Ein Geheimtipp
Selten wird man aufgefordert, sich auf den Holzweg zu begeben. Im solothurnischen Balsthal jedoch tut man dies mit Recht. Demjenigen, der sich darauf einlässt, öffnet sich eine wundersame und ungewöhnliche Welt im Wald. Ein kleines Abenteuer für jedermann.
23.07.2017 | VON MARIE-ISABELLE BILL
FOTOS: CHRISTIAN TSCHUI, BENEDIKT FLURY, SAMMY DEICHMANN, ANDREAS MUMENTHALER
Wer bei Oensingen die Autobahn verlässt, durch die enge Klus Richtung Norden fährt, der will meist ins Baselbiet oder das Schwarzbubenland. Er fährt vorbei am grossen, stillgelegten Werk der Von Roll AG, einem Stück Schweizer Unternehmensgeschichte, an der Burg Alt Falkenstein und gelangt nach wenigen Kilometern nach Balsthal. Hier öffnet sich das Tal und wird zum Thal, einem Bezirk des Kantons Solothurn. Diesmal jedoch fährt er nicht einfach weiter über die Pässe Hauenstein und Passwang. Denn hier, «hinter dem Berg», wie viele Solothurner zu sagen pflegen, findet sich ein Geheimtipp. Seit sieben Jahren bilden neun Gemeinden zusammen den Naturpark Thal, einer der neunzehn Schweizer Pärken von nationaler Bedeutung. In dieser aussergewöhnlichen Region stehen Mensch und Natur im Einklang, verbinden sich lebendige Traditionen mit einer wunderschönen Landschaft. Eingebettet in die Gebirgszüge des Solothurner Jura, zwischen Weissenstein und Wasserfallen, findet der Besucher sanfte Hügel, saftige Wiesen, erlebnisreiche Wanderwege, feine Restaurants und gemütliche Beizen, Burgen, Ruinen, unkonventionelle Museen und – den Holzweg Thal.
Sammy Deichmann ist die künstlerische Triebfeder des Holzweges Thal und der, der das Konzept im Auftrag des Firmenverbundes Holzhandwerk Thal entwarf. Dieser brachte Bewohner, Vereine, Unternehmen und Gemeinden dazu, begeistert und mit Leidenschaft mitzumachen und die Idee auch mit Geld zu unterstützen. Besucher sollten hierhin finden und im Thal verweilen. Er selber hat 2008 auch ins Thal gefunden und ist hier zuhause: Sammy Deichmann, in Düsseldorf geboren, ist gelernter Fotograf und studierte später Werbung. Dem Holz ist der Sechzigjährige schon seit Kindheit verbunden: Der Vater war Schreiner, mit seinem Bruder zusammen führte er während des Studiums ein kleines Möbelunternehmen. «Wir verscherbelten von uns entworfene und produzierte Möbel.» Später wurde er Messe- und Ausstellungsberater, führte Design-Teams, war in Firmen mit Büros in München und New York beschäftigt, nirgendwo daheim. Seine Frau ist in Aedermannsdorf aufgewachsen. Die beiden haben sich ein Haus gebaut und er hat sein Atelier im Nachbardorf. «Ich will hier nicht mehr weg – ich bin angekommen», meint er.
