Musikantenfamilie aus Illgau
Die urchig-tänzige Ländlermusik aus dem schwyzerischen Illgau ist seit bald einem halben Jahrhundert auch mit der Musikantenfamilie Heinzer verknüpft. Zusammen mit dem stilprägenden Toni Bürgler gründete Sebi Heinzer vor 47 Jahren die Kapelle Illgauergruess und in Bürglers Geburtshaus wohnen heute Sebis Sohn Fredy mit Schwiegertochter Marlen und fünf Kindern. Fürs Gespräch mit Land&Musig setzten sich auch Sebis Ehefrau und die drei restlichen Heinzer-Kinder Nadja, Ueli und Lea an den Küchentisch im «Nühus» etwas oberhalb der Innerschweizer Gemeinde.
23.11.2017 | VON STEFAN SCHWARZ
Das gesellige Beisammensein im Haus der siebenköpfigen Familie von Fredy Heinzer ist schon in vollem Gange, als sich zum Schluss noch die Eltern Edith und Sebi im «Nühus» einfinden und die Gesprächsrunde komplettieren. Die Gastgeber servieren Kaffee und Kuchen, während Eltern und Geschwister das eher seltene gemeinsame Treffen für den wichtigsten Austausch von Neuigkeiten nutzen. Die Jüngsten wechseln derweil von Schoss zu Schoss, während die Thematik am Tisch langsam aber sicher eine musikalische Richtung einschlägt. Die Musik ist bei den Heinzers nämlich in verschiedensten Facetten allgegenwärtig und neben den üblichen Familienbanden und einer gehörigen Portion Schalk ein weiteres verbindendes Element.
Sebi – der Altmeister
Vater Sebi Heinzer (1951) ist aus der Optik seiner Kinder bis heute fast der aktivste Musikus der Familie. Der pensionierte Musiklehrer beschäftigt sich aus lauter Freude an der Ländlermusik stundenlang mit seinen Instrumenten und der warme Klarinettenton erklingt noch immer rein und kugelrund wie in den guten alten Zeiten. «Ich bi halt immer no agfrässe», kommentiert Sebi seinen Fleiss trocken und erzählt dem angereisten Gast, dass der in diesem Haus aufgewachsene Toni Bürgler (1935) mit dem legendären Trio Bürgler als eigentlicher Begründer des typischen Illgauer-Stils mit zwei Handorgeln und Bassgeige bezeichnet werden könne. Zusammen mit Toni Bürgler, Walter Rickenbacher (beide Handorgel) und Friedel Bürgler (Bass) gründete Sebi Heinzer im Jahr 1970 seine Kapelle Illgauergruess, die alsbald zu einer beliebten Variante der tänzigen Illgauermusik wurde. Fast etwas wehmütig erinnert sich der Kapellmeister an die goldenen Siebzigerjahre, in denen er und seine Musikkollegen an einem Wochenende oftmals dreimal hintereinander für volles Haus sorgen konnten. Bei einem solchen Auftritt wurde der talentierte Klarinettler einst vom Schwyzer Musikschulleiter Melk Ulrich angesprochen und angefragt, ob er nicht eine Anzahl Klarinettenschüler übernehmen würde. Obschon die Musik schon immer sein Traumberuf gewesen wäre, winkte Sebi vorerst ab und wies auf die fehlende Ausbildung hin. Der Musikschulleiter liess aber nicht locker und bald genossen eine Handvoll Anfänger den ersten Unterricht beim Ländlerklarinettisten. Glücklicherweise arbeitete Sebi damals in der Schreinerei seiner Familie und konnte sich für das Unterrichten einen Nachmittag frei nehmen.
