Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch
Quartette wie die Schmid-Buebe läuteten in den 1970er Jahren den Örgeliboom im Bernbiet ein, dem eine Welle durch die ganze Schweiz folgte. Der Musikstil der jungen Berner gefiel weitherum, und auch im nahen Umfeld gab es Musikanten, welche von dieser neuen Bernermusik begeistert waren. So auch Niklaus Zürcher und seine Kollegen, die sich vor 30 Jahren zum Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch formierten.
Das Räbloch ist ein relativ kurzer Abschnitt der Emmenschlucht zwischen den Gemeinden Schangnau und Eggiwil. Treu dem Satz «In der Kürze liegt die Würze» ist der schmale Durchgang im Nagelfluh-Felsen aber eine spektakuläre Naturerscheinung. Die Schlucht selber kann man nicht durch einen Wanderweg begehen. In ruhigen Zeiten kann man sie jedoch durchschwimmen oder mit dem Kanu befahren. Zur Zeit ist sie durch die Unwetterfolgen im Emmental vor zwei Jahren verstopft und deshalb sehr gefährlich. Über das Räbloch führt eine Naturbrücke, die ihren Ursprung in einem seitlichen Abspalten und Abrutschen eines Nagelfluhpaketes hat, welches schliesslich zwischen beiden Schluchtwänden eingeklemmt wurde. Die Tatsache, dass das Räbloch an der Verbindung zwischen Schangnau und dem übrigen Emmental liegt, hat einer Ländlerformation den Namen gegeben. Es waren nämlich zwei Schangnauer, eine Eggiwilerin und ein Truber, die vor 30 Jahren das Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch gründeten.
Junge Musikanten
Niklaus «Chlöisu» Zürcher aus Trub hatte im Bubenalter Schwyzerörgeliunterricht bei Hanspeter Zaugg, welchen man von den Älplerfründe Eggiwil her kannte. Er spielte für sich und bei Gelegenheiten mit Kollegen zusammen. So beispielsweise auch mit Daniel Wüthrich, einem Kollegen aus dem Bauernlehrjahr. «Damals kannte man bei uns noch das Runden», erklärt Chöisu. Die jungen Burschen besuchten so spätnachts die Mädchen, von welchen sie zumindest einen Kaffee erhofften. «Dazu habe ich das Örgeli halt auch ‹nachegschleepft!›» Obwohl Chlöisu nicht fix in einer Kapelle spielte, wurde er 1985 für einen kurzen Auftritt im Roseggli Bumbach verpflichtet. Mit zwei Kollegen aus seinem Umfeld trat er das «Gaschi» an. Der zufällig im Publikum anwesende Heinz Schütz – später Wirt und Ländlermusikförderer im Restaurant Thurm in Signau – wirtete damals noch im Tannenbad im Emmentaler Dorf Weier, wo er für eine bevorstehende Metzgete noch eine Kapelle suchte. Ohne grosses Überlegen sagten die jungen Leute zu, wobei ihnen erst etwas später bewusst wurde, dass sie ja noch kaum genügend Repertoire dazu hatten! Auch war der Posten an der Bassgeige noch nicht besetzt. Voller Eifer aber begannen die beiden Schangnauer Daniel Wüthrich und Walter Bieri mit Chlöisu zu üben, und mit Anna-Käthy Strahm aus Eggiwil fanden sie die passende Bassistin.
