Philipp Haas
Nach zehn Jahren an der Spitze des Appenzeller Ländlerfestes verabschiedet sich Philipp Haas dieses Jahr aus dem jungen Organisationskomitee. Der Jodler, Sänger, Hackbrettler, Pianist und Hierig-Tänzer engagiert sich aber weiterhin mit grossem Elan für die facettenreiche Appenzeller Volkskultur.
25.07.2016 | VON STEFAN SCHWARZ
Als 1995 im schmucken Dorf Appenzell das 7. Eidgenössische Ländlermusikfest (mittlerweile Eidgenössisches Volksmusikfest) durchgeführt wurde, war Philipp Haas gerade mal 14 Jahre alt. Der traditionsverbundene Jüngling wohnte damals mit Eltern und Geschwistern an der Poststrasse mitten im Dorf, wo Vater Bruno Haas bis heute seinen Coiffeursalon betreibt. Philipp erinnert sich noch gut an das besondere musikalische Ambiente von damals mit unzähligen Formationen aus allen Landesteilen, die ihn mit ihrer Vielfalt faszinierten. Umso härter war es deshalb, am Samstagabend bereits um 22 Uhr ins Bett gehen zu müssen. Die Eltern hatten jedoch sehr wohl ihren Grund hierfür, denn der talentierte Musikschüler von Walter Alder gehörte zu den Auserwählten, welche zusammen mit ihrem Förderer und Vorbild beim sonntäglichen Festgottesdienst und Umzug dabei sein durften.
Vererbte Leidenschaft
Philipp Haas erzählt, dass sein Interesse an der Ländlermusik insbesondere von seinem Grossvater mütterlicherseits geweck worden sei und freut sich riesig, dass dessen alte Record-Handorgel seit kurzem in seinem Musikzimmer steht. Nachdem der Grossvater frühzeitig seinen Landwirtschaftsbetrieb in Brülisau aufgeben musste, kaufte er sich zum Zeitvertreib ein Hackbrett, auf welchem alsbald auch der kleine Philipp motiviert in die Saiten haute. Der Gang an die örtliche Musikschule war die logische Konsequenz und alsbald wurde der junge Hackbrettler von Walter Alder in dessen Schülerensemble integriert. Parallel dazu musizierte Philipp Haas im Elternhaus zusammen mit seinen beiden Geschwistern, die ihn mit Handorgel und Klavier optimal ergänzen konnten.
In jener Zeit lernte der jugendliche Musikant bei einem Tanzkurs seine spätere Ehefrau Antonia kennen. Die hübsche Grosstochter des legendären Musikanten «Horn-Sepp» (Josef Dobler) überzeugte Philipp nicht nur beim Disco-Fox, denn auch das Interesse an der einheimischen Volkskultur liess die beiden umgehend in die gleiche Richtung tanzen. Zu erster musikalischer Harmonie zwischen Philipp und Antonia kam es bei den damaligen Appenzeller-Buebe, als zwei der «Horn-Seppe-Meedle» als Aushilfe beigezogen wurden und daraus für kurze Zeit sogar eine gemeinsame Formation entstand.
Auf der Ländlerbühne
Gemeinsam mit Sepp Manser, Christian Manser und Kilian Wild (und nach dessen Austritt auch noch mit Alfred Manser) war Philipp Haas anschliessend mehrere Jahre als Hackbrettler und Pianist der Setteretal-Buebe unterwegs. Während dieser Zeit wurden er und die ganze Kapelle von Altmeister Franz Manser («Baazlis-Franz») stark gefördert. Daneben durfte Philipp neben anderen Aushilfseinsätzen dank enger Kontakte zur Familie Dobler auch im Bereich Original Appenzeller Streichmusik wertvolle Erfahrungen sammeln. Die Familienformation von Freundin Antonia hiess damals noch Goofe-Strichmusig. Heute kennt man die drei Dobler-Schwestern Pia Signer, Maria Koch und Antonia Haas als Streichmusik Alperösli Weissbad, zu der auch Albert Inauen gehört. Philipp Haas ist in dieser Formation nach wie vor ein gerngesehener Gast, doch mehrheitlich laufen die musikalischen Aktivitäten des Ehepaars bewusst unabhängig voneinander ab. Das gibt beiden einen willkommenen Ausgleich und Freiraum ausserhalb des Familienkreises und vereinfacht zudem die Betreuung der zwei gemeinsamen Kinder. Schon während der Zeit mit den Setteretal-Buebe war Philipp Haas regelmässig als Klavierbegleiter mit dem Handorgelduo Inauen-Fässler auf der Piste. Als diese Formation aufgelöst wurde und sich Roman Fässler neu mit Frowin Neff zusammentat, wurde Philipp Haas zum festen Mitglied dieser Formation. Anfänglich sorgte Kilian Wild bei den drei bis vier jährlichen Engagements für das Fundament am Bass. Seit rund zwei Jahren hat nun der Innerschweizer Carlo Gwerder diese Funktion inne. Das Handorgelduo Frowin & Roman baut bei seinen Auftritten auf die grosse Routine aller vier Musikanten und trifft sich demzufolge meist direkt auf der Bühne zum gemeinsamen Musizieren. Nur ganz selten – zum Beispiel vor Radio- oder TV-Aufnahmen – wird das Zusammenspiel an einer kurzen Probe miteinander abgesprochen und verfeinert. Das Repertoire setzt sich vorwiegend aus Tänzen im urchigen Innerschweizer Stil zusammen und beinhaltet unter anderem auch zahlreiche Kompositionen der Toggenburgerbuebe Walter Betschart und Tony Nauer oder des legendären Ernst Müller.
