Darstellung der Weihnachtsgeschichte
Den Brauch, in der Advents- und Weihnachtszeit Krippen aufzustellen, findet man auf der ganzen Welt sowohl in Kirchen als auch in privaten Häusern. Das Aufstellen der Figuren vom Geburtsort Jesu über die heilige Familie, den Hirten und Tieren bis zu den drei Königen hat eine Dramaturgie, die neben dem Tingeltangel der Konsumwelt eine willkommene Besinnlichkeit vermittelt.
23.11.2017 | VON HANSPETER EGGENBERGER
Die Darstellung von Geschichten mit Bildern und Figuren ist eine sehr alte Kommunikationsmethode. Zu Zeiten, als viele Menschen noch nicht lesen konnten, hatte das eine grosse Bedeutung. In die genau gleiche Richtung zielten Inszenierungen, also theatralische Vorführungen. Sie hatten den Vorteil, dass die Geschehnisse vom Betrachter hautnah nachvollzogen werden konnten und quasi multimedial eingängig und leichtverdaulich wurden. Auf diese Weise wollte man auch Geschichten aus der Bibel zeigen und erklären. Das ist bis in die heutige Zeit so geblieben. Uns allen sind bestimmt noch die Weihnachtsspiele aus der Schulzeit bekannt, bei welchen man schon als Kind in Rollen aus der Weihnachtsgeschichte schlüpfen konnte. Der Schreibende selber erinnert sich stolz daran, wie er dann auch einmal den Josef spielen durfte!
Seit frühester Zeit
Die Menschwerdung Christi haben die Evangelisten Lukas und Matthäus beschrieben. Nachdem ihre Erzählungen wahrscheinlich im 2. Jahrhundert aufgeschrieben wurden, verbreiteten sie sich allmählich in den ersten Christengemeinden, allerdings auch wieder mehrheitlich durch das Erzählen. Es dauerte dann noch zwei Jahrhunderte, bis in den Katakomben von Rom die ersten bildlichen Darstellungen der Geburt Christi entstanden. Der Ursprung der eigentlichen Krippe ist hingegen unsicher. Man weiss, dass schon in altchristlicher Zeit am Weihnachtstag religiöse Aufführungen zu sehen waren. Ab dem 10. Jahrhundert wurden diese immer volkstümlicher, wodurch sie sich in ganz Europa verbreiteten. Franziskus von Assisi baute im Jahr 1223 um Weihnachten herum in einem Wald die erste Weihnachtskrippe, bei welcher er dann seine Weihnachtspredigt hielt. Deshalb gilt er als der Vater aller Krippen. In einer Waldhöhle stellte er eine Futterkrippe auf, an der auch ein lebendiger Ochs und Esel stand. Hingegen verzichtete er auf die Darstellung der heiligen Familie. Eine der ältesten Weihnachtskrippen – sie stammt aus dem Jahr 1289 – ist in der Kirche von S. Maria Maggiore in Rom zu bewundern.
Verbreitung der Krippen
Zur grössten Blütezeit der Krippen kam es in der Barockzeit. Nach der unruhigen Zeit der Reformation erkannten zuerst die Jesuiten den grossen Wert der Krippe als Andachtsgegenstand und als Mittel der religiösen Unterweisung. Die von ihnen initiierten beeindruckenden Krippen verbreiteten sich rasch in den katholischen Kirchen in ganz Europa. Der Funke sprang bald auch auf die Städte über, und schliesslich wollte jede Gemeinde eine eigene Krippe. In Österreich und Süddeutschland, Polen, Tschechien und der Slowakei sowie in Spanien, Italien und Portugal wurden dann fleissig Krippen gebaut und gehandelt. Von der zentralen Darstellung der Geburt Jesu weitete sich die Szenerie im 18. Jahrhundert sowohl in den Schloss- und Kirchenkrippen wie auch in Haushalten des einfachen Volkes. Man ergänzte sie mit diversen Episoden, womit sie zu eigentlichen Ganzjahreskrippen wurden. Man nennt diese auch Passions- oder Fastenkrippen. Die wohl berühmteste von ihnen steht im Krippenmuseum Brixen im Südtirol, welche etwa 4’000 Figuren zeigt.
Einschränkungen
In der Zeit der Aufklärung zum Ende des 18. Jahrhunderts kam es zur sogenannten Säkularisation, in welcher kirchliche Institutionen verstaatlicht und die Besitztümer eingezogen wurden. An vielen Orten wurden Krippen verboten und die Figuren aus der Kirche entfernt, wodurch sie verstärkt in die Bürger- und Bauernhäuser Einzug fanden. Die bäuerliche Bevölkerung zeigte besonderes Interesse an der Krippenkunst, wobei man die Figuren oftmals selber schnitzte. Darin begründet sich die Tatsache, dass in den Darstellungen bis Mitte des 19. Jahrhunderts vorwiegend einheimische Landschaften gebaut wurden. Später kamen dann die orientalischen Krippen immer mehr auf. Um die Jahrhundertwende liess das Interesse an den Krippen stark nach. Doch es gab Sammler, die verhinderten, dass viele Darstellungen unwiederbringlich verloren gingen. So sammelte beispielsweise der Münchner Kommerzienrat Max Schmederer Krippen aus aller Welt und hinterliess seiner Nachwelt eine der grössten Krippensammlungen der Welt, die heute im Nationalmuseum von München zu bewundern ist.
