Trachtengruppe Bärglüt am Morgarte, Sattel
Das Wort Tracht beinhaltet grundsätzlich ein Bekenntnis zur Herkunft. Wer diese Kleidung pflegt und trägt, tut öffentlich kund, dass Heimatliebe hier in gebührendem Mass vorhanden ist. Überall in der Schweiz sind Trachtengruppen bestrebt diesen Kulturzweig zu erhalten und zu fördern, so wie seit 80 Jahren auch die Bärglüt am Morgarte aus dem schwyzerischen Sattel.
23.03.2017 | VON RUEDI ROTH
Das Trachten- und Volkstanzwesen in der Schweiz erlebte 1926 seine eigentliche Geburtsstunde. In Luzern wurde damals die Schweizerische Trachtenvereinigung (STV) gegründet. Diese setzte sich zum Ziel, die riesige Vielfalt der regional verankerten Trachten zu bündeln und organisatorisch in einer Gemeinschaft aufzutreten. Natürlich ist die Tradition des mit Stolz getragenen Gewands viel älter und gar manche überlieferte Zeichnung dient hierfür als Beweis. Wie im 1986 anlässlich der jubilierenden Kantonalvereinigung erschienenen «Schwyzer Heft» nachzulesen ist, sei schon im vorletzten Jahrhundert ein erster Schritt getätigt worden, das kantonale Trachtenwesen zu fördern. Die Begründung wird wie folgt formuliert: «Die in die Bergtäler abgedrängte Werktagstracht soll in das Bewusstsein des schwyzerischen Volkes zurückgebracht und für die Nachwelt gerettet werden. Also habe man anlässlich eines in Einsiedeln stattfindenden Schwingfestes fünf Jungfrauen aufgestöbert und ihnen die Aufgabe auferlegt, an vorgenanntem Fest in Kleidung nach Grossmutterart zu erscheinen. Dies habe geklappt und entzückte Augen hervorgerufen. Somit sei die Pflege dieser optischen Kulturerhaltung auf fruchtbaren Boden gestossen und solle weiterhin gefördert werden.»
Über 100 Mitglieder
Die ersten regionalen Trachtenvereinsgründungen im Kanton Schwyz fanden 1929 statt. Als Motivation und Auslöser hierzu diente sicherlich das in jenem Jahr durchgeführte eidgenössische Trachtenfest in Einsiedeln. Die Trachtengruppe Sattel wurde 1937 geboren und zählt heute weit über 100 Mitglieder. Der Verein teilte sich lange in vier verschiedene Untergruppen auf: Tanzgruppe, Trachtenchor, Kindertanzgruppe und Theatergruppe. Vor sechs Jahren spaltete sich dann aber der Trachtenchor ab und wurde unter dem Namen Jodlerchörli Sattel selbständig. Der Grund für die Trennung war hauptsächlich die finanzielle Belastung durch die Anstellung eines Chordirigenten. War dieses Amt früher noch ehrenamtlich und von eigenen Mitgliedern betreut, so änderte sich dies mit der Zeit. Die Jodlergruppe wollte sich musikalisch weiterentwickeln und benötigte hierfür einen ausgebildeten Dirigenten, welcher aber in der Gruppe nicht zu finden war. Da habe es an der Generalversammlung schon auch mal ziemlich angeregte Diskussionen nach sich gezogen. Jetzt aber habe sich alles wieder geglättet und die beiden Vereine bestritten am letztjährigen Heimatabend zum Beispiel gemeinsam das Abendprogramm.
