In Erinnerung an Uli Hartmann
Der Klarinettist und Schwyzerörgeler Uli Hartmann senior war während seines kurzen Lebens stark mit der Prättigauer Gemeinde Furna verbunden. Nun veröffentlicht das Haus der Volksmusik in Zusammenarbeit mit dem Mülirad-Verlag 33 Melodien aus den alten Notenbüchlein des Musikanten.
23.05.2018 | VON HAUS DER VOLKSMUSIK
Der jüngste Sohn von Uli Hartmann (1923-1953) hütete den Nachlass seines Vaters bisher gut. Es handelt sich dabei um Tondokumente auf fünf Revox-Tonbändern sowie diverse Notenbüchlein. Einzelne Tänze aus den Notenbüchlein von Uli Hartmann senior wurden von seinen beiden Söhnen für den Eigenbedarf zwar neu notiert und gespielt, aber nie veröffentlicht. Nun haben sich die beiden Musikanten und Autoren, Uli Hartmann junior und Tristan Gremper, dem Nachlass angenommen und unter dem Titel «Tänze aus Furna» 33 einstimmige Kompositionen mit Akkordangaben sowie einem ausführlichen und interessanten Komponistenporträt in einem Notenband festgehalten. Dieser wurde der Öffentlichkeit am 19. Mai vom Haus der Volksmusik anlässlich des Volksmusikfestivals Altorf erstmals präsentiert.
Für die Lebensgeschichte von Uli Hartmann standen den Autoren verschiedene Familiendokumente, beispielsweise das Familienbüchlein, das Dienstbüchlein, Wahlurkunden und Zeugnisse, Zeitungsberichte und Abdankungsreden aus dem Jahr 1954 sowie ein Tagebuch seiner Frau Menga Hartmann-Bärtsch zur Verfügung. Aufgrund der wenigen aber aussagekräftigen Informationen und Hinweise wurde es möglich, eine zutreffende Lebenserinnerung an Uli Hartmann senior und seine Familie zu verfassen.
Kurzes Leben mit grossem sozialen Engagement
Uli Hartmann senior, Sohn von Fridolin und Alice Hartmann, kam am 30. April 1923 in Schaffhausen zur Welt. Er absolvierte die Zürcher Volksschule und danach am Lehrerseminar im zürcherischen Küsnacht eine Ausbildung zum Primarlehrer. Der junge Schulmeister begann seine erste Anstellung in der kleinen Walser-Siedlung Furna im Kanton Graubünden. Dieser Ort war Uli nicht unbekannt, verweilte doch die Familie Hartmann oft in ihrem Ferienhaus in Furna. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Ehefrau Menga Bärtsch (1931-2014) kennen. Nach knapp vier Jahren als Lehrer der 1. bis 4. Klasse in Furna zog es Uli Hartmann im Frühling 1949 nochmals zurück ins Züribiet. Immer wieder kam nämlich sein Wunsch zum Ausdruck, ein Heim- oder Anstaltsvater zu werden, um dem Ideal, das ihm vorschwebte, noch besser zu dienen. Er wünschte sich, bei der Erziehung der Ärmsten der Armen, der Waisen und der Gefährdeten, mitwirken zu dürfen. Sein soziales Engagement ging so weit, dass er in Gattikon nebst seinem Beruf als Lehrer einen Schülerhort errichtete, wo er zusammen mit seiner Frau Menga nach Schulschluss Aufgabenhilfe erteilte und jungen Menschen zur Seite stand.
Als sich dann im Prättigau eine ähnliche Möglichkeit auftat, glaubte er, entgegen den Vorstellungen seiner Thalwiler Freunde diesem inneren Ruf Folge leisten zu müssen. So verliess er den Zürcher Schuldienst auf Ende Juli 1953 von vielen guten Wünschen begleitet, um mit seiner Gattin Menga die Leitung des Kinderheimes Sandegga in Pany zu übernehmen. Die junge Familie erwartete nicht nur eitel Freude und Sonnenschein, denn das Projekt bedeutete für die Hartmanns nebst beruflicher Veränderung auch eine finanzielle Herausforderung.