In sängerischer Mission
Ein wesentlicher Bestandteil der klingenden Appenzeller Traditionen ist der Gesang, welcher als Bereicherung des instrumentalen Spiels selbst in Ländlerkapellen oftmals gepflegt wird. Auch im Ausgang mit Gleichgesinnten erklingt in gemütlicher Runde immer mal wieder ein Rugguseli und so lernte Philipp Haas diese typische Innerrhoder Art des Naturjodels bereits in jungen Jahren kennen. Seine Kollegen merkten bald, dass Philipp über ein sehr gutes Musikgehör verfügt und problemlos im Stegreif eine dritte Stimme singen kann. Sie motivierten ihn zur Mitwirkung in einer Neujahrssängergruppe, die den überlieferten und lange Zeit fast verstummten Innerrhoder Brauch weiterführt.
In diesem Zusammenhang kam Philipp Haas vor rund 14 Jahren mit Sängern des Doppelquartetts Pfiifestier in Kontakt, die seit 1999 mit Herzblut die einheimische Gesangstradition pflegen. Bald stand der Sänger und Musikant selber in der Reihe und als vor zehn Jahren der Posten als Dirigent vakant wurde, übernahm Philipp auch diese Herausforderung. Sein musikalischer Rucksack als Hackbrettler und Pianist mit gutem Gehör und harmonischem Verständnis vereinfachte die Arbeit, und bei einem Dirigentenkurs des Nordostschweizerischen Jodlerverbandes (NOSJV) konnte er insbesondere auch im theoretischen Bereich wertvolles zusätzliches Wissen erlangen. Traditionelle Rugguseli werden auch hier nach Gehör intoniert, während Jodellieder anhand von Partituren erarbeitet werden. Dirigent Philipp Haas schätzt sich sehr glücklich, dass sämtliche Sänger des Doppelquartetts Pfiifestier ihr Fach jodeltechnisch im Griff haben und er bei den wöchentlichen Proben in diesem Bereich nur wenig eingreifen muss.
Im OK und auf der Tanzbühne
Philipp Haas ist nicht nur als Musikant und Jodler ein engagierter Mensch. Bereits im Alter von 17 Jahren liess er sich ins OK Appenzeller Ländlerfest holen, wo er alsbald das Amt des Präsidenten übernahm. Zusammen mit einer motivierten jungen Truppe und mit Unterstützung der ganzen Bevölkerung durfte er im schmucken Dorf Appenzell jährlich ein unvergleichliches Fest auf die Beine stellen, welches für viele Ländlermusikfreunde aus der ganzen Schweiz zu den Höhepunkten des Jahres gehört. «Isch gsponne schö, wennd bime sotige Fescht dafsch z vodescht stoh», sinniert Philipp Haas mit lachendem und tränendem Auge, denn das 20. Appenzeller Ländlerfest vom 5. bis 7. August 2016 wird zugleich auch sein letztes als aktiver Mitorganisator sein. Der 35-jährige Familienvater kann sein Amt jedoch getrost abgeben, denn die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern, um das Appenzeller Ländlerfest mit jugendlichem Elan in die Zukunft zu führen. Und genau das war neben der vielfältigen Musikauswahl ja auch eines der ganz grossen Erfolgsrezepte des Appenzeller Ländlerfestes in den vergangenen 20 Jahren.