Diese Auskünfte erteilt Irene Hediger (33), wohnhaft in der zu Seewen gehörenden Riedmatt und amtierende Präsidentin der Bärglüt am Morgarte. Mit ihrem Mann Paul bewirtschaftet sie dort einen mittelgrossen Landwirtschaftsbetrieb. Das Einkommen wird aus Milch- und Mastwirtschaft gewonnen und Irene arbeitet gerne in Feld und Stall mit. Die in Sattel aufgewachsene Bauerntochter trat der Trachtengruppe auf Anraten der Schwester und Kolleginnen bei. «Das Tanzen war schon damals eine Leidenschaft von mir. Auch heute noch liebe ich diese Betätigung und freue mich an neuen Tanzschritten, welche in der Trachtengruppe auf dem Programm stehen», begründet Irene Hediger ihre Mitgliedschaft. Zudem sei sie gerne kommunikativ und fühle sich mit der hiesigen Tradition echt verbunden. Dass Irene Führungsqualitäten besitzt, zeigt sich dem Schreibenden auch beim Interview in der gemütlichen Küche in der Riedmatt. Die vier Kinder Rebekka (5), Corina (4), Pirmin (2) und der zwei Monate alte Sandro im Stubenwagen wollen dieses und jenes erledigt haben; dies alles natürlich während des Gesprächs und möglichst miteinander. Da zeigt die junge Mutter Ruhe und Übersicht und mit Spontanität wird alles in geordneten Bahnen gehalten.
Nach Absolvierung der Bäuerinnenschule im Kloster Fahr stieg Irene 2003 richtig in die Trachtengruppe ein und besucht seither die wöchentlichen Tanzproben. Nach vier Jahren Mitgliedschaft übernahm die lebensfrohe Frau den Posten als Tanzleiterin. 2015 übernahm sie dann das Präsidium und waltet nun über die grosse Schar der traditionspflegenden Vereinsmitglieder.
Keine Nachwuchsprobleme
In der Trachtentanzgruppe der Bärglüt am Morgarte ist es Brauch, dass eine Tanzleitung von einer Assistenz unterstützt wird. Dies ist wohl auch nötig, da an den Proben jeweils zehn oder mehr Paare anwesend sind, um die neuen oder aufgefrischten Volkstänze im Schuss zu halten. «Nachwuchsprobleme haben wir in dieser Hinsicht eigentlich nicht. Da kommen sowohl junge Mädchen als auch Burschen zu uns und zeigen ihre Verbundenheit zur hiesigen Tradition», freut sich Irene Hediger zu Recht. Meistens suche eine ganze Clique die Aufnahme in den Verein oder es bilde sich dann mindestens eine solche. Trotzdem sei das Verhältnis unter den verschiedenen Altersklassen sehr gut und die Altersdurchmischung habe durchaus viele positive Erfahrungswerte auf Lager. Grösstenteils stammen die Mitglieder der Trachtengruppe aus der Umgebung Sattel/Schwyz. Waren es früher mehrheitlich Leute aus dem Bauernstand, so hat sich auch in Sattel die heutige Gesellschaftsform eingenistet. Der Bauern sind es immer weniger, was aber nicht heisst, dass damit auch die Tradition ausstirbt. Laut Irene Hediger seien in ihrer Gruppe verschiedenste Berufsgattungen ansässig und dies wirke sich in Gesprächen nach der Probe durchaus positiv aus.
An die Auftritte der Trachtentanzgruppe würden jeweils etwa sechs Paare delegiert. Stehe aber eine grössere Bühne zur Verfügung, so wären es auch mal mehr. Der Posten der ehrenamtlich arbeitenden Tanzleiter wurde fast immer von Männern bekleidet. Irene Hediger war eine der ersten Frauen in diesem Amt. Die Auswahl der Tänze basiere vorwiegend auf Kreationen aus der näheren Umgebung. Es kämen aber durchaus auch etliche Melodien und Beschreibungen aus allen anderen Regionen der Schweiz zum Zuge. Die Bärglüt am Morgarte haben sogar einen eigenen Tanz, welcher vom ehemaligen Tanzleiter Walter Schnüriger aufgeschrieben wurde. «Em Wädi sine» habe die bekannte Mazurka «Älter als beide Mythen» als musikalische Grundlage. An den Proben werde immer mit CDs oder Tonbändern gearbeitet. Stehe aber ein Auftritt vor der Tür, so würde die Tanzmusik zwei Proben vorher aufgeboten. So finde man sich dann leichter bezüglich Tempo und Routine, was einem angestrebt ansehnlichen Auftritt natürlich sehr dienlich sei. Die Bärglüt sind momentan in der glücklichen Lage, an den Auftritten auf die musikalische Unterstützung von Manuel Ulrich und Michi Annen an Handorgel und Schwyzerörgeli sowie Rene Nussbaumer am Bass zu zählen.