Es wird vermutet, dass Uli in dieser Zeit an der Bang’schen Krankheit (Brucellose oder Maltafieber) erkrankte, einer schleichenden, heimtückischen bakteriellen Erkrankung, die damals durch die Aufnahme von infizierten Nahrungsmitteln (rohe Milch) oder direkten Kontakt mit kranken Tieren in der Schweiz noch öfter aufgetreten ist. Am 30. November 1953 wurde Uli Hartmann mit der Diagnose Milzvergrösserung ins Spital nach Lausanne überwiesen. Den für diese Zeit komplizierten medizinischen Eingriff überlebte er leider nicht und er verstarb völlig unerwartet mitten im Leben im Alter von nur 30 Jahren. Er hinterliess zwei kleine Kinder und den noch ungeborenen Uli Hartmann junior.
Musikalischer Werdegang
Uli Hartmanns erste Begegnung mit einem Musikinstrument muss in Furna in den Ferien stattgefunden haben. Später am Lehrerseminar erlernte er Klavier und damit die Grundbegriffe der allgemeinen Musiklehre. Als Lehrer in Gattikon hatte er zudem Kontakt mit dem Organisten Hans Vollenweider (1918-1993), der später Organist am Grossmünster in Zürich geworden ist. Bei diesem grossen Schweizer Organisten genoss Uli Hartmann etliche Stunden Musikunterricht zum Erlernen des Orgelspiels. Auch den begnadeten Musikanten Gerold Merker lernte Uli Hartmann in Gattikon kennen. «Goldi» war ein Jugendfreund von Thomas Marthaler, mit dem dieser im Jahr 1947 seine ersten Schellackplatten bespielte. Merker wanderte 1948 nach Amerika aus und wurde dort sesshaft. Er kam aber weiterhin regelmässig zu Besuch in die Schweiz und wurde später Götti von Uli junior.
Bis zu seinem Tod spielte Uli Hartmann auf dem Schwyzerörgeli und auf der Klarinette. Die Fertigkeit auf diesen Instrumenten eignete er sich als Autodidakt selber an. In jener Zeit suchte Uli auch den Kontakt zum Furner-Musikanten Luzi Flury (1897-1979), welcher damals oft zu Besuch im Ferienhaus der Hartmanns war. Luzi war begeistert von den Schellackplatten von Kasi Geisser, die sich auch rein mechanisch via Schalldose – also ohne elektrische Verstärkung – abspielen liessen. Dies war nicht unwesentlich, da es damals in Furna noch keinen Strom gab! Uli seinerzeit war interessiert an den von Luzi Flury gespielten Tänzen. So kamen beide auf ihre Kosten: Der eine erlernte die Tänze von Kasi Geisser ab Plattenspieler und der andere tradierte nach und nach die Tänze von Luzi Flury in sein Notenbüchlein.
Tonaufnahmen
Nur kurze Zeit vor seiner Erkrankung ging am 8. November 1953 Ulis lang ersehnter Wunsch in Erfüllung: Er realisierte erste Tonaufnahmen mit seiner eigenen Ländlerkapelle «Prättigauer Volksmusik». Mitwirkende dieser Formation waren Simon Flury (1939, ein Schüler von Uli) an der Klarinette, Luzi Fausch (1922-2013) am Schwyzerörgeli und Joos Erhard (1927) am Kontrabass. Uli Hartmann machte zuvor auch in an-
deren Besetzungen verschiedene Revox-Tonbandaufnahmen und hielt zudem viele der damals in der Region Prättigau gespielten Tänze auch in Notenform fest. Auf einigen der alten Originalaufnahmen sind zu den Tänzen auch gesprochene Kommentare von Uli Hartmann und von Goldi Merker zu hören, welche Hinweise zur Herkunft der Stücke beinhalten. Diese Dokumente sind heute im Besitz von Uli Hartmann junior sowie des Kulturarchives in Arosa-Schanfigg.
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