokus auf Einbezug der Gesamtbevölkerung wurde das zehnköpfige OK bestellt. Nebst fünf Vereinsmitgliedern der Silvester-Treichler Märstetten wurden fünf Fachpersonen der jeweiligen Chargen involviert. Diese hätten zwar vorher keine Verbindung zu diesem Brauchtum gehabt, was sich im Laufe der Monate aber wohl geändert habe, wie Sepp Rüegg schmunzelnd hofft.
140 Gruppen
Die Vorarbeiten für ein Fest solcher Dimensionen sind immens. Das Rekrutieren und Einteilen von 400 Helferinnen und Helfern, das Planen verschiedener Aufbauten mit Integration der Kantonalen Zivilschutzorganisation oder die Bereitstellung von 2’000 Übernachtungsmöglichkeiten seien nur einige Punkte davon. «Wir konnten auf angenehme Unterstützung der öffentlichen Hand zählen, was sich letztlich auch auf die Finanzen auswirkt», zeigt sich der kommunikative OK-Präsident zufrieden. Dies habe zum Beispiel in den Bereichen Übernachtung, Bewachung und Bauten klare Vorteile erbracht. Das Traktandum Festablauf wurde aber von den in dieser Hinsicht erfahrenen Vereinsmitgliedern in die Hand genommen. Eine recht anspruchsvolle Aufgabe stellte dabei die Planung und Realisierung der beiden Umzugsrouten mit 140 mitwirkenden Gruppen dar. Es musste ausreichend Platz für die Aufstellung im Startbereich vorhanden sein. Die Sicherstellung einer optimalen Umleitung des Strassenverkehrs bedingte Abklärungen mit der Polizei. Den Zuschauern sollte Verpflegung zur Verfügung stehen, Standorte der Samariterposten geplant werden und vieles mehr. Als Bereicherung des Umzugs, an welchem gegen 10’000 Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet werden, wurden Oldtimerfahrzeuge engagiert. Den Höhepunkt des Schaulaufens bilde eine Alpabfahrt mit rund dreissig geschmückten Kühen. Selbstverständlich sind alle Tiere mit Treicheln bestückt und etliche Sennenleute geben der Herde das Geleit. «Das Wetter ist etwas vom Wichtigsten an diesem Anlass. Der Umzug ist der Höhepunkt des Treffens und dieser findet draussen statt. Aber wir sind sicher, dass es ein herrliches Herbstwochenende geben wird», zeigen sich die OK-Mitglieder zuversichtlich. Das Durchführungsdatum anfangs September wurde so festgelegt, weil dann die Älpler Zeit fänden, keine Ferien seien, und die Wetterverhältnisse passten, wie Sepp Rüegg formuliert. Die Zahl der Anmeldungen in den Kanton Thurgau halte sich im Rahmen der vorherigen Feste. Erwähnenswert ist sicherlich, dass es in der Schweiz keinen Trychler-Verband gibt. Also existiert auch kein eigentliches Regelbuch über die Kreativität oder Grösse einer Trychlergruppe. Der Wahlausschuss bildet das eigentliche Kontrollgremium und berate an zwei jährlichen Sitzungen anstehende Probleme. Laut Sepp Rüegg funktioniere dies gut und es werde daran wohl auch nichts geändert.
Ursprung des Vereins
Das Trychlen hat seinen Ursprung in der Innerschweiz und im Kanton Bern. Das Entstehen von Gruppen in anderen Landesteilen wurde fast immer von «Auswanderern» initiiert. Zum Schmunzeln regt die Entstehung der Silvester-Treichler Märstetten an. 1982 wurden die Einwohner von Märstetten zum ersten Mal am Altjahresmorgen von Treichelklängen geweckt. Initianten waren die Einheimischen Peter Gremlich, Christoph Jäggi und Albert Müller. Sie beschlossen, dem oftmals unsinnigen Treiben einiger Jugendlicher am Silvestermorgen mit dem Einführen eines Treichelumzugs ein Ende zu setzen. Allen Aufgebotenen wurde ein Joch mit zwei Glocken ausgehändigt und um vier Uhr morgens begann der Marsch durch das Dorf Märstetten. Zwei Stunden später wurde diesen Aktiven im Kirchgemeindehaus die wohlverdiente Mehlsuppe mit Wienerli ausgeschenkt.
Das Treicheln am Silvestermorgen bildet auch heute noch einen der wichtigsten Anlässe in der Agenda der Silvester-Treichler Märstetten. Momentan verfügt der Verein über 26 Aktivmitglieder. Geprobt wird acht Mal im Jahr unter der Leitung von Sepp Rüegg. «Die Gestaltung unserer Auftritte kann man schweizweit gesehen als durchschnittlich bezeichnen. Es existieren schon Gruppen, welche jeweils eine unheimlich gute Kreativshow an den Tag legen. Dies bedingt aber die ausschliessliche Aufnahme von talentierten Mitwirkenden und eine erhöhte Intensität der Probeabende», erklärt der Leiter der Märstetter Treichler den recht minimen Probeaufwand ihrerseits. Ihm und wohl auch den anderen Mitgliedern komme diese Anzahl Übungstreffen gelegen. Man sei nicht wöchentlich gefordert und so freue man sich doch jedes Mal richtig auf eine Zusammenkunft. Diese lockere Gebundenheit bilde wohl bei vielen Treichlergruppenmitgliedern, nebst dem Herzblut für dieses Brauchtum, das Hauptargument zur Mitwirkung in einer solchen Formation. Aber untätig sind die Märstetter deswegen noch lange nicht. Durchschnittlich 20 Auftritte pro Jahr bilden diesbezüglich eine ansehnliche Zahl. Geburtstage, Jubiläen, Umzüge, Schwingfeste, Hochzeiten und anderes mehr sind Auslöser für Treichelklänge im Thurgau.
Drei Thurgauer Trychlervereine
Mit den Gruppen Immenberg und Kradolf zusammen bestehen insgesamt drei Gruppen im Kanton. Da achte man auch ein wenig darauf, dass man sich nicht in die Quere komme bezüglich Engagements, was gut funktioniere, hält Sepp Rüegg fest. Die Silvester-Treichler Märstetten sind mit dem Geflügelzüchter Rüegg in allen Belangen bestens bedient. Er stellt nämlich auch einen Raum passender Grösse für die Unterbringung der zahlreichen Vereinstreicheln zur Verfügung. Dazu verfügt er mit seiner ansehnlichen Betriebswagen-Flotte auch bezüglich Transporte über ideale Hilfsmittel. Und Sepp ist nicht der Einzige aus seiner Familie. Auch Tochter Martina und Sohn Stefan sind mit viel Leidenschaft in diesem Brauchtum engagiert und unterstützen die Gruppe tatkräftig. Ein Höhepunkt ihrer gemeinsamen Karriere steht jetzt unmittelbar bevor. Wenn ein Grossteil der insgesamt 226 Schweizer Treichlervereine an das Eidgenössische Treffen in Märstetten reist und dort zwei unvergessliche, gemütliche Tage verbringen kann, dann ist dies der Verdienst von ihnen und allen Mitgliedern der Silvester-Treichler Märstetten.
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Sepp Rüegg
Geisbühl
8560 Märstetten
www.schellertrychler.ch
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