Das neue berufliche Wirkungsfeld war derart motivierend, dass sich Heinzer 29-jährig dazu entschloss, das für ein angemessenes Musiklehrerhonorar erforderliche Studium nachzuholen. Parallel zu Theorie und Instrumentalunterricht in Luzern erhöhte Sebi Heinzer sein Pensum an der Musikschule Schwyz kontinuierlich und sicherte sich und seiner sechsköpfigen Familie so das Einkommen. Nach dem Musiklehrerdiplom im Jahr 1989 war Sebi Heinzer bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr voller Herzblut für fünf Musikschulen im Talkessel Schwyz tätig und weckte gar manchem Kind die Freude an der Klarinette. Auch wenn die Musik somit über viele Jahre Sebi Heinzers Broterwerb darstellte, blieb die Ländlermusik stets sein grosses Hobby. Mit der Klarinette und auch als Klavier- oder Bassspieler musizierte der Vollblutmusiker bei Bedarf immer wieder auch mit anderen Formationen, wobei die Kapelle Illgauergruess bis zum heutigen Tag die geliebte Stammformation geblieben ist, mit welcher im Laufe der Zeit rund 20 Eigenkompositionen aufgeführt und teilweise verewigt worden sind. Seit vielen Jahren darf der Kapellmeister auf die musikalische Unterstützung der Gebrüder Christian und Walter Rickenbacher an den Handorgeln und Sepp Lagler am Bass zählen, die gemeinsam mit ihm in drei Jahren hoffentlich das 50-Jahr-Jubiläum der Kapelle Illgauergruess feiern dürfen.
Nadja – die Vielseitige
Als älteste Tochter der Familie berichtet Nadja Heinzer (1982), dass sich die ansteckende Musikbegeisterung ihres Vaters auch auf die vier Kinder übertragen habe: «Mier hend d’Ländlermusig quasi mit de Muettermilch ufgsoge!» Sie selber liess sich aber nicht von einem in der Illgauermusik typischen Instrument begeistern, sondern setzte sich alsbald ans Klavier und genoss an der Musikschule Illgau klassischen Unterricht. Aktiv zur Ländlermusik fand sie 1996, als diverse junge Schwyzer Musikanten für die Teilnahme am Schweizerischen Jungmusikantenwettbewerb eine Klavierbegleitung suchten. Vater Sebi zeigte seiner Tochter die wichtigsten Kniffe, welche Nadja seit 1998 im Handorgelduo Remo Gwerder – Franz Schmidig sowie in diversen Gelegenheitsformationen stetig verfeinert. Die ledige Fachfrau Gesundheit wohnt in Ibach, singt im Kirchenchor und spielt für den Hausgebrauch auch Schwyzerörgeli. In ihrer Freizeit ist Nadja zudem sehr gerne mit Gleichgesinnten unterwegs oder beschäftigt sich mit allerlei Handarbeiten (www.bagseller.ch).
Ueli – der DJ mit Rockerblut
Dem älteren Heinzer-Sohn Ueli (1984) hatte es in jungen Jahren vor allem die alte Piccolo-Orgel seiner Mutter angetan. Er begann fleissig zu üben, ging in die Musikschule und gründete 1997 noch im Kindesalter mit einem Cou-Cousin und Bruder Fredy das Ländlertrio Hesisbohler-Büeblä. Fast zehn Jahre lang sorgte die junge Formation ihren mit typischen Illgauer-Klängen vielerorts für gute Stimmung und die Musikanten konnten sich damit das Sackgeld etwas aufbessern. Schmunzelnd erinnern sich Ueli und Fredy, dass sie sich seinerzeit oftmals von den Veranstaltern abholen und wieder nach Hause bringen lassen mussten, da lange Zeit keiner der Hesisbohler-Büeblä selber Auto fahren durfte. Daneben machte Ueli gerne Bergläufe, war wie Fredy aktiver Geislechlepfer und befriedigte als gefragter DJ ganz gerne auch seine Rockerseele. Ein tragischer Töffunfall aufgrund eines technischen Problems (Kolben-Zylinder-Verschleiss) machte im Jahr 2006 die meisten Zukunftspläne des 22-jährigen Landschaftsgärtners auf einen Schlag zunichte. Trotz massiver körperlicher Beeinträchtigungen, die das geliebte Handorgelspiel oder die Ausübung eines Berufes seither verunmöglichen, kann Ueli in seinem Wohnort Brunnen ein selbständiges Leben führen. Dabei spielt die Musik nach wie vor eine wichtige Rolle und spendet in all ihren klanglichen Facetten immer wieder neue Lebenskraft. Ueli hält sich gerne in der Natur auf und freut sich über jeden Kontakt mit seiner 11-jährigen Tochter.