Mit dem Austritt aus dem OK schafft sich Philipp Haas etwas mehr persönliche Freiräume, die er vorab mit seiner jungen Familie nutzen will. Und die Voraussetzungen sind ja gegeben, dass im schmucken und reich mit Instrumenten ausgestatteten Musikzimmer schon bald eine Familienformation heranwachsen wird. Solange dies nur ein insgeheimer Wunsch ist, begeben sich Antonia und Philipp Haas wie früher gerne zusammen aufs Tanzparkett. Dabei wird zu passenden Gelegenheiten ab und zu der überlieferte Hierig-Tanz aufgeführt, der auf pantomimische Art den Verlauf der Liebe darstellt. Er beginnt mit der neckischen Annäherung, steigert sich in ein tänzerisches Geturtel, welches zu einem Streit mit Abgrenzung führt. Zum Schluss nähern sich Mann und Frau wieder an und umwerben sich erneut, bis es im Walzer zur Versöhnung und zum erlösenden Kuss kommt.
CDs mit Philipp Haas
Philipp Haas
Herkunft
Aufgewachsen im Dorf Appenzell und wohnhaft in Appenzell Eggerstanden
Zivilstand, Familie
Seit 2007 verheiratet mit Antonia und Vater der zwei Kinder Jan (6) und Anina (4).
Beruf
Der gelernte Elektromonteur machte eine Weiterbildung zum Versicherungsfachmann und arbeitet heute bei einem grossen Versicherungsbroker in St. Gallen.
Volkskulturelles Engagement in Kürze
Nach ersten Schritten auf der Blockflöte holte sich der Hackbrettler und Pianist sein musikalisches Rüstzeug bei Walter Alder und spielte später viele Jahre bei den Setteretal-Buebe. Heute ist er Pianist beim Handorgelduo Frowin & Roman sowie regelmässig als Aushilfsmusiker bei verschiedenen Formationen sowie mit «Hackbrett im Trio» unterwegs. Seit 17 Jahren engagiert sich Philipp Haas im OK Appenzeller Ländlerfest (wovon 10 Jahre als Präsident) und seit gut 10 Jahren leitet er das Doppelquartett Pfiifestier. Zusammen mit Ehefrau Antonia pflegt er zudem die Tradition des Hierig-Tanzes.
Andere Hobbys
Skifahren, Wandern und andere Aktivitäten mit der Familie sowie Aufgaben im Kirchenrat Eggerstanden.
Persönlich
Mein Sternzeichen
Ich bin ein Zwilling und habe quasi zwei Seiten. Neben dem seriösen Familien-vater, Berufsmann und OK-Präsidenten kann ich als Jodler und Musikant in geselliger Runde durchaus auch ein unbeschwerter und spontaner Haudegen sein.
Mein Charakter
Ich habe stets einen gewissen Anspruch auf Perfektion und kann problemlos vor Leuten stehen und ihnen in lockerer Art meine Botschaft überbringen. Als Schwäche sehe ich die Tatsache, dass ich Kritik oft zu persönlich nehme und vielfach etwas ungeduldig bin.
Meine Heimat
Das Wort Heimat steht für mich im Einklang mit unseren vielfältigen Traditionen sowie der prächtigen Natur im Alpsteingebiet. Heimatliche Gefühle spüre ich auch in anderen Regionen, wo der Schlag der Leute ähnlich ist, zum Beispiel in der Innerschweiz oder auch im Allgäu.
Meine Tiere
Haustiere sind für uns kein Thema. Viel lieber treffe ich in freier Wildbahn zum Beispiel auf Rehe, Gemsen, Hirsche oder Steinböcke. Tiere im Zusammenhang mit unserem Brauchtum des «Öberefahre» haben auch einen hohen Stellenwert.
Meine Sportaktivitäten
Mich trifft man heute bis zu dreimal pro Woche im Fitnesscenter und zudem betätige ich mich zusammen mit meiner Familie an den Wochenenden gerne in vielfältiger Art und Weise in freier Natur. Medial verfolgt unsere ganze Familie gerne den Skisport.
Mein Spieltrieb
Mit grosser Freude spielen wir im Umfeld unserer Familie regelmässig verschiedene Gesellschaftsspiele. Zu gegebener Zeit könnte ich mir gelegentlich auch eine gesellige Jassrunde mit drei Kollegen gut vorstellen.
Digitale Welt
Die verschiedenen digitalen Möglichkeiten der heutigen Zeit nutze ich beruflich und privat gerne in gesundem Mass und ich bin in diesem Bereich jeweils gerne auf dem aktuellen technischen Stand.
Meine Zukunft
Mein Wunsch für die Zukunft ist in erster Linie die Gesundheit und das gemeinsame Wohlergehen innerhalb der eigenen Familie. Und weil die Freude am einheimischen Brauchtum bei uns allen sehr gross ist, hoffe ich, irgendwann mit einer eigenen Familienformation auf der Bühne stehen zu dürfen.
Kontakt
Philipp Haas
Alte Sägestrasse 1
9050 Appenzell Eggerstanden
Telefon 071 780 11 32
www.pfiifestier.ch
www.laendlerfest.ch
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