Von der Idee zum Themenweg
«Visitors» – also Besucher – heissen seine grossen, schlanken Holzskulpturen. Fremd wirken sie auf den ersten Blick. Man begegnet ihnen immer wieder an völlig unerwarteten Orten. Und doch hat der Besucher plötzlich den Eindruck, dass sie hier hingehören. «Ich bin auch ein Fremder – wie die Jungs, die nicht hierhin gehören. Aber dann gewinnen die Einheimischen sie doch lieb. Und das soll auch mit den Installationen auf dem Holzweg Thal geschehen.» Vor fünf Jahren wollte ein Gastronom und Hotelier seinen Seminargästen auch touristisch etwas bieten. Gleichzeitig hatten die Holzhandwerksbetriebe der Region die Idee, mit Holzinstallationen das Interesse an Berufen für ihre Branche zu wecken. Es wurde ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Sammy Deichmann nahm teil und schrieb gleich ein Konzept mit mehreren Varianten. Die Initianten waren begeistert und wollten sofort loslegen. Da kam glücklicherweise die Professionalität Deichmanns zum Tragen und aus einer Idee eines blossen Themenweges wurde das Konzept «Auf dem Holzweg». Ein Trägerverein wurde gegründet und ein Budget erstellt. Man holte sich die Unterstützung von Touristikfachleuten, es musste ein attraktiverer Standort gefunden und schlussendlich auch noch eine Baugenehmigung eingeholt werden. Die Krux lag dann noch bei den betroffenen Landbesitzern: «Ich hatte mich auf die Suche nach dem idealen Standort gemacht, ohne mich darum zu kümmern, wem welches Land gehörte. Wir Deutschen dürfen ja etwas frech sein», schmunzelt Deichmann. Er habe das Projekt visualisiert und erst im nächsten Schritt wurden die Grundbesitzer angefragt. Da sei man schon auf einige Widerstände gestossen und habe Anpassungen vornehmen müssen. Trotzdem, im Mai 2013 kam es zum offiziellen Startschuss für das Sponsoring. Das Projekt Holzweg Thal begeisterte und der Erfolg war überwältigend. Ziemlich rasch kam das Geld zusammen, auch von betroffenen Landbesitzern. Jetzt konnte man loslegen. Bis zur Eröffnung 2015 dauerte es noch. Deichmann entwarf rund 20 Installationen für den Wald. Die Skulpturen hat er selber gestaltet; die Holzhandwerker führten für die restlichen Installationen die Arbeiten nach seinen Plänen aus.
Voller Begeisterung
«Der Holzweg Thal ist kein Lehrpfad – wer ihn begeht, muss was tun, entdecken, sich freuen. Und nicht alles hat nur mit Holz zu tun.» Dem Künstler ist die Freude am gelungenen Werk anzumerken. Und Überraschungen gibt es: Da spaziert man über wirkliche Holzstege, flaniert unter federleichten Holzwolken hindurch und amüsiert sich über einen unendlich langen, gelben Tatzelwurm. Immer wieder kommt etwas Unerwartetes, Humorvolles, Verwirrendes und Erhellendes. Also, ab in die Natur, auf die Holzwege und nicht erstaunt sein, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. Aber am Ende findet sich immer irgendwo eine Überraschung, etwas das man nicht erwartet. Der Besucher schreitet durch rote Zen-Tore, findet ein Schiff, erlebt am Körper den Klang des Holzes, bewundert auf dem historischen Römerweg Holzkugeln. Kleine und grosse Kinder erfreuen sich an Wald und Bach, am Holz, am Erleben. Die Burgruine Neu Falkenstein gehört genauso dazu, wie viele Feuerstellen, an denen sich verweilen lässt. Nicht nur Familien mit Kindern können hier zwei Stunden oder einen ganzen Tag verbringen. Das Projekt ist auch ausgelegt für Schulklassen und Gruppen. Der Weg ist rund sieben Kilometer lang, teilweise auch rollstuhl- und kinderwagentauglich. Praktisch: Wer mag, kann auch nur ein zwei oder drei Kilometer langes Stück begehen.
Das Schönste seien die Geschichten, die auf und mit dem Holzweg Thal entstehen, meint Deichmann. Eltern, die erzählten, dass ihre Kinder noch nie so gerne und so viel durch den Wald gelaufen seien. Menschen, die über die schönsten Erlebnisse erzählen würden und Landbesitzer, die sich gewandelt hätten. Für zehn Jahre ist der Weg konzipiert und bewilligt. Freiwillige Senioren betreuen den Holzweg und viele beteiligen sich am Unterhalt. So hat eine Idee ein Tal begeistert und mitgerissen. Und so soll der Weg noch viele Menschen erfreuen und bereichern. Wie erzählt Sammy Deichmann von der Wolke, welche über eine Tonne wiegt? «Sie ist trotzdem federleicht – und als sie da in den Bäumen hing, da wusste ich: Lass sie fliegen!»
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Holzweg Thal, Geschäftsstelle
Naturpark Thal
Hölzlistrasse 57
4710 Balsthal
www.holzwegthal.ch
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