Als richtige Stegreifler war es ihnen möglich, innert kurzer Zeit die Stücke, die jeder schon intus hatte, zu Kapellenvorträgen zu schmieden und so konnten sie ihr erstes Engagement als Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch antreten. Chlöisu erinnert sich: «Wir waren schon richtig vergiftet. Die Örgelimusik war unser Ein und Alles!» Schon in seinem Elternhaus in Trub hörte man mehr oder weniger ausschliesslich Ländlermusik, und da noch kein Fernsehapparat vorhanden war, hatte das Musizieren einen hohen Stellenwert. «Das Wunschkonzert am Montagabend war jeweils das Highlight der Woche», lacht Chlöisu heute. Wenn dann jeweils seine Lieblingsmusik, der damals neu aufgekommene Berner Örgelistil von Interpreten wie Schmid-Buebe, Kappeler-Gasser oder etwas später auch Stockhorn erklang, war Chlöisu im siebten Himmel. Noch heute pflegt das Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch genau diesen Musizierstil; wobei auch noch andere Richtungen wie die Musik der Mosibuebe oder der Hess-Buebe im Repertoire Einzug gehalten haben. Damals waren im Emmental Bläserkapellen wie die Älplerfründe Eggiwil, Ländlerquartett Ilfis oder Bärgröseli Schangnau sehr aktiv, wodurch sich jedoch die Formationen mit reiner Schwyzerörgelibesetzung abheben konnten. Auch in der Schwyzerörgeliszene selber gab es aber neue Richtungen. So zum Beispiel jene der Ländlerbuebe Biel, die bereits einen moderneren Touch und Stücke in Richtung Schlager spielten. Und natürlich hatten auch diese ihre Jünger. Chlöisus Formation aber ist dem älteren Stil treu geblieben, der sich durch transparente Stimmführung und zweite Stimme – ergänzt durch eine rassige, harmonisch ausgewogene Begleitung und passende Bassbegleitung – auszeichnet. Damals galt ja schon ein «Walkingbass» im Foxtrott als sehr modern! Waren es zwischenzeitlich andere Örgeliformationen, die an den Jodlerabenden, Ländlertreffen und privaten Festivitäten für Furore sorgten, so ist heute eher wieder ein Trend zurück zur guten alten Örgelimusik der 1980er-Jahre, und somit eben auch der Musik des Schwyzerörgeli-Quartetts Räbloch, festzustellen. «Zu unserer Musik wird eben auch noch getanzt», freuen sich die Räblöchler. Und genau das ist es, was die Veranstalter brauchen können.
Die Tanzfreudigkeit ist aber nur eine der Veränderungen, die in der Musikwelt grossen Einfluss hat. Früher dauerten die Anlässe zwei bis drei Stunden länger, denn die Leute wollten nach dem offiziellen Programm nicht gleich nach Hause. Das hat wohl auch einen Zusammenhang mit dem Rauchverbot, das die Leute immer wieder vor die Türe jagt und so einen Stimmungsaufbau im Saal fast verunmöglicht. Ein weiterer Faktor dürfte die Promillegrenze sein, sind doch heute die meisten Festbesucher mit dem eigenen Auto unterwegs. Und schliesslich kommt noch die Tatsache hinzu, dass schon junge Leute Autos haben und deshalb noch spät nachts auch weitere Strecken in die Städte und andere Vergnügungsorte zurücklegen können. Dadurch sind viele Säle und Restaurants eingegangen, in denen früher volkstümliche Feste stattfinden konnten. Ein weiterer Effekt daraus ist das mangelnde Interesse der Musikanten, ihre Kollegen zu besuchen und ihnen zuzuhören. «Der Zusammenhalt, der uns in früheren Jahren motivierte, ist heute kaum mehr vorhanden», bedauert Chlöisu Zürcher. Und auch die einst zahlreichen Ländlertreffen finden nicht mehr statt.
Erfolge und Personalwechsel
Das Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch erfreute sich von Anfang an grosser Beliebtheit. Dieser Erfolg schlug sich auch in tollen Engagements nieder. Als Höhepunkte in der Geschichte bezeichnet der Kapellmeister die Skiwochen in Grindelwald, eine Mittelmeer-Kreuzfahrt im Jahr 2007 oder die Einladung zum Ländlertreffen in Felsberg. «Jeder Auftritt war und ist für uns aber auch ein Höhepunkt, so ganz besonders die vielen Unterhaltungsabende der Vereine in unserem Umfeld». Aber auch die Discographie lässt sich sehen: 1993 erschien die erste CD unter dem bezeichnenden Titel «Im Schuss», im Jahr 2000 erschien die Produktion «15 Jahre Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch». Dann folgten drei Gastspiele bei Produktionen von anderen Formationen: Jodlerklub Blapbach (2001), Jodlerklub Reutenen Zäziwil (2005) und Mondschyn-Quartett Bowil (2013). Im letzten Jahr erschien ein Tonträger zum 30-jährigen Bestehen. Auch bei diesem 18 Titel umfassenden Programm ist die Formation ihrer Musik treu geblieben. Fünf Titel stammen von Niklaus Zürcher selber, die anderen von einschlägigen Komponisten wie Daniel Kissling, Gody Schmid, Seppi Hess oder Ernst Grossenbacher.