Krippen in der Schweiz
Die Darstellung von Christi Geburt ist natürlich auch in der Schweiz dokumentiert. Auf der Decke der Kirche im bündnerischen Zillis befindet sich ein Kunstwerk mit 153 Bildtafeln aus den Jahren 1109 bis 1114. Etwa 20 Bilder zeigen Weihnachtsthemen von der Verkündigung an die Hirten bis zur Abreise der Drei Könige, die Flucht nach Ägypten und der Bethlehemitische Kindermord. Weiter gab es diverse Weihnachts- und Krippenspiele in der Kirche. Eines davon ist das St. Galler Spiel von der Kindheit Jesu, das zu Ende des 14. Jahrhunderts geschrieben wurde. Ein jüngeres Beispiel, das weitherum grosses Echo fand, ist die 1960 entstandene Zäller Wiehnacht von Paul Burkhard.
Auch bei uns waren es die Jesuiten, die erste Krippen bauten, so beispielsweise 1599 in Freiburg, 1661 in Brig und 1665 in Pruntrut oder 1638 in der Jesuitenkirche Luzern. Ein wunderbares Beispiel einer kompletten Krippe ist die Ambassadorenkrippe im Museum Blumenstein in Solothurn, die um die Mitte das 18. Jahrhunderts entstanden ist. Sie wird alljährlich in der Jesuitenkirche Solothurn in der Adventszeit aufgestellt, wo sie eine grosse Anzahl Besucher anzieht. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es mehrere Kunsthandwerker vorab in der Innerschweiz, die sich dem Krippenbau widmeten.
Die ersten professionell hergestellten Schnitzfiguren der Schweiz wurden vor mehr als 100 Jahren von Hans Huggler in Brienz geschnitzt. Heute bietet die bekannte Holzbildhauerei eine Vielzahl von Figuren in verschiedenen Ausführungen und Grössen an. Seinem Beispiel folgten viele weitere Holz-Schnitzer. Zur starken Verbreitung dieser Figuren trug das Schweizer Heimatwerk bei, obwohl dort die Schnitzer selber anonym bleiben. Da die geschnitzten Figuren verhältnismässig teuer waren, wurden die Krippen dann jeweils von Jahr zu Jahr um eine neue Figur erweitert. Eine andere Möglichkeit für Familien boten Ausschneidebögen und Faltkrippen, wie man sie bis in die 1950er-Jahre kannte. Grossen Zuspruch fanden seit den 1960er-Jahren die Schwarzenberger Krippen. Die von Schwester Anita Derungs im Kloster Ilanz geschaffenen 30 cm grossen Figuren sind beweglich und haben kein Gesicht. Im Bildungshaus Schwarzenberg wurden bald Kurse zum Eigenbau dieser Figuren angeboten, was zu einem Boom im ganzen Land führte. Verschiedene Pfarrherren versuchten immer wieder, vor allem junge Leute für den Krippenbau zu begeistern. Beispielen in Bayern und Tirol folgend, wollten sie dafür auch Krippenvereine in Gang bringen.
Solche Vereinigungen bestehen seit gut 100 Jahren in Bayern, Tirol, Italien und Spanien. Der 1952 gegründeten Internationalen Vereinigung «Un Foe Prae» gehört auch die Schweiz an. 1983 wurde die Schweizerische Vereinigung der Krippenfreunde in Zürich gegründet, die heute knapp 350 Mitglieder im ganzen Land hat. Darin finden sich etwa zur Hälfte Krippenbauer (Stall und Landschaft 25 %, Figuren 35 %) sowie Sammler und solche, die einfach Freude an Krippen haben. Neben dem Austausch via die eigene Zeitschrift «Gloria» und der Jahresversammlung gehören Krippenreisen in alle Welt und Besuche in regionalen Ausstellungen zu den Tätigkeiten der Vereinigung. Bei aller Freude an schönen Figuren und aller Perfektion der Ausführung an Ställen und Landschaften ist und bleibt das zentrale Ziel des Krippenbaus, die Menschen anzuleiten, das Geschehnis von Weihnachten zu betrachten, darüber zu meditieren und über Generationen weiter zu erzählen! Dass dieses Ziel gerade mit Krippenfiguren auch in der heutigen medialen Welt erreicht wird, ist ein tröstlicher Gedanke, der nicht nur zu Weihnachten bedeutungsvoll ist.
Auch Volksmusikanten sieht man in Weihnachtskrippen.
Kontakt
Schweizerische Vereinigung der Krippenfreunde
Weinberglistrasse 46
6005 Luzern