Fredy – der Familienvater
Mit fünf herzigen Kindern sorgen auch Fredy Heinzer (1985) und seine Frau Marlen aktiv dafür, dass der musikalische Stamm der Heinzers in Illgau nicht so schnell ausstirbt. Neben seinem Beruf als Schreiner werkelt der Familienvater auch in der Freizeit gerne und erstellt unter anderem schmucke Dekorationsartikel. Eine ganz grosse Leidenschaft von Fredy ist aber seit Kindsbeinen die Musik. Seine Familie erinnert sich noch gut, wie er in der Anfangszeit als Bassgeiger jeweils auf ein Schemeli steigen musste, um bis ganz oben ans Griffbrett zu gelangen. Heute spielt Fredy regelmässig mit dem Handorgelduo Simon Lüthi – Frowin Neff, gehört wie Nadja bald 20 Jahre dem Handorgelduo Remo Gwerder – Franz Schmidig an und sorgt neu auch bei Ländlertrio Innerschwyzergruess für das musikalische Fundament. Seit 2010 ist Fredy Heinzer auch Teil der «One Night Band», welche als vielseitige Cover-Partyband eine grosse musikalische Bandbreite abdeckt.
Lea – die Klosterschwester
Der katholische Glaube hat in der Familie Heinzer einen hohen Stellenwert. Als jüngste Tochter stellte sich Lea (1990) schon im Alter von 17 Jahren die Frage, ob das Leben in einem Orden etwas für sie sein könnte. Deshalb wollte sie nach ihrer Ausbildung zur Fachfrau Betreuung Kind die Ordensgemeinschaft des Klosters St. Klara in Stans näher kennenlernen und fand dort in den letzten vier Jahren als mit Abstand jüngste Ordensschwester ihre wahre Berufung. Das im Familienkreis mit Singen, Jodeln und Klavierspielen geweckte Interesse an der Musik kann Sr. Lea im Kloster heute in der Liturgiegestaltung vielfältig einbringen. Neben dem steten Einsatz der eigenen Stimme bereichern heute vorab die Gitarre, die Querflöte und das Cello die musikalischen Aktivitäten der lebensfrohen jungen Frau, die im Laufe der Zeit bereits rund dreissig eigene Musikstücke und Lieder komponiert hat.
«Es Härz randvoll vo Melodie,
das muess es Musikanteläbe si!»
Buntes Musikantenleben
Das lockere Land&Musig-Gespräch mit der Familie Heinzer führt auch bei der zweiten Kaffeerunde immer wieder neue musikalische Facetten zu Tage, die das bunte Musikantenleben der Illgauer Familie seit Jahrzehnten bereichern. So ist zum Beispiel auch Fredys Ehefrau Marlen eine aktive Ländlermusikantin, die trotz ihrer Mutter- und Hausfrauenpflichten immer mal wieder hinter der Bassgeige anzutreffen ist und 2015 in der TV-Sendung «Potzmusig!» zu Ehren von Schwiegervater Sebi mit ihrem Mann Fredy sogar ein eheliches Schwyzerörgeliduo bildete.
Das Musizieren im Familienkreis wurde natürlich bereits in den früheren Jahren gerne gepflegt und bei verschiedenen unvergessenen Auftritten auch öffentlich gezeigt. Sebi Heinzer erinnert sich gerne an diese besonderen Momente und erwähnt voller Stolz, dass seine Ehefrau Edith dabei nicht nur mit ihrem Örgeli begleitete, sondern das Programm auch singend im Terzett mit ihren Töchtern bereicherte. Und dass in Illgau, wie beim Gespräch am Küchentisch, stets eine positive Harmonie herrschte, bringt die folgende Textzeile aus einem der eigenen Lieder von Edith Heinzer wunderbar auf den Punkt: «Es Härz randvoll vo Melodie, das muess es Musikanteläbe si. Mit Musig chasch du vil verwinde und der Wäg i d Härze gfinde!».
Klingende Erinnerungen der Familie Heinzer
«Es Härz randvoll vo Melodie, das muess es Musikanteläbe si». Diese Textzeile aus einem Lied von Mutter Edith Heinzer widerspiegelt sich auch in den vier nachfolgenden Tonträgern, welche klingende Erinnerungen an musikalische Aktivitäten von Vater Sebi Heinzer sowie der Kinder Fredy, Ueli und Nadja Heinzer enthalten. Neben Sebis Kapelle Illgauergruess «… im alte Stil» sind das auf «Junge Töne» das Ländlertrio Hesisbohler-Büeblä mit Ueli und Fredy, auf «Eigäbrand» Ueli und Nadja zusammen mit Remo Gwerder und Franz Schmidig sowie auf «40 Jahre Frowin Neff» das Handorgelduo Simon Lüthi – Frowin Neff mit Fredy Heinzer am Bass zu hören.
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