Jährliche Morgartenfeier und Mitwirkung am Unspunnenfest
Die Anzahl der Auftritte der Tanzgruppe sind unterschiedlich. Es gibt aber einige Anlässe, welche für den gesamten Verein zum jährlichen Programm gehören. Besondere Erwähnung verdient hier die Morgartenfeier, welche jedes Jahr am 15. November auf die denkwürdige Schlacht am Morgarten von 1315 hinweist. Dann findet ein historischer Umzug statt, welcher natürlich von der Trachtengruppe Bärglüt am Morgarte mitgestaltet wird. Ebenfalls jedes Jahr findet im September ein Heimatabend in der Mehrzweckhalle Sattel statt. Dort wird der Erhaltung der verschiedenen Traditionen Aufmerksamkeit geschenkt und die Tanzgruppe zeigt ihr Erlerntes dem Publikum. Die Sattler sind auch dann bereit, wenn es darum geht, mit einem ordentlichen Wagen an einem Umzug mitzuwirken. Dann zeigen die Bärglüt, wie zum Beispiel am Internationalen Trachtenfest in Menzingen, einen hervorragend geschmückten Trachtenwagen, eine Fahnendelegation, vier Hellebardenträger und viel Fussvolk, welches den Zuschauern die beliebten Sattler-Bohnen zum Probieren verteilen. Heuer steht auch die Teilnahme am Unspunnenfestumzug auf dem Programm, in welchem die Sattler einen Teil der Delegation der Schwyzer Trachtenvereinigung bilden.
Als Besonderheit der Trachtengruppen im Kanton Schwyz kann die Vielfalt der Trachtenkleider angesehen werden. So besitzen auch die Bärglüt am Morgarte eigene Trachten, welche nur bei ihnen präsent sind. Die Kleider werden von den Mitgliedern selbst berappt oder sie werden in der Familie weitergegeben. Es gibt aber auch junge Frauen, welche ihre Sonntagstracht zum Beispiel als Abschlussarbeit in der Oberstufe selbst herstellen. Dies kann sich lohnen, da die Kosten für eine Sattler Sonntagstracht sonst über 3’000 Franken betragen. Für die Trachten im Kanton Schwyz gibt es Richtlinien, welche eingehalten werden müssen. Will eine Gruppe etwas an ihrem Kleidungsstück ändern, so muss an der kantonalen Delegiertenversammlung ein entsprechender Antrag gestellt werden. Bei den Sattlern ist dies aber seit der Gründung im Jahr 1937 nicht der Fall und man ist nach wie vor stolz auf die eigene Vereinsbekleidung.
Irene Hediger amtet in der Trachtengruppe mit viel Herzblut als Präsidentin. Die volkstümliche Musik, das Brauchtum mit seiner traditionellen Herkunft und die Geselligkeit mit Gleichgesinnten sprechen sie an. Sie möchte daran festhalten und der Gruppe auch klar signalisieren, dass man hierfür seinen Einsatz leisten soll. In der zweimal jährlich erscheinenden «Trachtezytig», welche mit zahlreichen Bildern illustriert ist, wird ein Rückblick auf vergangene Anlässe geworfen. In diesem Büchlein übernimmt die Präsidentin aber auch die Aufgabe, in die Zukunft zu schauen. Die Trachtengruppe Bärglüt am Morgarte zählt zwar viele Mitglieder und kann sich wahrlich nicht über mangelnden Nachwuchs beklagen. Hingegen gelingen selbst organisierte Anlässe wie der Heimatabend und das Bärglifescht bezüglich Zuschaueraufmarsch nicht immer nach Wunsch. «Das ist momentan unsere Sorge und wir haben noch nicht herausgefunden, wie dieses Problem zu beheben ist», erzählt Irene Hediger stirnrunzelnd. Doch entmutigen lässt sich die kommunikative Bäuerin deswegen nicht und freut sich auf die nächste Tanzprobe.