Zum guten Erfolg gehören viele Auftritte. Dass das Quartett pro Woche zwei Mal ausrücken musste, war keine Seltenheit. Mit fortschreitendem Alter, mit den sich veränderten Pflichten in Beruf und Familie und vielleicht auch wegen gewissen Abnützungserscheinungen kam es auch in dieser Kapelle zu Personalwechseln. Zunächst war es 1989 die Bassistin Anna-Käthy Strahm, die aus der Formation austrat und durch Jakob Siegenthaler ersetzt wurde. Zwei Jahre später wollten auch Daniel Wüthrich und Walter Bieri andere Wege gehen. In jener Zeit gab es auf dem Blapbach jeweils an Ostern bereits ein quasi privates Örgelertreffen. Hierdurch pflegten die Musikanten untereinander einen guten Kontakt, und so konnten Chlöisu und Köbu mit Hanspeter Inniger und Werner Ramseier zwei versierte und bestens in die Formation passende Kollegen finden. Schliesslich musste auch der Bassgeiger nochmals ausgewechselt werden. Markus Zaugg legte dafür quasi einen Kaltstart hin, musste er sich doch das Spiel auf der Bassgeige zunächst aneignen! Das Weiterbestehen des Schwyzerörgeli-Quartetts Räbloch war somit gesichert, und so konnten die vier Musikanten nahtlos an die bisherigen Erfolge anschliessen.
Unermüdlich …
Auch nach 30 Jahren ist Chlöisu Zürcher als einziger verbliebener Ur-Räblöchler ein unermüdlicher Örgeler. Die Örgelimusik ist neben seiner Familie nach wie vor sein zentrales Interesse. Dass die Formation nun bereits drei Jahrzehnte besteht, ist sicher seiner Begeisterung, aber wesentlich auch den Mitspielern zu verdanken. Neben den heute noch wöchentlichen Auftritten proben die Vier regelmässig. Auch das ist ein Indiz für den freundschaftlichen Umgang in der Formation. Zum längjährigen Bestehen hat auch das Repertoire beigetragen. «Mit unserer Musik wollten wir immer zuerst unterhalten und nicht imponieren. Deshalb spielen wir lieber Stücke, die dem ‹Chlapf nache› gehen und die unser Publikum versteht.» So ist denn das Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch auch viel lieber bei Tanzanlässen zu hören, als an Konzertabenden. Ein Rezept, das sich in der urwüchsigen Art der Emmentaler bewährt hat: Einfach, währschaft, volkstümlich, gut!
Die Räbloch-Musikanten
Niklaus Zürcher
Der am 12. Juni 1967 geborene Chauffeur wohnt mit seiner Familie in Bowil. Alte Landmaschinen und den Wald bezeichnet der gelernte Landwirt als seine Hobbys. Der Mitbegründer der Formation spielt seit 1980 Schwyzerörgeli.
Hanspeter Inniger
Der in Langnau lebende Dachdecker wurde am 20. September 1962 geboren. Er betreibt ein eigenes Dachdeckergeschäft und bezeichnet das Biken sowie die Liebe zum Schweizer Rotwein als seine Leidenschaften. Er ist seit 1991 als Örgeler beim Schwyzerörgeli-Quartett Räbloch mit von der Partie.
Werner Ramseier
Der am 19. Juli 1970 geborene Landwirt und Dachdecker wohnt in Bowil. Ganz speziell mag er die Musik von Gody Schmid. Ausserdem geht er sehr gerne Skifahren. Schwyzerörgeli spielt Werner seit 1985.
Markus Zaugg
Ein weiterer Bowiler ist der am 6. Juli 1968 geborene Betriebsmechaniker und Chauffeur, der neben Musik auch das Hornussen zu seinen Hobbys zählt. Die Bassgeige spielt er seit 1998.
Aktuelle CD
24.01.2016